Tagebuch von Andreas Okopenko, 15.09.1952-02.11.1952 - Digitale Edition Okopenko Andreas Tezarek Laura Herberth Arno Hebenstreit Desiree Englerth Holger Digitalisierung Tezarek Laura Herberth Arno Transkription Tezarek Laura Formale Codierung Tezarek Laura Semantische Codierung Englerth Holger Stellenkommentar Englerth Holger Korrektur Herberth Arno Transkription Stenographie Österreichischer Verband für Stenografie und Textverarbeitung Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung FWF P 28344 Einzelprojekte Innerhofer Roland Version 2.0 Austrian National Library
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o:oko.tb-19520915-19521102
Vienna Austrian National Library Literary Archive 399/W160 AC14414253 Z14851450X Papier 156 Blatt Tagebuchheft mit Beilagen Von Andreas Okopenko mit Schreibmaschine geschriebener Text. Von Andreas Okopenko mit der Hand geschriebener Text. Von Andreas Okopenko in Stenografie geschriebener Text. Von unbekannter Hand handschriftlich geschriebener Text. Von Oskar Wiesflecker mit der Hand geschriebener Text. Von Brigitte Kahr mit der Hand geschriebener Text. Vorgedruckter Text unbekannter Hand.

Tagebuch

1952

AOk

2 60

Tagebuch

von ... Mo 15 9 52

bis ... So 2 11 52

Was will Herr Schacht in Teheran? WaM 15 9 52 Rückseite des Zeitungsartikels
Mo, 15 9 52:

Herbstlich. Plus 5 Grad.

Im Büro mit dem Apparat befaßt, leider viel "andere" Arbeit "daneben".

Abends las ich einmal gründlich Zeitungen.

Di 16 9 52:

Sonniger Morgen.

Früh hatte ich etwas Zeit, vor der Hetzjagd.

Im Büro kam ich gar nicht zum weiteren Studium des Apparates, auch nicht zur Hauptarbeit (Abrechnung der Kopplungen), sondern wurde bis 17 Uhr mit Nebensachen geplagt. Alles Wichtige bleibt für morgen.

Kalte und zeitig finstere Abende.

Tante grüßte uns aus Zürich.

Fräulein H. erzählte (außer über ihren Sch-nupfen) noch folgendes: "Ich kenne ein Büro, da wird gezahlt, daß man vor Neid zerplatzt; da würde ein Mädchen in meiner Position oder Andr. mit seiner Arbeit S 2200.- kriegen."

(...!)

Ihre Position zeigte sich indes heute labiler als man annimmt. Und überhaupt ist Streit über Streit im Büro. Ich schwimme wie Walroß durch dieses ungünstige Medium.

Gemütlicher ist es am Abend. Schreiben natürlich illusorisch. Fertigte mittags gerade noch Mayröcker ab; schrieb ihr nicht so unbarm-herzig wie es im Konzept steht.

Vorderseite einer Postkarte

Grüße von unserem Frankreich-Trip

Brigitte Kahr &

Oskar Wiesflecker

gek. 16 9 52

Herrn Andre a s Okopenko Baumgartnerhöhe 1 WIEN XIV. AUTRICHE

Ich las die letzten Tage Gottfried Benn . Sogar herausgeschrieben habe ich eines: "Blaue Stunde" aus den "Fragmenten", jetzigen Gedichten!

"... Was sich erhebt, da s will auch wieder enden, Was sich erlebt - wer weiß denn das genau? Die Kette schließt. Man schweigt in diesen Wänden. Und dort die Weite, tief hoch und dunkelblau."
Mi 17 9 52:

....

Do 18 9 52:

Photovolt-Anleitungen fertig übersetzt. Etwas weniger dichte Arbeit. Abends Naturpapier (Pol) abgeholt.

Fr 19 9 52:

Regen.

Büro: Kopplungs-kartei fertig. Nachmittag mit Distel Batterie bestellen gefahren (für den Helligkeits-messer).

