Tagebuch von Andreas Okopenko, 03.02.1953-30.04.1953 - Digitale Edition Okopenko Andreas Tezarek Laura Herberth Arno Hebenstreit Desiree Englerth Holger Digitalisierung Hebenstreit Desiree Tezarek Laura Transkription Tezarek Laura Formale Codierung Tezarek Laura Semantische Codierung Englerth Holger Stellenkommentar Englerth Holger Korrektur Herberth Arno Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung FWF P 28344 Einzelprojekte Innerhofer Roland Version 2.0 Austrian National Library
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o:oko.tb-19530203-19530430
Vienna Austrian National Library Literary Archive 399/W164 AC14414352 Z148514900 Papier 186 Blatt Tagebuchheft mit Beilagen Von Andreas Okopenko mit Schreibmaschine geschriebener Text. Von Andreas Okopenko mit der Hand geschriebener Text. Von unbekannter Hand handschriftlich geschriebener Text.

Tagebuch

1953

AOk

260

Tagebuch

von ... Di, 3 2 53

bis ... Do, 30 4 53

Dienstag, 3. Feber 1953:

Abends (nach ermüdendem Tag) bei Fritsch . Wir unterhielten uns über die Voraussetzungen guter Epik.

Schnee fällt fort und fort.

Mittwoch, 4. Feber 1953:

Abends nach viel Tagesarbeit zu Polakovics . Dort war wieder Dabatschek, und ich lernte Otto Laaber kennen.

Gute Arbeiten von beiden wurden vorgelesen.

x) Im Gegensatz zu Erich Fischer ein versprechender Autor, von dessen "Ismene" Hakel aber auch wir freudig überrascht worden sind. W. Fischer kam bis jetzt noch nicht.

Polakovics war im ersten Teil des Abends sehr schwungvoll (er fühlt sich wohl in diesem neuen noch un-verbitterten Kreis; auch auf mich färbte die Freude über das, worüber woran man nicht mehr zu glauben wagte gewagt hatte , ab).

Später bekam Polakovics Kopf- und Augenschmerzen, die den Abend trübten.

Donnerstag, 5. Feber:

Sehr viel Arbeit im Büro. Die letzten Tage gab es viel Streit zwischen Huber und ihren Kollegen.

Huber hat in den letzten W ochen ihren "Freund" verloren, und die Leute im vom Büro bekommen das sehr zu spüren.

Diese Frau kann nicht traurig sein sondern nur bissig, und wenn sie Liebeskummer hat, schimpft sie (was sie auch sonst tut. Es ist nur ein Quantitätsunterschied.). Denn wenn sie liebt, liebt sie nur mit den Nerven und mit dem Stolz.

Abends kam ein Rundschreiben von Prof. Dobretsberger.

Freitag, 6. Februar:

Früh: zeitig auf. Gute Laune. Konnte noch mehrere Arbeiten früh erledigen.

Unterwegs Briggi getroffen, die heute abend auf ein G'schnasfest geht. Sie trägt jetzt eine Zipfel-mütze aus grellblau gefärbtem flaumigem Fell, das ihr ein bißchen eine verschwommene Kontur gibt.

Nach arbeitsreichem Tag im Büro ein schöner Abend zuhaus.

Samstag, 7. Feber:

-10°.

Nachmittags kam Kein. (Statt morgen v V ormittag.) Art Club wird vom Gschnas gesäubert werden, ein neues Lokal ohne pseudo-pariserische Kulisse erhalten. In diesem Lokal werden auch Gedichte als "Wandzeitung" ange-schlage m n werden. Gab einiges dazu her nach einigem Widerstand.

Artmann soll mir nicht feindlich gesinnt sein, hör ich von Kein.

Angenehmer Abend.

Sonntag, 8. Februar:

Arbeitstag für mich. Briefe, "publikationen"-Versand.

Schnee fällt.

Abends versuchte ich vergebens, zu schreiben.

Montag, 9. Feber:

-12°.

Fast hätte ich vergessen: Huber kommt ja heut aus dem Schönheitsalon. Ich darf nicht vergessen, sie mir anzuschaun.

Mittlerer Arbeitstag im Büro. Abends noch Arbeiten für mich.

Dienstag, 10. Feber: -9°.

Früh alle "publikationen", die verschickt werden sollen, auf die Hietzinger Post gebracht.

Magistrat wegen Steuer-ermäßigung.

