Tagebuch von Andreas Okopenko, 18.04.1952-27.06.1952 - Digitale Edition Okopenko Andreas Tezarek Laura Herberth Arno Hebenstreit Desiree Englerth Holger Digitalisierung Herberth Arno Transkription Tezarek Laura Formale Codierung Tezarek Laura Semantische Codierung Englerth Holger Stellenkommentar Englerth Holger Korrektur Hebenstreit Desiree Englerth Holger Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung FWF P 28344 Einzelprojekte Innerhofer Roland Version 2.0 Austrian National Library
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Vienna Austrian National Library Literary Archive 399/W156 AC14414201 Z148514109 Papier 202 Blatt Tagebuchheft mit Beilagen Von Andreas Okopenko mit Schreibmaschine geschriebener Text. Von Andreas Okopenko mit der Hand geschriebener Text. Von unbekannter Hand handschriftlich geschriebener Text. Von Hans Weigel mit der Hand geschriebener Text. Von Brigitte Kahr mit Schreibmaschine geschriebener Text. Von Brigitte Kahr mit der Hand geschriebener Text. Vorgedruckter Text unbekannter Hand.

Tagebuch 1952

AOk

Tagebuch

Fr 18.4.52 (Fortsetzung)

- Fr 27.6.52

4,65
(Fortsetzg. Fr 18.4.52:)

Ich erzählte ihr, daß nunmehr ich Prufrock übersetzt habe.

Sie geht schon rot angezogen und ohne Mantel.

Sonniger Morgen.

Die letzten Abende keine Post erhalten.

Etwas früherer Büroschluß. Frühjahrsausstellung im Künstlerhaus angesehen (Beischläger Aquarell 1951 (342) reizvolle spitze Pinselführung, Erich Miller: See [aber nicht: Paris ], klare Landschaften sagten mir am meisten zu. Laske-Ausstellung!).

A rt Club:

Weigel angetroffen: Häusler will uns zurückhaben.

Trr, Ferra , Kein, Artmann, + Esther, Schmied.

Lorca-Lesung.

Hofmann getroffen:

Anstrengender Abend.

Samstag, 19.4.52:

Vormittag photographiert (Wientalstraße).

Nachmittag gesonnt (Wiese über der Dehnegasse). Herrliche Tage.

Großes Verlangen nach dem Mädchen.

Ich stelle mich, da ich zu eingenem Schreiben aus menschlichen Gründen jetzt unbefähigt bin, ganz in den Dienst der Eliot-Übersetzung. Rhapso s d ie übertragen.

Sonntag, 20.4.52:

Bei etwas unruhigerem Wetter Polakovics zu erreichen versucht. R ief ihn für Nach-mittag zu mir.

Artmann öffnete nicht, hinter verhängter Türe, mit Esther offenbar im Bett.

Kein ebenfalls nicht angetroffen.

(Polakovics fuhr ja Vormittag nach Floridsdorf.)

Daheim frühere Waste Land Übersetzung revidiert.

An der Sonne gesessen. Polakovics und Maja kamen. Fürchteten mich ganz im Weigelschen Schlepptau (!!) und gegen Hakel verhetzt (?!).

Ich muß wieder einmal zu Hakel gehn, er beeindruckte mich ja, durchaus lieb.

Viel geredet bis abends.

M ontag, 21.4.52:

Trüberer Morgen, aber warm.

Kurzer Dienst.

Dienstag, 22.4.52:

Früh kühler.

Tags schreckliche Hitze im Büro. Langer Dienst. Dr. L.

Wenig Post.

Abends notiert:

Das einzige Positive, was ich momentan tue, ist, die Leute in Ruh lassen.

Mittwoch, 23.4.52:

Schon in aller Frühe heiß.

Briggi auf der Straßenbahn getroffen. Sie lieh mir den Eliot-Band, ich gab ihr meine Über-setzungen zum Lesen. Ich fühle mich ausge-höhlt wie nichts.

Nur der schöne Frühling.

Anstrengender Dienst, Dr. L., lang am Abend.

Etwas Eliot übersetzt.

Abends fand ich die Fotos von Samstag, recht lieb, vor.

D onnerstag, 24.4.52:

Lauter dumme Begegnungen früh. Das Wetter hellte sich gegen Vormittag wieder auf.

Morgen fliegt Dr. L. nach Argentinien.

Briggi, die ich nicht getroffen hatte, rief während meiner Abwesenheit an.