Scheußliche Büro-stimmung.

(Frl. H.; Frau Marchsteiner wird von Huber gehunzt. H. u. Mj. nervös. Unüber-sichtliches Arbeiten.)

Sa 20 9 52:

Steidl ließ sich diese Woche mehr-mals bei uns blicken.

Häßliches Arbeiten, alles durcheinander.

Nachmittags froh. Erster Tag mit Kältegefühl im Körper.

Letzte Tage:

Tschadek als Justiz-minister durch Gerö ersetzt. Erste unbemannte Bomber ("Höllenkatzen" genannt) in Korea. Demon-strationen mit 70 Verletzten beim Gartenbau-Kino wegen des amerika-nischen Rommel-Films.

(Mossadeq und Naguib werde ich sicher notiert haben, die letzten Wochen.)

Gestern kamen die bestellten Bände: Eluard u. Neruda an. Ti e c honow folgt.

Später nachmittags begann ich zu arbeiten:

"Aus einer Fortsetzung des Gespräches: mit Kein " (für Jirgal).

Versuchte auch ein Gedicht: " Michèle J. reist kreuz und quer durch Europa ..." zur "Verewigung" des "mediterranen Spediteurs".

So 21 9 52:

Vormittags weiterge-arbeitet, mit etwas Erfolg nu r an der Niederschrift für Jirgal.

Tante von ihrer Fünfländerfahrt zurück, berichtete nachmittags, anschaulich.

Auch abends. an der Niederschrift gearbeitet, fertig geworden.

19 Uhr um die Steinhofer Mauer spazieren gegangen. Der Abend um diese Jahreszeit in dieser Gegend ist gewaltig. (Sendetürme von Steinhof, Licht in Fenstern, Himmels Farb-abstufungen, Der Wald ...)

Mo 22 9:

Büro viel Arbeit.

Tante muß operiert werden.

Abends Scheuner aus Breitensee da. Bekam ein Paket aus Rußland zurück.

Das Sept.-(Lehrer-) Heft der "Neuen Wege" da. Viel von Polakovics und Dienel darin. Umfangreiches und interessantes Heft. (Als bemühe sich die Redaktion nochmals ...)

Eigentümlich ist ein reimloser Versuch von Pola-kovics (Absturz eines Düsenjägers).

Wie geplant, viel von Jandl in diesem Heft. Abends noch länger darin gelesen.

Di 23 9:

Nach anstrengendem Bürodienst abends nach Währing (...) gefahren zu Dr. Polz , dem ehemaligen Mystifikanten.

Er war aber, obwohl er mich eingeladen hatte, nicht daheim.

Später abends viel aus Benn herausgeschrieben.

Es ist schon kalt geworden.

Mi 24 9:

Vormittag Akkumulatoren gekauft. Arbeit für Witzmann. Arbeit für Dr. Machwitz. Abends überraschend Dienst. Erste Bestim-mungen mit dem Apparat durchgeführt.

Zu Fritsch gefahren. Überaus herzlich. Bändchen-Manuskript durchgegangen.

Do 25 9:

Nichts: Büro.

Fr 26 9:

Anstrengende Tage.

Sa 27 9:

Tante schon zu Hause. Operation ging in Ordnung. Ekelhaftes Büro.

Nachmittag auf den Bierhäuselberg. Mit Kein dort weitere 6 Seiten abgezogen. Abends müde heim. Kein findet diese Nummer schwächer. Über Fritsch u.a. diskutiert. Fritsch ist in Keins Augen zu unverbindlich: zieht nur publikums-bequeme Konsequenzen.

So 28 9:

Weiter abgezogen. Herrliches Wetter (nur war es seit nachts recht windig).

Blauer frischer Himmel wie im März. Autobu s -fahrt erfreut mich immer.

Heute kam Kein nicht. Mit Hilfe von Witt-manns Buben fertiggeworden. Sehr abgespannt heim.