Kaufte mir Hemingway's Hemingways 49 stories unterwegs (nur 80.- Schilling).

Viel Arbeit im Büro. Auch Hitchman zu Gast. Abends Weg in die Waidhausenstraße wegen der Steuerermä-ßigung. Wieder umsonst. Abends angenehm, 1 Story gelesen.

Mittwoch, 11. Feber:

Frost.

Arbeit, viele, im Büro.

Abends ein paar Wege mit den "publikationen" gemacht.

Donnerstag, 12. Feber:

Früh Fabrik-Geschichte fertiggeschrieben.

Brief von "Karl Dálava" abgesandt mittags.

Freitag, 13. Feber:

Letzter Bürotag.

Gnadengesuch der Rosenberg ist verworfen worden.

Briggi und Schick-Karli getroffen. Trübes und kaltes Wetter.-4°.

Nachmittags und Abends Arbeit über Arbeit. Unterbrach, bis Montag, mit einem Rückstand von 20 "EVE-Daten".

Samstag, 14. Feber:

Lang im Bett geblieben und Gondžaro v s Roman " Oblomow " von der Mitte an gelesen. Psycho-logisch ist er nicht um ein Haar zurück hinter Sartre zum Beispiel. Dabei weiß er das tausendmal schwierigere Positive noch konkret und ohne jene traurige "Fadheit des Positiven" d arzustellen.

Vormittag für daheim gearbeitet.

Dann Ausarbeitung und Reinschrift vieler Notizen. Neben dem "philosophischen" Kleinkram befaßte ich mich mit der Rekonstruktion eines Gedichtes.

Die Unterschrift der Fürsorgerätin in der Waidhausenstraße endlich eingeholt.

Nachmittag zu Polakovics . Fischer kam nicht. Nach der Reihe erschienen Laaber, Dabatschek und Dressler (ein junger Deutschprofessor, dem Polakovics seine Gedichte als unbrauch-bar zurückgeben mußte). Sehr interessanter und unterhaltsamer Abend. Beschreibung des leergegessenen Tisches als Übung. Gutübersetzte Hokkus gelesen.

Maja sah japanisch aus. Weiße Blumen ins Haar hätten ihr gepaßt.

Erst 23,15 heimgefahren. Zwei Gürtel-Huren gesehen. Mehrere Besoffene am Flötzersteig. Schöner Schnee. Freute mich, daß morgen Sonntag ist.

Sonntag, 15. Feber:

Vormittag für daheim gearbeitet.

Viel geschrieben. Analysierte das Nicht-gelingen eines Satzes, dann das Nicht-gelingen eines Gedichtes, das Polakovics angeregt hatte.

Nachmittags verschiedene Notizen ausgearbeitet. Später getrunken, die alten Kurzgeschichten zu reparieren versucht. Aus Hemingway vorgelesen.

Abends das Stückerl übers Mädchen aus Unter-Laa begraben, da es keine Handlung hat und nicht einmal da die Situation keine Ansätze bietet für Folgerungen.

Die "arroganten Leute von der Stadtbahntreppe" repariert und wieder eingereiht, die Katzen-geschichte zerrissen.

Mich bedrückt, daß morgen Montag ist.

Montag, 16. Feber:

Kalt in der Früh.

Dienstag, 17. Feber:

Abends bei Fritsch .

Über das Herrenmenschen-tum, die Relativität der Ethik und über die begrenzte und doch nie endende menschliche Bemühung gesprochen ...

Mittwoch

wieder ein kalter Tag. Früh Briggi und Karli getroffen. Karli hat ein Renaturierungsverfahren für denaturierten Alkohol gefunden und stellt im Labor reinen Alkohol auf solche Weise mit den Kosten von nur S 10.- her.

(Destillation mit Chloroform.)

Donnerstag:

18h zu Matejka , sehr freundlich, las schöne untendenziöse Gedichte von Becher. 1930 Weißenborns Trakl-Lesung in der Urania. Wieder Frieden geschlossen, auch mit Art- und Altmann sehr gut vertragen. Spät heim.

Freitag:

Szene von gestern früh fertiggemacht. "Veranstaltung unter freiem Himmel" - Lynchgespräche.

Frühlinghaftes Wetter.

Samstag:

+3°. Nach dem Büro Adamsgasse. Ziemlich über- anstrengter Gehirnzustand. Häßliche Erzählung Tatsachen über Gerhards Leben mit Trude und die elende Behandlung s einer Mutter durch das junge Paar gehört.