Abends über den Ring, wo eine Demonstration der Bauarbeiter statt-fand, in die Kärntner-straße. Fotoaufnahmen im Art Club. Wenig sympathischer Abend mit Artmann, Schmied, Trr (der ungesund fanatisch ist), Williams (in häßlicher Aufmachung); auch Esther war anwesend.

Mit Kein heimgegangen, das war das Anregendste vom Abend. Das Wetter war kühl.

Keine Post daheim.

Ich weiß nicht, warum Brigitte Kahr mir nicht schreibt.

Freitag, 25.4.52:

Br iggi Falkinger nicht getroffen, gegen mein Erwarten.

Windiges Wetter.

Ich rief das Mädchen mittags an. Ihr haben die Übersetzungen gefallen, und sie wird morgen zu mir sprechen kommen.

Sensation im Büro: Steger 500.- der Tante überwiesen und ihr den Urlaub verlängert.

Levantinische Kaufleute im Büro.

Abends schöner Abend. Wein, Regen.

Samstag, 26.4.52:

Nm. Briggi da.

Im Zimmer mit ihr meine Übersetzungen durchgegangen.

Sonntag, 27.4.52:

Eliot weiter übersetzt. Schreibereien.

Nm. kam Tante von Mönichkirchen zurück. Gute Stimmung.

Claire, ein Mädchen die nicht obskur ist, unter blühenden Kastanienkerzen wenn der April auch verregnet ist geht die linearen Sätze abwärts, weil ich sie verlier. Oft ist die Schnecke ein Säugetier Bald sind die Bäume verblüht

Mann mit Schnurrbart, Mädchen aus den Zwanzigerjahren.

Es graust einem vor aller literarischen Manifestation, ob gereimt oder ungereimt, unerträgliche Ueberspanntheit und Falschheit - ist wirklich nichts auszudrücken, nichts da, was ausgedrückt werden soll. ??

Ich habe nichts p P ositives.

In der Kritik bin ich besser.

Diese Ich-Bezogenheit der Verse, aller jetzigen Verse. Kein Vergleich mit früher. Der Egoist verliert auch, so verkehrt es scheint, alle Souveränität.

Notizen in die Maschine 27 4 52

Wetter trüb; Kastanienkerzen blühn, aber es ist recht kalt.

Montag, 28.4.52:

Ödes Wetter.

Trotz Fehlen von Dr. L. und St. lebhafter Betrieb.

Abends traf ich Tante bei uns zuhause.

Leder. Nur uninteressante Post.

Diens t ag, 29.4.52:

Schönwetter kam.

Mittwoch, 30.4.52:

Tante kam auf Urlaub zu uns.

Früher (13h) bürofrei, auf der Wiese gesonnt, gelesen: "Einladung, deutlich zu leben".

Abends getrunken, sehr gute Laune. Lange spaziert.

Donnerstag, 1. Mai 1952:

Zeitig auf.

Später zu Artmann , wenig los.

Ich habe das Schauen verlernt. Ich weiß zwar, wovor mir graust (Wirrheit, Oberflächlich-keit, Männlichkeit ...) aber ich habe nichts dagegen zu halten. Ich habe jetzt wenig Vergnügen.

Etwas gesonnt.

Leute, die einen dummen Eindruck machen, freut es, wenn sie boshaft sind.

Schlechtigkeit wird von den Dummen als eine Art Rangsteigerung empfunden.

(Gütersloh: Alle Dummheit ist absichtlich. - - -)

Gedicht für Neruda angefangen.

Tante war weiter da.

Freitag, 2. Mai:

Früh auf.

Tante letzten Tag hier.

Bei strahlendem Wetter den Tag über erlebnislos.

Abends vor scheußlichem Wetter allein im Art Club.

Später wieder fort-gegangen.

Diem über meinen letzten Brief empört, laut Artmann.

Briggi fuhr in einem Besatzungsauto, v or Spiege l grund, an unserer Straßenbahn vorbei.

T.P.

3 5 52

Sehr geehrter Herr Weigel,

da Sie momentan der einzige sind, der es vielleicht weiß:

Was ist mit Brigitte Kahr los? Ist ihr etwas geschehen oder ist sie fort?

Bitte, seien Sie so lieb und schreiben Sie mir, was s S ie von ihr wissen. Mit wirklich herzlichem Dank

Ihr A Okopenko

Samstag, 3.5.52:

Nach dem kurzen Büro heim, wo wieder keine Post vorlag.