Ausgeruht, dann wiede r ein paar Korrespondenzen erledigt.

Mama half bei den "publ." mit.

Einiges niedergeschrie-ben. Abends um die Steinhofer Mauer mit Mama spaziert.

Mo 29 9:

Ich fahre jetzt nie mehr mit Briggi.

Im Büro war ich zufrieden mit meinen Arbeiten, auch für mich selbst; Brief an Erich Fried weiter.

Abends gute Stimmung. Wein.

Herbstlich, es regnet.

Di 30 9 52 T

Studentenstreik Demonstrationen der Chemiker gegen bevorstehende untragbare Gebührenerhöhung

Treffe jetzt öfter Karl Schik in der Früh. Er redet mit mir meist über kulturelle Dinge.

Heute erstmals wieder Tante im Büro, nach Spital und Ruhezeit.

Di 30 9:

Erstmals Kopfschmerzen. Fast ununterbrochene Arbeit bis 18h.

Am Friedbrief konnte ich ein Stückerl weiterschreiben.

Abends Post von Matejka (mein Gedicht diesmal abgelehnt) und einer deutschen Zeitschrift "Profile".

T
Mi 1 10:

Abends gutes Essen, Post Nachricht von Altmann brief, ich schrieb lang a m der Antwortbrief.

Do 2 10:

Nach s S ehr ermüdende r Bürotag. Neuigkeiten: Marchsteiner angestellt. Huber wird fliegen. (Es weiß sonst außer Tante noch niemand im Büro.)

Abends sehr netter Brief von Jandl aus England. So einen gut geschriebene r n Brief habe ich selten erhalten.

Fr 3 10 52:

Sc j h öner Oktobermorgen Tagesanfang, Herbstmorgen, (zwar nur plus 2 Grad morgens).

Zu schade fürs Büro.

Man las von Studenten-demonstrationen.

Spruchbänder:

"es ist alles eins, ob du ein man ein Hirn hat oder keins"

"Welches ist das gesündeste Land für Nobelpreisträger? - Österreich, denn dort da ist noch keiner gestorben."

Sprech-chöre: "Wer soll das bezahlen, wer hat soviel Geld"

Kolb, Kolb, komm bald, sonst wirst du im Amt nicht alt."

Ich fahre jetzt immer 10 Minuten vor acht von zuhause ab.

Neuig

Krawall Machwitz - Huber, gemütl. Abend daheim.

Sa 4 10:

Im Büro habe ich mir etwas Übers icht geschaffen.

Nachmittag kam Kein. Wir arbeiteten an den "publika-tionen". Ich erzählte ihm die letzten Sachen, zeigte ihm Neues von Mayröcker, Ebner, Altmann, Fritsch. Bearbeiteten einiges, vor allem wieder das Thema der Assoziationentechnik.

So 5 10:

Vormittags dem Modellhund unfreiwillig Weigels ein Gesicht gezeichnet. Es sieht Weigels Gesicht ähnlich.

Mußte ihm daher ein "Mikrophon" basteln. und ihn Jetzt wird er samstäglich auf unserm Radio s tehen und wie sein Vorbild "in den Wind sprechen".

Nachmittags Friedbrief fertigkonzipiert.

Dann an den "publ." gearbeitet.

Abends habe ich mir etwas Zeit für Tucholsky genommen.

Tucholsky ist reizend zu lesen. In Bezug auf seine Lebens-Skizzen: So einen mitleidenden Relativisten lasse ich mir gefallen.

(Es ist natürlich kein Relativismus des Lebens, sondern nur einer des verpatzten Lebens. Darum akzep-tiere ich ihn so ungewöhnlich bereit gern .)

Mo 6 10:

Hatte noch etwas Zeit. Korrektur-reich Tagebuch geführt.

Gestern hatte ich einen guten Satz im Französisch-Lehrbuch gefunden: Die Wertskala der Wörter lautet: Verb, Substantiv, Adjektiv, Adverb.