Zu Polakovics . Dort waren Hakel, Danneberg, Dabatschek, Fischer auch.

Über Religion Konkret über Autoren und Gedichte.

Spät heim.

Sonntag:

Kein. Differenzen wegen des politischen Einsatzes.

Vorher über Meta-physik und ganz vernünftig über das Thema: Der Reiz als Funktion des Gedichts.

(Durch Jandl angeregt. 2 Briefe von ihm gestern und vorgestern bekommen.)

Der Reiz ... schlechter Ausdruck für p s ychische Wirkung, als Mittel zur Fesselung des Interesses der Leser. Nicht durch krumme Bilder (wie Jirgal , Dez. Heft "NW", schrieb ["heutige verdor-bene Menschheit nur noch durch krumm herankommende Aussagen ansprechbar"]), sondern durch naheliegende Bilder. Die nur das "Unpoetische" *) an beiden Techniken sehen, machen keinen Unterschied in der Bewertung dieser beiden Techniken.
Großer Pfeil vom Ende des Absatzes zur rechten unteren Ecke zeigend
Sie sehen schon die Aufnahme von Zeit-gebundenem in das Gedicht als verrückt genug an, auch bei wo die gegenüber dem Leben nichts vom Platz gerückt ist.

Reiz: zur Konkretisierung. Wesentlich, nicht zur Irritation in bloßer emotioneller Sphäre.

Gestern Spottgedicht gegen die Benn-Schule gemacht: Abend- ländisches Lied (bei geselligen Zusammen-künften mit Lemuren zu singen).

Elsies River (Südafrika.) Ein lieber Name.

Unbegabte Tagebuch geführt.

Zur Mitarbeit an der "Schau" wieder eingeladen worden. Im Radio (Wien) wurde ich oder werde ich gelesen werden. (50.-).

Heute war Wahltag.

Jandlbrief geschrieben.

Großen Wunsch nach einem Mädchen. Lynch-Prosa zerrissen.

Bei Redaktionsschluß: SPÖ - die stärkste Partei! Rückseite des Zeitungsartikels
Montag, 23. Feber:

Früh, wenn auch kühler, frühlinghaft.

Mit Karli gefahren.

Hätte Freude, wenn kein Büro wäre.

Frau Marchsteiner ärgert sich über das Vorfrühling-wetter, weil sie Kopfweh davon kriegt.

Huber hat jetzt einen Italiener. Sie zieht sehr viel verschiedene Sachen an, trägt teure Schuhe und sucht die Schönste im ganzen Land zu werden.

Erst am unwirtlichen (kalten) Abend aus dem Büro gekommen.

Dienstag, 24. Feber:

Früh ein Gedicht versucht:

"Der Vorfrühling in der Inneren Stadt , Wo er eigentlich nicht viel zu suchen hat, Spielt wie ein Kind auf dem warmen Asphalt Und macht alles so neu und ist so uralt."

...

...

Mittwoch, 25. Feber:

Früh wieder etwas versucht:

"Die Plakatwände haben den Krieg von unlängst vergessen. Wehrlos nehmen sie die neuen Anschläge hin Die uns zum Besuch der Kasernen-Lustspiele laden ..... ..... ..... Ich sehe der Errichtung von Wehrertüchtigungs-bahnen im Prater Sorgenvoll entgegen."

Es sind jetzt schöne Tage. In die Bürofenster scheint die Sonne. Zu Mittag liegt sie ihr Schein über den Straßen der Stadt.

Donnerstag

Früh eine Geschichte versucht. Dann un-produktiv geblieben.

Traf Briggi. Unterhiel-ten uns lebhafter als ich befürchtet hatte. Der Mann, den sie wird heiraten, ist russischer Jude (wenngleich amerika-nischer Staatsbürger).

Huber verkauft sich nunmehr für S 600.- monatlich.

Abends Altmann in seiner Junggesellenwohnung in der Fasangasse besucht. Seinen halb lyrischen Kurz-Roman gelesen. Über Mädchen, Schriftstellerprobleme, ganz schwungvoll gesprochen.

Freitag, 27. Feber:

Schöner Morgen.

Mittags in der Innern Stadt spaziert. Ich war m ü de und mußte viel arbeiten.