Nachmittag auf die Wiese.

Sonntag, 4.5.52:

Vormittag wieder in der Sonne gelegen.

"Unterschieben Sie mir nicht solche Ideen"

Kein besuchte mich dabei. Später gingen wir Wientalstraße und Hüttelbergstraße spazieren.

Anregendes Gespräch (über Toman , Rhetorik, Durchgebackenheit des Gedichtes, Erlebtheit einer Prosa ...)

Gestern und heute nachmittags viel geordnet.

Montag, 5.5.52:

Früh hatte ich noch genug Zeit.

"Welt am Montag" ist im letzten Jahr vollkommen abgesunken.

Büro: Steger von Salzburg wieder zurück. Sehr lebhafter Dienst.

(Diese Woche bin ich wieder abends dran.)

Wolkenbruch.

Abends in der "Furche" mehrere der letzten Gedichte Wiecherts gelesen.

Früh hatte ich Briggi getroffen, von den Übersetzungen gesprochen. (Das sind x laufend Verzichte.)

(Das niederzuschreiben, ist wiederum ein Verzicht.)

PS. Wenn man hier das Wort "Verzicht" billig auffaßt, als freiwilligen Akt nämlich, könnte es in furchtbar bequemer Weise edel aussehen.

Dienstag, 6.5.52:

Mittags in den Stadtpark. Heute morgens hatte mich Briggi eingeladen, zu ihrer "Abschiedfeier" vo r ihrer Italienfahrt zu kommen. (Heute abends. Es würden mehr Leute dortsein, ihre Freunde, sodaß ich nicht befürchten müßte, aufzufallen.)

Wieder Sonnenwetter.

Mittwoch, 7.5.52: Mittags.

Redete mit einer Katze im Hof. (Sie sah mir während der Unterredung sehr lieb in die Augen ....)

Rief im Anschluß Briggi in ihrem Büro an. Natürlich ohne Sinn für sie oder mich.

Kann der eine glücklicher oder voller leben als der andere? Ist das unerlöste Leben die Regel?

Donnerstag, 8.5.52:

Ist der Ausdruck treffend: Amateur-Existentialist?

Das Wetter ist schön, blau (manchmal untertags wolkig und windig).

Gestern begannen Kastanienblüten abzufallen.

Schwerer Dienst im Büro. Abends noch angenehm: Etwas Geld kam ins Haus, Leber, Wein.

bezüglich Vormittag:
Wurmartige Kette aus Kreisen, am rechten Ende streahlenförmig nach unten weisende Pfeile.
Kopf mit Sternen und Linien.

What'll I do?

Ich Chipekwe seltenes Tier In Afrika beheimatet Ein einzelgängerischer Phänomeno l oge mit dem gemeinschafts-traum tief ins Gehirn geimpft ........ ........ Love in December isn't Love in May and "pantarhei" ...... Zwei Handschuhe blättern weiß in Hemingway .....
Ausgeschnittenes Foto von Hans Weigel Hans Weigel Rückseite des Fotos
gek 8 5 52 5.V.52

Lieber Okopenko,

ich weiss nicht von der B. K., sie hat sich ganz von uns allen zurückgezogen, auch die Jeannie weiss nichts - man sollte sich kümmern, aber ich hab' die Möglichkeit nicht - vielleicht Sie eher als "Nachbar".

Herzlichst

Ihr

Hans Weigel

Freitag, 9.5.52:

Eintrübung.

Briggi nach Italien. (Trifft Beck morgen 10 Uhr vor San Marco).

Steger überraschend nach Zürich, um ein Telefongespräch mit Buenos Aires zu führen.

Morgen bürofrei.

Samstag, 10.5.52:

Das Wetter war schlecht, wir kamen um den Spaziergang und die Sonne, auf die wir uns gefreut hatten.

Ich verbrachte den Vormittag zuhause.

Post von "ophir"

Vier Photoaufnahmen mittags.

Den Nachmittag bei unangenehm wechselndem

Die Ruhe ist unglaublich, mit der man in der bürgerlichen Welt als feindselige Einkapselung sitzt.

10 5 52

Wetter verstreichen lassen. Nur ausgeruht.

Sonntag, 11.5.52:

Vormittag an der Sonne. Mit Kein, der wieder kam, spaziert.

Neuerlich wechselnde Wolken.

Diese Wochen absolute Stille um mich.

Nachmittags gelang mir, wirklich unerwartet, eine Prosa.