Man müßte eine Sprache haben konzentriert, natürlich, präzis und anschaulich, notierte ich gestern.

Im Büro alles für die "publikationen" getan, was ich vorgehabt hatte, und alle Besuche organisiert.

Di 7 10:

Nach dem Büro Besuch bei Polakovics .

Mi 8 10:

Abends Besuch bei Fritsch . Danach Gedanken, noch ohne Synthese. Herbstregen.

Do 9 10:

Früh literarisch ein wenig gearbeitet. Böser Dienst. Kalt. Fieberig.

Fr 10.10.:

Abends zu Polz , der mir sympathisch ist.

Er dissertierte über Tiefenpsychologie.

Kannte Brigitte Kahr, auch Kräftner.

Schon ziemlich kalte Tage. Polz beglei-tete mich zur Straßenbahn. Währing ist eine trübe Gegend.

Kam auch heute abends wieder spät nachhause.

Furchtbarer Kampf um den Weißen Pferdeberg 11 10 52 Rückseite des Zeitungsartikels
Sa 11 10:

Im Büro steigert sich die Stimmung ins Unerträgliche, von Tag zu Tag.

Ich gehe mit einer noch nicht

in der Tasche herum.

Zwei Behälter Olivenöl immerhin vom Büro profitiert.

Nachmittag ausgeruht. Arbeit: Rilke (Insel Auswahl Ausgabe) gelesen.

Rilke (Eines der paar, die ich mir herausschreiben werde):

Es liebt ein Herz, daß es die Welt uns rühme, nicht sich, nicht den Geliebten, denn: wer wars? Ein Anonymes preist das Anonyme .....
So 12 10:

Früh Lust zur Hakel-Prosa über Steinhof bekommen. Ich begann. Dann besuchte mich, wie abgemacht, Kein. Stellten die "publika-tionen" zusammen fertig, die letzten, und unterhielten uns über den Kommu-nismus und die westliche Entwicklung.

Nachmittags alles für den Versand der "publikationen" vorbereitet.

Später Hakel-Prosa weiter, abends glaubte ich fertig zu sein; jetzt gefällt mir der Schluß nicht.

Tiefer Herbst.

Mo 13 Okt:

Huber wieder im Büro. Alte Z ollaffären flackern auf.

Fleißig für die "publ.". - Abends zu Matejka , übers Gedicht mit dem Titel "Projekt" unterhalten. Die Schlußzeilen erscheinen ihm zu abstrakt-nichtssagend. Er spricht interessant, über Kraus, das Verhalten Kästners, Hauptmanns in der Nazizeit, sehr temparamentvoll und weitausholend. An mir lobte er die "Gabe zum Sezieren" und zur unmittelbar verständlichen Darstellung.

Sandte meine Sachen für Hakel und Eisenreich ab.

Im Institut wurden, laut Schik Karlis Bericht, meine "publi-kationen" mit Interesse gelesen. Übersetzungen in ihrer Gegenüberstellung gefielen. Kräftners Gedicht hinterließ einen über-raschend intensiven Eindruck.

Ich habe ihr gegenüber ein schlechtes Gewissen - .

Kalt.

"Kolb, wir werden dir bezahlen - Aber bei den nächsten Wahlen." "Kanzler Poldl, sei so nett, Bring den Kolb aufs Fensterbrett!" Studenten-Sitzstreik an Verkehrszentren Straßendemonstrationen nach der Versammlung im Konzerthaus 15 10 52 "Presse" Rückseite des Zeitungsartikels
Di 14 Okt:

Demonstrationen der Studenten vor dem Konzerthaus. Mächtiger Eindruck.

Intensiv gearbeitet.

Mi 15 Okt:

Lebhafter Arbeitstag, aber angenehmer. Gottwald von der Welser Papierfabrik wegen Überarbeitung zusammengebrochen. (Blutgerinnsel nahe dem Herzen.)