Huber ging abends das erste Mal huren. (Die andere Kollegin, Frau M., hatte ihr geraten, sich nicht unter Schilling 1500.- monatlich hinzugeben.)

Montag wird unser Keller gehoben werden. Wir müssen ihn deshalb morgen ganz ausräumen. Ich bin traurig, weil ich um ein Stückerl Wochenende komm .

Samstag, 28. Feber:

Viel Arbeit im Büro, besonders gegen Mittag.

Viel Post wartete daheim auf mich. (Zeitschriften und wieder ein Brief von Jandl.)

Mittags wurde ich im Radio gelesen. ("Erste Sonnenwärme".) Das Wetter stimmte gut dazu.

Nachmittag einen Artikel geschrieben gegen Wies-fleckers "Querschnitt" in den "Neuen Wegen". (Erstmals wieder erfolg-reich versucht, zu schreiben. Gute Stimmung.)

Sonntag, 1. März:

Weil Sonntag war, verregnet. Vormittags gearbeitet.

Artikel für "Neue Wege" hergerichtet, auch Henneberg geschrieben. "Abendländisches Lied" und "Aschenbecher-Serie".

Müßte für Hakels "Schau" auch was schreiben.

Die Zeit ist viel zu kurz.

Abends intensive Gedanken

über das Gedicht.
M ontag, 2. März:

Mama sprach gestern sehr treffend aus einen meiner Hauptgedanken aus: "Du solltest dir für dein freies Geld Gehirne kaufen können."

Heute (anders als gestern) schöner blauer Morgen.

Der Reim verlangt meistens die Aufopferung der Erlebenstreue oder zumindest der Konzentration von erlebenstreuen Stellen im Gedicht.

Er hat andererseits den Vorteil, daß er auch aus Substanz-losigkeit noch "was machen" kann; während substanzlose ungereimte Gedichte von vornherein der Lächerlich-keit preisgegeben sind.

Es ist sehr bequem (und wird von den meisten geachteten Dichtern geübt), sich vom Reim treiben zu lassen. Der Reim ist der Freilauf des Gedichts. Wenn man ihn im hügeligen Land anwendet, kommt man nur zufällig ans Ziel: wenn das Dorf, das man erreichen will, gerade am Fuß des Gefälles liegt, das vom Anfangspunkt des Gedichtes ausgeht.

Abends kam Artmann und erzählte mir sehr viel.

Di, 3. März:

mittags (bei sehr schönem Wetter) einen kurzen Besuch in der Art Club Galerie gemacht. Hundertwasser mit einem wahr-scheinlich unecht infantilen "Auto mit roten Regentropfen"; Abstrakte, Grob- Bade-strand und Fein-Chaotische. Lehmden. (Ich nannte es Morchelmalerei; oder auch erinnert sein Bild sehr an den verbrannten Maler Lehrer Lempel von Busch.)

Kubin, der in eine andere Welt zählt.

Vor allem: Matisse mit sehr farben-frohen, intensiven Bildern, auch einem raffinierten Akt und geordneten Zeichnungen.

Kriesch dort getroffen. Diskutiert.

Abends in den "Strohkoffer". Englisches Interview mit zwei bolivianischen Malerinnen. Mit der Ruhe von Äquator-bewohnerinnen sitzen sie den größten Teil der Zeit im Strohkoffer und bewachen ihre Bilder.

Heiß und ein bißchen benommen die Kärntnerstraße hinauf, zum 62-er, gegangen.

Zu Fritsch gefahren.

Gesprochen über Hakel, die Bolivianerinnen, die Phrase. (Man müßte den Wortschatz überhaupt wissenschaftlich untersuchen: Entstehung der Phrasen, Aneignung von Phrasen und Wörtern, Ort und Häufigkeit der Verwendung.)

Kommunisten, sagt er, erkennt man am Wort "konkret" oder dem rhetorischen Frage- und Antwortspiel. (Z.B.: "Wie ist die wirtschaftliche Lage Österreichs? Die wirtschaftliche Lage Österreichs ist .....") Es ist * für den Leser der "Furche". klar, daß Wörter wie "Gespräch", "Zusammenschau", "Klitterung" (!!) von den Rechten Intellektuellen bevorzugt werden.

Mittwoch, 4. März:

Früh Einfälle. Trüberes Wetter. Unterwegs hörte ich, daß Stalin der Schlag gestreift habe.