Abends besonders intensive Wünsche nach dem Mädchen.

Montag, 12.5.52:

Anstrengender Dienst wie selten in letzter Zeit.

Abkühlung ("Eismänner"). Abends Post, im Anschluß daran Gedanken über den Niedergang unserer Gruppe.

Dienstag, 13.5.52:

Intensive Arbeit im Büro, aber früher aus.

Kühle Tage.

Abends die sehr tiefstehende Zeitschrift "Freude an Büchern" vorgefunden.

Mittwoch, 14.5.52:

Büroschluß noch zeitiger. Dr. L. kommt überraschend früh zurück.

Donnerstag, 15.5.52:

Nichts.

Kalte Luft.

Zeit vergeudet.

Freitag, 16.5.52:

Es ist kalt. Ich warte.

Nach dem Büro unternahm ich einen überraschenden Schritt: Ich übergab die "publikationen" Artmann.

Abends Liquidationsarbeiten bei Wein.

Samstag, 17.5.52:

Regen.

Dir. Steger wieder im Büro. Nächste Woche wird schlecht.

Nachmittags letztes Matrizen-Abziehen auf dem Bierhäusel-berg.

Gemütlicher Nachmittag.

Morgen wird ein lebhafter Tag.

Sonntag, 18.5.52:

Früh zu Brigitterl Kahr . Sie ist verreist. Eine sehr gesprächige Nachbarin erzählte mir, Weigel und Ebner haben sich skandalös gegen Brig. benommen. Brigitte habe sich von allen zurückgezogen. Mir gegenüber benahm sich die Nachbarin sehr freundlich. (Sie kannte mich namentlich auch).

In etwa 2 Monaten ist das Umherrreisen von Brig. um.

(Sie nützt jetzt noch die Karte nach ihrem Vater, der Bahnarzt war, aus.)

Kein kam. Er verweigerte den "neuen" (Artmann-) publikationen seine Mitarbeit.

Wir entschlossen uns, die publ. in meinen Händen zu lassen und uns energischer um das Notwendige zu bemühen.

Wir begannen gleich, die finanzielle Festigung durchzubesprechen, und stellten inhalt-mäßig das kommende Heft fast fertig.

Nachmittags kamen die jungen Polakovics. Pol. las mir drei Erzählungen von Nossack vor.

Wir sprachen auch verschiedenes.

Anregender Nachmittag.

Maja sieht krank aus, fast verbraucht, obwohl sie endlich die Krankheiten hinter sich hat.

Montag, 19.5.52:

Dr. L. wieder im Büro.

Gehetzter, noch kälterer Tag.

Dienstag, 20.5.52:

Früh erstmals wieder klarerer Himmel, aber sehr windig und kälter als bisher. Nur drei Grad Wärme.

Korrespondenzen hinaus-gejagt.

Abends Einladung der Ebner, Gedichte für Paris einzureichen.

Mittwoch, 21.5.52:

Ebner morgens abge-schrieben.

Langer Bürodienst.

Versand für publ. nr. 6 vorbereitet.

Abends kam eine größere Zahlung wieder. (20.-)

Wein und gutes Nachtmahl.

Donnerstag FEIERTAG 22.5.52:

Aufhellung, aber noch unverläßlich.

Fenster geputzt.

Freitag 23.5.:

Photographien.

Samstag 24.5.:

Radio v. d. Reparatur zurück.

Artmann, in meiner Abwesenheit, w ollte zu Besuch. kommen. Morgen werde ich mit Kein zu ihm gehen.

Sonntag, 25.5.:

Kein vm.

nm. mit Kein zu Artmann . Dort den status quo mit je 7 Gläschen Schnaps fixiert.

Montag, 26.5.:

Schwarzer Tag: Generalvertrag mit Westdeutschland.

Dienstag 27.5.:

Vertrag ist unterzeichnet. Krank gefühlt.

Zeit der Platzregen.

Mittwoch 28.5.:

Nach dem Büro nach Unterlaa hinausge-fahren und zurück. (Mistgeruch, ebenes Land, wärmeres Wetter zwischen Regen). Danach Kein getroffen, vor dem "Kreis".

Dann Vorarlberger Abend dort.

Donnerstag 29.5.:

"Vulcano" abends im Wienzeile-Kino bei ziemlicher Hitze.

Auf mich machte der Film einen starken Eindruck.

Später auf der Heimfahrt Gedanken ...

Freitag, 30.5.:

Abends Polakovics, länger als vorgehabt. Anregend mit ihm gesprochen.