Abends viel für die "publ." erledigt. Café Landtmann (Qualtinger); Wiesflecker nicht angetroffen. Also zeitiger als gedacht heimgekommen.

Für Morgen mit Jirgal mich verabredet, für Montag mit dem Zahnarzt.

Das Gefühl meiner gegenwärtigen Unerfülltheit schlägt sich vor allem in die i- P unkte.

16 10 52
Do 16 Okt:

Abends nach häßlichem Büro zu Jirgal .

Dort diskutiert. Bratwurst aufgewartet bekommen.

Über Phänomenologie.

Die vitale Frau Dr. Schreiber ist auf der Psychiatr. Klinik und muß vielleicht nach Steinhof kommen. Sie ist, höre ich, seit je geisteskrank.

16/10

Die abendliche Begegnung mit "dem Tanz" im Zehner wiederholte sich nicht nochmals.

Es war ja ein kalter Oktober-Donnerstag.

Ich wollte notieren für weiteren Gebrauch:

Ich möchte, daß man sagen könnte: Kleiner Komet mit weiter Bahn ..."

Dann unterbrach ich diese Konzeption.

Ich verbiete mir in letzter Zeit alle 16/10 Arbeit an Gedichten über meinen Zustand; ferner an Gedichten im Bennschen Versmaß (Benn hat mir jede Möglichkeit zu dichten genommen).

Weitere Selbstverbote:

Surrealistischer Gedichte; Verbot der stereotypen Einbeziehung der Kosmetik in die Reportagen.

Fr 17 10 52:

Legte den ganzen Tag auf Freude an, da ich morgen frei habe.

Auch leichter erträgliches Büro. Abends reparierte Schuhe abgeholt. Artko Artmann kommt Sonntag oder Montag aus der Schweiz zurück.

Daheim gebackene Leber, Wein.

Sa 18 10:

Länger, mit den Büchern von Rilke und Jünger , im Bett geblieben.

Meine absurde "Jungfräulichkeit".

Vormittag:

Fried-Brief zuende zu Ende geschrieben. "Neue Wege", Oktoberheft, empfangen neben unwesentlicher Post.

18/19 10

Meine Arbeiten aufgeholt. Ließ mir's Samstag Abend gut gehn.

(So)

Früh im Bett gelesen. Vormittag, im Herbstlaub, bei Sonnenschein, zu Brigitte Kahr einen Spaziergang gemacht. (Gab dort die neuen "publikationen" ab.)

Auf meinem Hinweg und meinem Rückweg spielten Mädchen im Gras mit einer Katze.

Zu den "Verboten":

Man hüte sich vor der Niederschrift von selbstgestellten Fragen.

Man hüte sich vor der grosszügigen Feststellung, dass man fad ist.

18 10 52

Die, wie die Leute schön sagen, "phänomenologische" Art, darzustellen, die Stellung an dem Schnittpunkt von Impression und Ueberschau, die ich einnehme, sind meine bedeutsamsten Möglichkeiten.

19 10 52
Ich, Chipekwe, seltenes Tier, in Afrika beheimatet, ein einzelgängerischer Phänomenologe, mit dem Gemeinschaftstraum tief ins Gehirn geimpft ...

/Variation zum "Abendlied des Chipekwe", im Laufe dieses Jahrs./

19 10

Nachmittags schrieb ich einiges nieder. Zufrieden mit dem Wetter, mit den Tagen.

Abends Wein und Rohscheiben.

D M o 20 10

Abends Zahnarzt. Diesmal noch nichts notwendig.

Di 21 10

1630.- zusätzlich bekommen. Abends Dienst; spät erst kam ich zu Fritsch .

Dort war ich nicht fähig, wesentliche Gespräche zu führen anzufangen.

Ich fürchte, ich langweilte ihn, wenn er es auch nicht zeigte.

Mi 22 10:

Figl mußte seine Auslandreise abbrechen. Budget-Krise.

Föhnwetter.