Donnerstag, 5. März:

Früh an der Niederschrift des Interviews weitergearbeitet. Aprilwetter.

Noch keine neuen Nachrichten über Stalin.

Wieder mit Schik-Karli gefahren. Heute ist schon Donnerstag, ich fühlte schmerzhaft stark, wie man seine Lebenszeit verschleudert verschlendert .

Sehr müde.

Freitag, 6. März:

Stalin tot.

Früh Interview fertig-geschrieben roh.

Hellerer Tag im Büro. Mittags sinnlos zur RAVAG gefahren.

Abends: In der "Zeit", Hamburg, interessanter Eisenreich-Artikel und eines meiner Gedichte . Wein.

Träumte von zwei Büchern: Eine brutale Vergewaltigung und der darauf folgende Beischlaf, in den Handlungen, in den Gedanken beider Menschen gesehen, mit realistischen Erklärungen, psychologischen Bemerkungen und Schematen Schemata . Ein analoges Buch über die Liebesnacht zweier Liebender, die einander fad zu werden beginnen; die Frau bemüht sich aber, den Mann mit allen erdenklichen Reizen zu halten.
Samstag, 7. März:

Nach dem Büro mit seine m n ekelhaften Intrigen schrieb ich zuhaus das Bolivianische Interview fertig. Dann zu Polakovics gefahren. Mißlungener Abend, aber ohne böse Laune bis 23,30 Uhr dortgeblieben.

Den Bolivien-Artikel zerrissen.

Sonntag, 8. März:

Rückkehr der Kälte! Schnee fiel.

Ordnungen, Reinschriften, Ausarbeitungen.

Ein harmloses "Märchen" geschrieben.

Mo, 9.3.

Nichts als Arbeit. Bauer wieder krank.

Di, 10.3.

Aprilwetter. Kleine Schnee-stürme. Im Büro heute übersichtlichere Arbeit.

Abends beißende Kälte. Schwarze Wolkenwand, aus der der Nordwind fährt.

Abends: boliv. Artikel neugeschrieben.

Mi, 11.3.

Wieder kalter Morgen. Früh boliv. Artikel fast fertig, diesmal gut. Im Büro Artikel fertiggeschrieben, freundlicher Abend, Reinschrift.

Do, 12.3.

Schon wieder Donnerstag! Artikel express an Hakel abgerichtet.

Starre Kälte im Vorfrühling macht uns besonders ungeduldig.

Sehr anstrengender Tag im Büro. Wieder der Gedanke, die "publikationen" aufzugeben. Für abends war ich mit Altmann verabredet.

Ich traf ihn aber nicht mehr an. Er ist aus dem Kabinett, wo er in Untermiete gewohnt hatte, fortgezogen und hat keine Adresse zurückgelassen.

Komödiantisches Schneegestöber über der Stadt. Dichter Schnee aber, der liegen bleibt, vom Flötzersteig aufwärts.

Fr, 13.3.

Ich möchte so gern ein Schweinernes sein. Da könnt ich in der Auslage liegen und mir lang den blauen Himmel anschauen.

-8° früh. Herrlich blauer Himmel. Früh das "Märchen" in die endgültige Form gebracht.

Sonntag, 8. März:
Sa, 14.3.

Früh Phaidon-Ausgabe von van Gogh gekauft.

Kunschak †. Der Rektor der Universität †. Gottwald liegt im Sterben.

Verlangte im Büro vernünftige Einteilung meiner Arbeit. Montag wird wieder ein scheußlicher Tag werden.

Durch Auflösung der "publi-kationen", Radiohonorar und 100.- (Geburtstag) erstmals wieder etwas freies Geld.

Herrliches Wetter. Mittags taute es.

Nachmittags ausgeruht.

Gottwald gestorben.

So, 15.3.

Sehr müde. Zweifelte daran, daß ich heute zu irgend-welchen Ergebnissen kommen würde.

Mit einer Denkaufgabe sichere S 500.- gemacht. Ergebnislos versucht, zu schreiben.

Nm. Säuberungen in der letzten "Philosophie"-Mappe.

Mo, 16.3.

Wieder kalt ...

Früh Brief a n Polakovics , und noch mehrere andere Arbeiten.

Mo 16 3:

früh Briggi getroffen.

Viel Arbeit im Büro. /Abrechnungen./ Abends Zeitungen.

abends Mo/Di früh:

Gedanken über das "unmittelbare" Gedicht, zum grossen Teil quälende Gedanken.