Zeichnungen seiner Klasse der er mit Teilnahme angeschaut. Er unter-richtet, wie man sieht, gut.

Es fiel der Name der B. K.

Samstag, 31. Mai: (Pfingstsamstag)

Frei.

Schönwetter.

Mehrere Gänge.

Auch gesonnt auf der Wiese.

Versucht, zu schreiben (die Skizze).

Trotz angeregtester Stimmung nicht gelungen.

Pfingstsonntag 1. Juni:

Vormittags gesonnt.

Zu schreiben versucht, wieder vergeblich.

Sommerlicher Tag.

Die Leute kamen nachmittags.

Pfingst-Montag, 2 . Juni:

Sommerlich; noch schöner als gestern. Früh aufgestanden, in aller Frühe die Skizze mühelos fertiggeschrieben, zwei Fotoaufnahmen gemacht.

Vormittags in bester Laune auf der Wiese gesonnt. Mama kam später auch.

Nachmittags wieder auf der Wiese gelegen. Sehr braun geworden.

Abends Eliot übersetzt.

Der schönste Tag der Pfingstfeiertage.

Dienstag, 3. Juni:

Heiß. Anzug.

Abends auf den Bierhäuselberg gefahren (Papier abgegeben.)

Dienst-Woche.

Diese Woche, o b wohl Dr. L. fort, viele Arbeit im Büro. Sehr er-müdender Betrieb und gespannte Stimmung.

Freitag, 6. Juni:

Seit Dienstag war unbeständigeres Wetter. Heute wieder sehr klar und heiß. Gestern Photographien.

D iese Woche Matrizen geschrieben. Heute, Freitag, fertig geworden.

Wiesflecker:

Nachricht Kahr .

.

.

.

Kahr soll die Geliebte Weigls gewesen sein.

Abends gesoffen.

Samstag, 7. Juni:

Frei.

Die gesamte Auflage der "publ." auf dem B.-Berg abgezogen.

Später erst kam Kein dorthin.

Daheim 17 Uhr. Noch weitergearbeitet. Diese "publikationen" entstanden sehr rasch.

Getrunken.

Sonntag, 8. Juni:

"publ." vm. mit Kein fertiggestellt.

Waste Land V. fertig übersetzt.

Kleine Arbeiten und ausgeruht nachmittags.

Kein hat eine gute Prosa geschrieben. Haben mit ihm über Realismus, Romantik und Neoverismus gesprochen.

Abends noch Preludes übersetzt.

Montag, 9. Juni:

"Welt am Montag" ab nächster Woche ohne Kulturglosse.

Dr. L. wieder im Büro. Viel Arbeit.

Flötzersteig-Kino nach langer Zeit: "Unter dem Himmel von Paris ". Ein guter Film (gut = Note 2).

Regnerisch.

Dienstag, 10. Juni:

Diese Tage Wetter zum größten Teil trüb und kühler.

Viel Arbeit.

"publ."-Versand geht reibungslos vor sich.

Abends bei Polakovics "publ." abgegeben.

Er war nicht zuhause.

Recht öder Abend.

Mittwoch, 11. Juni:

Morgen frei.

Früh hatte ich noch etwas Zeit.

Leicht müde, im ganzen gesehen ...

(Man müßte es schon fast aus der Schrift erkennen. Beim Aufwachen merke ich es auf jeden Fall.)

Abends nahm mich Briggi mit, die, wie ich höre, schon die zweite Woche in Wien wieder ist.

Dort Kirschen gegessen und von ihrer neuen Liebe gesprochen. Briggi hat eine unglückselige Natur. Sie zweifelt jetzt schon, wo alles erst entsteht. Der Mann ist Amerikaner, ihres Lebenstypus', stark und strong hart? herb? (wie ich ihre Art nenne, ihre unglückliche.).

Haben auch darüber gesprochen, warum wir uns wohl nicht gefunden hatten.

Ziemlich spät heim.

Ich möchte Briggi helfen können.

Donnerstag, FEIERTAG 12. Juni 52:

Ordnung e n im Haus, für die bevorstehende Über-siedlung.

Trüb, leider.

Versuchte zu schreiben. Verbrachte den späteren Nachmittag in Gedanken an B. K.

Freitag, 13. Juni 52:

Häßliche Begebenheiten im Büro.

Abends lud mich Krischke vom "Theater der Courage" ein, an einer Lesung mitzumachen.