Im Büro großer Krach zwischen Tante und Witzmann, den Witzmann einleitete. Tante bat den Direktor um ihre Kündigung; der ging freilich darauf nicht ein. Unerträgliche Atmosphäre.

Abends kaufte ich mir einen kleinen modernen Fotoapparat. (150.-, Daci).

Daheim Post; Wein.

Do 23 10:

Dienstag hatte ich erstmals wieder Briggi getroffen. Heute wiederholte sich das.

Ich fragte sie über Politik aus.

Regierung ist zurückgetreten.

Der Krach im Büro verschärfte sich. Witzmann nannte T. eine Intrigantin, zu Unre c ht.

Ich bin unter den Herren Schweinen zu völliger Neutralität gezwungen.

Abends sehr müde.

Fr 24 10:

Stabilisierung im Büro.

Regierung bleibt zunächst im Amt.

Föhnwetter, grau.

Gemütlicher Abend.

Sa 25 10:

Bürostimmung gehoben. Noch viel gearbeitet, aber konnte aufarbeiten.

Nachmittag geordnet; Kein kam. Sehr anregend gesprochen.

Abends Wein, gutes Abendessen.

Föhnig.

So 26 10 52:

Einen Tag in Allerheiligen-wetter zugebracht.

Mit Resten meines gestrigen Schwungs einige Arbeiten für mich gemacht.

Versuch zweier Aufnahmen trotz Schlechtwetter.

Nachmittag nichts Nützliches oder Erfreuliches zuwege-gebracht.

Traumfragmente 25/26 10 52:

Mußte in Zürich einen Acker pflügen. Der lag unter den Brettern eines Fußbodens.

Am Eingang von Zürich stand ein Mann mit großer Nase wie Moldovan. Es war schon spät am Abend.

Unlängst:

Wir bekamen ein neues Büro. Arbeits-pausen von je 5 Minuten je Stunde wurden eingeführt. In diesen Arbeits-pausen durfte man aber nur bis zur 2 Nachbartür spazieren. Reiter auf kleinen Pferdchen wachten in jedem Stockwerk darüber.

26/27 10 52:

Hatte laut Kalender eine Verabredung mit Artmann und Kein in Mödling. x) Da ich befürchtete, dass Artmann auf Sie vergessen haben könnte, sicher zu gehen, daß Um mich zu vergewissern, ob Artmann darauf nicht inzwischen ver-gessen h ä a tte, wollte ich ihn aus der Wohnung abholen erst zu ihm , anstatt in Mödling auf ihn zu warten.

In seiner Wohnung aber wohnten andere Leute:

3

Ein Bursch und ein älterer Mann; sie fragten m ich, ob ich über Karl May mitdiskutieren wolle. Ich sagte, ich suche Artmann. Artmann, sagte der Bursch, sei längst in eine andere Wohnung gezogen; die könne ich nur auf dem Magistrat erfragen.

Ich glaube, ich fuhr dann allein nach Mödling.

Es war aber schon 4 Uhr Nachmittags geworden.

Ins Büro kamen Beamtinnen eines Informationszentrums und verlangten von uns, wir müßten den Zeitungsroman von Guareschi K k ritisieren.

4

Ich wurde zuerst übersehen. Dann kam eine Beamtin auch zu mir und sagte, "ich dürfte auch mittun". Ich bekam einen blauen Bleistift und machte mich über die Arbeit. Die Frau, die nicht sonderlich hübsch war, dicklich und mit rundumrahmten Brillen, drückte ich dabei an mich, als wollte ich mich irgendwo geborgen fühlen.

Ich fuhr in einer sehr kleinen Straßenbahn in hellblaues Wetter und war etwas traurig , al s ich an Briggis Haus vorbeifuhr.

Alles notiert 27 10 52

Federico Castellon: Rendevous in einer Landschaft

Rückseite des Zeitungsartikels AZ 26 10 52
Mo 27 10:

Froher Abend.