über seinen Verlust über die Schwierigkeit, es und seine Voraussetzungen festzulegen.
Di abends:

Stegergespräch, vergeblicher Besuch bei den Bolivianerinnen, danach sehr müde. Zu Fritsch , wieder lebhafter in Gedanken gekommen. /Gespräche über die Entwicklung der jungen Nachkriegs-autoren - die kollektive und die der einzelnen Persönlichkeiten./

Sa:

erster Frühlingsnachmittag /Adamsgasse, dann zu Kein /.

Vor allem über Jandl-Thema gesprochen.

So:

bei Jirgal . Erster frühlinghafter Tag. Jirgal ist an Südfrankreich fast geisteskrank geworden; ich werde mit dem hiesigen Frühling schon nicht fertig. Ich bin draufgekommen, dass der Zeitmangel das grösste Hindernis des intensiven Lebens ist. Alle psychischen Verkrampfungen lassen sich bei einem bisschen Zeit wieder lösen.

Musste den ganzen Tag über /fast schon mit zusammengebissenen Zähnen/ meine Rückstände in Ordnung bringen, vor allem den Jandl-Brief machen, der von 14 bis 20 Uhr nicht fertig wurde.

23, 24 3 53 Mo, Di:

Jandl-Brief. Kühle Morgen. Seit Sonntag gehe ich schon im leichten Mantel. Ausserhalb der Stadt klar, in der Stadt neblig. Montag am Abend z i u m ersten Mal in diesem Frühling beim Fenster gestanden. Die Freundlichkeit dieser Wohnung empfunden.

Aufgearbeitet.

Di:

früh unterwegs Sonja vom Institut.

Di:

Einfall: "Misslungene gute Gedichte" mit Analysen.

Mi: früh Holthusen "Labyrinthische Jahre" (durch Jirgal).

Abends zu Hofmann ins Dom-Café /Art Club-Galerie/. Der Raum gefällt mir viel besser als der Strohkoffer. Erzählte Hofmann vom "Eingehen" der "publikationen”. Sie war sehr freundlich. Ich sah mir noch einmal genauer Matisse an. Dann sprach ich "Minchen" vom Art Club, die den Saal bewacht, an. Unterhielten uns übers Gedeihen des Art Clubs. Sie betonte übrigens, dass er nicht von Mautner-Markhof subventioniert wird, wohl aber aus öffentlich . e m Geld.

Ueber Hofmann, Maler, das kindliche Farbensehen gesprochen, sehr sym-pathisches Gespräch.

Ziemlich am Abend, laues Wetter, heim.

Dr. Ji. wirft Matisse vor, er sei von höchster Kultur aber ohne Tiefe. Seine Frauengesichter seien alle nach einem

Schematische Zeichnung eines Gesichtes
Schema gezeichnet (siehe links), was ihnen einen gewissen Reiz verleihe, wie in anderen Fällen leichtes Schielen. Man vergleiche seine Zeichnungen oft mit denen Cocteaus , des "Modezeichners". - Die Farbenwirkung, die mich (zum Beispiel) reizt, führt Ji. auf das Land zurück, aus dem Matisse schöpft. Dort muß man so und mindestens so, malen. (Auch Jirgal begann dort mit Farben zu arbeiten.)

Kein Vergleich mit der Substanz von Picasso.

Matisses Bilder sind "nur schön".

Ein Symptom, aber auch verständlich, daß Matisse mich gerade jetzt reize.

(Nach So, 22 3 53, bei Jirgal )

Do 26 3:

im Büro müde.

Abends Briggi getroffen, frühlingshaft, roter Mantel /vorgestern lichtbraun/. Daheim Wein. Von den NW erstes Honorar seit langer Zeit /wenn auch nur für eine "Leserzuschrift"/. S 44.-- Ich habe jetzt ein bisschen Geld bei mir.

Fr früh

Holthusen f g elesen. Kaltes Wetter angekündigt. Es ist auch schon trüb.

Im Büro stehen die Sprech- und Abhörapparate nun in Betrieb.

Wir sind heute der Gewerkschaft beige-treten.

Der Direktor sagt, die Bemerkungen unserer beiden unmittelbaren Vorgesetzten über uns reissen nicht ab.

Abends Wiesflecker besucht. Er erzählte mir von Literatenintrigen /so: eine sehr uns ua au bere Geschichte über Brigitte Kahr/ und von der Frankreich-Reise.