Ich habe ein paar Sachen hergerichtet.

Gute Arbeiten von Jandl sind gekommen! (Polakovics hat ihn "entdeckt".)

Wien 13 Juni 52

Lieber Herr Moldovan,

nachdem nichts und nichts an Bemühungen gefruchtet hat, an Ort und Stelle und bei jenen, die etwas hätten wissen können, muß ich Sie heimsuchen. (Aus der vagen Idee, Sie könnten vielleicht orientiert sein.)

Was ist mit Brigitte Kahr?

Zur Rechtfertigung: Sie haben seinerzeit ihren Band illustriert und kommen auch im Café Raimund und der Welt herum.

Brigitte Kahr, mit der ich in freundlichem Kontakt gestanden bin, hat plötzlich aufgehört, zu reagieren, soll sich von allen zurückgezogen haben und ist auch daheim unantreffbar. Ich bin äußerst besorgt um das Mädchen. Ich halte dabei sehr viel von ihr.

Seien Sie mir auf keinen Fall böse, daß ich diese freundliche Hilfe von Ihnen in Anspruch nehmen will. Anderseits soll es Ihnen nicht peinlich sein, wenn Sie nichts sagen können.

Mit schönem Dank und Gruß

AOkopenko

Wien 14, Baumgartner Höhe 1

Samstag, 14. Juni:

Früh, so wie gestern, schönes Wetter.

Mittags regnet es schon wieder.

Huber seit gestern auf Urlaub.

Neues "Öst. Tagebuch" gekauft, die einzige Zeitschrift, mit der ich mich jetzt noch aufrichtig auseinandersetzen kann.

Nachmittags daheim unterhalten, Reinschrift des "alten Bändchens" weitergemacht.

Tante und Paul kamen dann, und wir tranken mäßig.

Das Wetter bessert sich.

Sonntag, 15.6.52:

Zu Polakovics gefahren. Mit ihm entlang der Wien spaziert.

Strahlendes Wetter.

Wir unterhielten uns gut. Er kam nachher hierher und las Jandls und meine jüngste Arbeit.

Nachmittag arbeitete ich, später kamen er mit und Maja wieder. Verbrachten den Nachmittag angeregt. Über Musik und ver-schiedene jetzige Literatur gestritten.

Maja hatte ein liebes Kleid an.

Wetter wurde wieder häßlich.

Montag, 16.6.52:

F rüh: ohne jeden Schwung.

Trübes Wetter.

Brigitte Kahr hat mir nicht gegeschrieben, hat auf diese "publikationen" wieder nicht reagiert. Und auf meinen Brief von damals.

Ich möchte d i eses Mädchen nicht allein lassen. Warum läßt sie mich so allein.

Der seit langer Zeit strengste Bürotag.

Es regnete wieder.

Dienstag, 17.6.52:

Früh schönes Wetter.

Liegt nichts vor mir - ?

Ein noch strengerer Bürotag. (Nationalbank-Kontrolle!)

Mittwoch, 18.6.52:

Strahlend blauer Morgen. Vor dem Schulweg vertreiben sich Kinder die Zeit. Über den Lieben der Heranwachsenden liegt die Gefahr des Spielerischen. Das Gras hinter den Kastanien leuchtet in der Sonne satt grün.

Ich habe gestern von Altmann Sachen erhalten und ihm abends noch geschrieben.

Noch strengerer Tag im Büro.

Nach der Arbeit ins Gartenbau-Kino gerast: "Bitterer Reis", zweitrangiger Film, gegenüber "Vulcano" abfallend. (Natürlich meterhoch über Hollywood.)

Anschließend (20h) im "Kreis"Russischer Abend. Vor allem Gorki, Majakowski eindruck- erweckend, die anderen, neueren, recht auf-schlußreich.

Danach im Gasthaus Fröhlich, mit den Leuten vom "Kreis". Wiesflecker; zwei Sp.-Bürger; Paula Mindl, die Ewige. Eine Bürger-Frau und Maschke. Wiesfleckers Freundin. Politische Diskussion. Ein Bürger sagte: "Nur ein Schlechter oder ein Dummer kann Kommunist sein." Wiesflecker sehr nach dunkellinks gerückt seit den früheren Begegnungen.

Nachher mit Wiesflecker und seiner Freundin heimgefahren. Über Politik gesprochen, über Weigel und über B. K. Mit Weigel sei alles ein Unsinn, aber mit Kudrnovsky sei sie gegangen. Nun sei aber alles zerfallen, seit dem Weigel-Skandal.