Großer Unterschied zwischen der Schrift geschrieben schöpferischer Arbeit und

Großer Unterschied zwischen der Schrift einer

Großer Unterschied zwischen

Es wirkt sich in der Schrift, sehr deutlich aus, ob man schöpferisch schreibt oder abschreibt.

Ebenso, ob man etwas auszudrücken hat oder nicht.

Vor allem im Schreibgefühl.

Das minder echte Schreiben ist eine quälend häßliche Tätigkeit.

Di 28 10:

Begann morgens ein Dido-Thema.

Viel Arbeit im Büro, nachmittags Besprechung mit einem sehr hübschen Mädchen unserer Import-Partnerfirma.

Abends zuhause noch gearbeitet (Freißler-Brief geschrieben).

Mi 29 10:

Früh Dido-Gedicht weiter versucht, auf der Straßenbahn noch mehrere Ideen.

Im Büro entlädt sich mehr und mehr Arbeit auf mich.

Abends erste "Differenz" mit Witzmann.

Habe mich schon neulich nach dem Inseraten-Tarif erkundigt.

Ruhigerer Abend als gestern.

Do 30 10:

Abschwellende Spannung im Büro.

Etwas Arbeit aufgeholt. Abends Post von Wittkopf (Zeitschrift "Profile", Heidelberg).

Fr 31 10:

Erster Nachmittag ohne Dr. Machwitz. Ich muß einen Teil seiner Arbeit mitleisten, zum Beispiel englische Korrespondenz.

Die einzige Stellungnahme zu meiner Arbeit war die Rüge, warum ich einen Überweisungsauftrag nicht in meine sondern in eine andere Unter-schriftenmappe gelegt habe.

Sehr froh, daß die Werktage zu Ende sind.

Nach der traurigen Geschichte mit Briggi meine vollkommene geistige Rückkehr in s Bür oleben; diese Falle schliesst anscheinend für immer.

Aufhebung meiner Gestaltungskraft durch Benn .

Keine Zeit zu theoretischer Arbeit oder auch nur zu Selbstbesinnung.

1 11 52 morgens
Sa 1 11 ALLERHEILIGEN:

Machte Ordnungen und Arbeiten für mich. (Korrespondenz Görlich , Freißler, Wittkopf.)

Genoß daneben die Freizeit.

Vormittags schönes Wetter.

Zu schreiben gelang mir nicht.

Abends Friedhofspazier-gang, es war noch zu hell: Korso der Bürger, der Pelzweibchen an diesem Ort ...

Abends das jährliche Geflügelessen.

Versuchte abends verbissen, zu schreiben. Es resultierten nur ziemlich zerstörte Stimmung und wirre Träume nachts.

Für T Tagebuch : 2 11 52

Man erkennt an ihrer der Art ihrer Aufmachung, wohin Frl. Hedy H. abends geht. zu gehen vorhat. Trägt sie Stöckelschuhe, s o besucht heißt bedeutet das, sie wird einen Besuch bei Peter , besuchen, trägt sie gemäßigte Absätze, so bedeutet das besucht sie abends ihren "Bräutigam" Fritz .

Legt sie Lack auf ihre Nägel, bedeutet das eine Nacht mit Peter, wäscht sie den Lack mittags mit Azeton ab, herunter, bedeutet das einen Abend mit Fritz.

Kritzeleien unbekannter Hand
So 2 11 52 ALLERSEELEN:

Früh länger im Bett geblieben.

Weniger gedrängte Stimmung.

Früh Schönwetter, später wurde es wolkiger. Recht kalt.

Photospaziergang.

Nur 1 Zeit-Aufnahme.

Nachmittags nach langer Zeit mich mit meinen Brief-marken beschäftigt.

Bestellung geschrieben sogar.

Dann kam Artmann. Nicht sehr guter Laune. Er nahm mir mein "krämerhaftes" Interesse an den Schweizer Geldeingängen für die "publ.", die er dort ver-stümpert hat, übel.

Las einige seiner neueren Arbeiten; halte wenig davon ...