Zwischen 12 und halb 1, nachdem es auch geregnet hatte, an der Eisengießerei vorbei, in der noch Licht brannte, den Weg hinter dem Windrad zu Fuß heim.

Die Allee. Fenster offen. Diese Juninächte kehren jährlich wieder. Es ist la u un d es ist spät und man legt sich einsam nieder.

Donnerstag, 19.6.52:

Den Tag hindurch, der sehr anstrengend war, um einen Brief mich bemüht.

Im Büro wieder sehr schwer gearbeitet, ohne Mittagspause und ohne Übersicht. s S chon seit Wochen-anfang hält diese Geschwindigkeit an. Ich war auch selten so d umpf wie jetzt, ohne Selbstbesinnung und mit so wenig bewußtem Erleben.

Abends erfolglos geschrieben, aber dann zum Trinken gesetzt.

Freitag, 20.6.52:

Wieder unentwegt gearbeitet.

Der Brief an Altmann, und der an Jandl, beide ruh t e n, aber der Kahr schrieb ich heute.

Auch zwei publ. mittags versandt.

Feucht und kühler. Jetzt abends sitze ich nahe dem offenen

Wien 20 Juni 52

Liebe Brigitte Kahr,

mich zurückerinnernd, kam ich auf den Brief, den ich Ihnen im April geschrieben habe. Es ist mir unangenehm, daß ich mich jemals so ausgesprochen habe:

Ich weiß heute, ich habe meine Aufgabe, Ihnen zu helfen, nicht ausgeführt, sondern habe, anstatt Ihnen Hilfe zu geben, mir von Ihnen Hilfe geholt. Ich habe Sie, als Sie einsam waren, nicht in Ihre Kreise, in denen Sie einzig gedeihen können, zurückführen wollen, sondern wollte zugleich mit Ihrer Einsamkeit meine Einsamkeit beenden. Das war natürlich ein Unding.

Sie würden mir einen großen Gefallen tun, wenn Sie meinen verantwortungslosen Brief aus dem April ver-nichten.

Behalten Sie mich nicht in dieser häßlichen Erinnerung; oder, noch besser, vergessen Sie mich bitte.

Ihnen wünsche ich von Herzen alles, alles Gute.

Andreas Okopenko

Fenster bei Eintragungen.

Samstag, 21.6.52:

Büro.

Mittags Post: Jirgal lud mich für abends auf Tivoli ein.

Nachmittag ausgeruht und zu arbeiten versucht. Dann bei schönem Wetter zu Jirgal gefahren.

Die Aufführung der Carmina burana durch Schüler des Tivoliheims (und Jirgal als Trommler) war reizend. Martha Hofmann und Schreibers Frau kamen auch.

Den Abend mit denen bei Jirgals verbracht. Tee, Frau Schreiber und statische Gedichte.

Danach unter Linden-geruch (Schönbrunner Alleen) heim. In der Straßenbahn drei furchtbar lebensgierige Mädchen, aufgeputzt und brutal, sie kamen vom Tanz nachhaus. Erschütternde Augen der Jüngsten, die wie L. K. von 1946 aussah.

Sonntag, 22.6.52:

Etwas müde aufgewacht. Zeitig auf die Wiese, Ernst Kein kam hin. Erfreuliche Diskussion über den Kommunismus, da einmal leidenschafts-los und ernstlich.

Auch über Entwicklung. Daß die Menschen nie glücklicher waren und heute nicht "im Vereinsamen sind" oder

Gepunktete vertikale Linie
"e xi-stenzialistisch infiziert leben".

Notiz: zwischen diesen zwei Worten, die ich durch das Zeichen

Gepunktete vertikale Linie
trennte, empfing ich eben einen in diesem Moment abgegebenen Brief von Brigitte Kahr.

Worauf ich zielte, habe ich erreicht.

Und ich bin nun wieder ohne eine, der ich lieb sein kann.

Der ich heraus helfen kann.

Fortsetzung des Reports so gut ich kann:

Ich muß einmal revidieren. Gespräch mit Kein war sehr anregend.

Nachmittags erst statische Gedichte, dann kam plötzlich Artmann. Gingen auf die Sonnen-wiese, mit Paddy, unterhielten uns interessant. Er fährt 7. Juli mit Esther in die Schweiz, Frankreich, Holland.

Überraschend angenehmer Nachmittag mit ihm. Gasthaus Rosental. (Ein Krügel Bier. Daheim ein zweites später.)

Er hat alle Mädchen außer Esther aufge-geben, ich freue mich so für ihn.

Abends wie gesagt getrunken gegessen geschrieben.

Nun erhalte ich also die Nachricht

Wien, 22. Juni 1952.

Lieber Andreas Okopenko,

Sie brauchen sich bei mir wegen Ihres so aufrichti-gen Briefes keineswegs zu entschuldigen. Mein Schweigen bedeutete auch keine Verstimmung, sondern eine gewisse Ratlosigkeit. Ich lebe in ständiger Aufregung und fürchte das Neue, das mi t r jeder Tag bringt. Ich verkrieche mich und will gerne in Ruhe gelassen werden. (Das ist nicht böse gemeint, son-dern die einzige Hilfe für mich in meiner momentanen Situation. Glauben Sie mir das, bitte!)

Seien Sie mir nicht böse. Ich bin Ihnen bestimmt gut.

Mit den allerherzlichsten Grüssen und vielen Wünschen für die Arbeit Ihre

Brigitte Kahr.

von Brigitte Kahr. Alles grün, blau, rosa.

Sommer ist so unbestechlich.

Montag, 23.6.52:

Strahlender Sommertag wie gestern.

Heute tritt die neue Bürokraft ihren Dienst an, bin neugierig.

Letzte 10 Minuten vor dem Büro.

Wie wird dieser Sommer werden.

Wien 23 Juni 52

Liebe Brigitte Kahr,

nur ganz kurz, der Ordnung halber, abschließend.

Mich hat Ihr gestriges Schreiben sehr gefreut. Es erweist, daß Sie meinen zu weit gehenden Wunsch damals nicht als den Wunsch zu einer Gemeinheit angesehen haben. Er war es auch ganz gewiß nicht. Nur wäre es ganz verständlich gewesen, wenn Sie ihn so ungünstig aufgefaßt hätten, nach dem allem, was Ihnen zugestoßen war.

Ich finde Sie auch in der nun objektiven Sicht so wert wie zuerst und sage es Ihnen, damit Sie wissen, es gibt jemand, in dessen Leben Sie keine Rolle spielen werden und vor dem Sie dennoch bestehen.

Ich wünsche Ihnen, daß Sie wieder aus der Unruhe kommen werden, in Geborgenheit oder in schönere positivere Aktivitäten.

Damit, und mit lieben Grüßen, schließe ich den Austausch ab.

Ihr

Andreas Okopenko

Neue Bürokraft sehr nett, ganz anders als Huber.

Nachmittags Wetterverschlechte-rung.

Arbeit über Arbeit.

Abschließenden Brief an B. K. geschrieben, mittags.

Dienstag, 24.6.52:

Früh wieder trüb.

Zu schrei b en versucht.

Unübersichtliche Arbeit im Büro. Abends müde.

Kalter Nachmittag. Abends Wermut getrunken.

Post vom neuen (nunmehr "schwarzen") Verlag Weigls kam. Auch 25.- von Weigel für die "publikationen".

Nun ist B. K. wieder entlegen. Bald ist sie durch das Bahnfenster kaum mehr zu sehen.

Mitten in der Arbeitswoche eine kurze Ruhepause vor Mittag. Auch keine Korrespondenzen für die "publ." zu führen. Man hat fast überhaupt keine Zeit mehr, stehenzubleiben und sich umzudrehen, bildlich gesagt. Abends immer skizzenhaft einige Resultate vor dem Einschlafen.

Das mit Brigitte Kahr ist nun auch zu Ende. Ich weiß auch nicht, wohin nun weiter. Tatsächlich ist nur der Zeitmangel daran schuld, wenn ich meiner Eins amkeit nicht voll bewußt werde.

(Ein Beamter von der Finanz läutet an.)

25 6 52
Mittwoch, 25.6.52:

Wieder trüber Morgen.

Auf der Straßenbahn fuhren Schüler nach Schönbrunn.

Schwerer Dienst im Büro.

Abends gebackene Leber, Regen, müßige Gespräche.

Donnerstag, 26.6.52:

Früh Aufheiterung. Bürotag wie immer, schwer und ermüdend. Abends schön.

Freitag, 27.6.52:

Wieder schwer gearbeitet.

Unbeständig, nach wie vor. Sehr kühl.

Nie war die Zeit neutraler als jetzt.

Der amerikanische Außenminister in Wien! Protest-Flugblatt