Dann sprachen wir über die Verpflichtungen des Schriftstellers.

Den Anfang von Wiesfleckers Roman gesehen. Wiesfleckers Stil wird mit der Wiesfleckers Zeit fester.

Es regnete am Abend leicht , . es war aber

Sa 28 3:

Artikel für die "Schau" über den Adrienne-Prozeß geschrieben.

So 29 3:

Fertiggeschrieben. Fenster geputzt. Ordnungen, besonders in der alten P Philosophie -Mappe. Viel gedacht und gesprochen.

Mo 30 3:

Morgens ungern im Büro.

Es ist warm, der Himmel ist klar, das Gras steht schon grün, in den Parks keimen die Forsythien.

In das Bürozimmer scheint am Morgen die Sonne.

Weniger zu tun.

Abends Briggi (die ihr Haar schon wieder anders trägt; diesmal à la Spatzennest) getroffen.

Nach dem Essen mit Mama um die Steinhofer Mauer, zum ersten Mal dieses Jahr, spaziert.

Görlich sandte Gedichte für die "publ." ein.

Verlag in Klagenfurt sandte meine Gedichte des schon festgelegten Verlagspro-gramms wegen zurück.

Es ist aber möglich, schrieben sie, daß sie sich wieder an mich wenden werden.

Osterbier getrunken.

Immer großen Wunsch nach einem Mädchen.

Di, 31.3:

Früh konnte ich für mich arbeiten.

Abends Fritsch (Benn und der Jugendstil, Fehlen der Weltanschauung bei den modernen Dichtern. Psychologie des "ersten Gedichtes" und der Wendepunkte in der Entwicklung des Dichters ...).

Mi, 1.4.:

Brigitte Kahr in den April geschickt. Büro: Ärger. Abends Glossen für die "Schau" geschrieben.

Do, 2.4.:

Weiter geschrieben.

Grün in den Büschen des Parks.

Die Büsche des Parks werden grün.

Abends Glossen zu Ende.

Fr, 3.4.:

Karfreitag.

Frühlingsmorgen.

Durch das Grün scheint die Sonne gelb. Der Himmel ist blau, in der Richtung der Sonne glänzt er fast weiß.

Im Büro schon Osterstimmung. Vor dem Weggehen noch drei Briefe ("Postarbeit"). an Americatrans.

Abends, wie zerschlagen und trotzdem versuchend, den Frühling einzusaugen, um die Steinhofer Mauer mit Mama.

Ein überwältigendes Bild die beleuchtete Stadt weit bis Hütteldorf hinüber mit ihren zehntausenden Fenstern am Abend.

Sa, 4 4:

Früh bei schon starker Sonne von der Linzerstraße die Wäsche geholt.

Viele Korrespondenzen. Später nachmittags damit Schluß gemacht.

Bier vom Kaffeehaus geholt; es geht zu den Schnitzeln.

Störungs-Wortsalat inmitten einem Gedicht

5 4 53

man muss achtgeben sonst verspiessert einen die umgebung / ma b n muss kontakt haben mit der umwelt aber mit ihrer "mitte" wie es so schön heisst nicht mit ihrer oberfläche achtung jetzt

So 5 4:

Ostersonntag, geschrieben Nachmittag " Don Camillo und Peppone . Ein ausgezeichneter Film.

Mo 6 4:

Wegen Wolkenwetter früh nicht mehr geschrieben, gescheit.

Kein. Zweiter Teil (wie immer) des Gesprächs interessant. Über Beschränkung des Themen-kreises durch den beschränkten Erlebniskreis.

Über Plakate, das A den Kitsch, die Ironie, das x allzu Allgemeine und das Vage.

Mo nm:

Nichts Wesentliches. Aber zuhaus viel geredet. Zu schlag- worthaft.

Abends über meinen Stillstand seit eineinhalb Jahren nach-gedacht, mit dem Gefühl, es ist eine unleistbare Arbeit.

Di 7 4:

Wieder Büro.

In der Früh Briggi getroffen, die sich seit den eineinhalb Jahren weißGottwie entwickelt hat.

Abends Art Club, um Artmann eine Nachricht zu hinterlassen. Es war aber niemand dort.

Mi 8 4:

Früh im Bett eine Geschichte geschrieben ( Sonja ).

Recht kühles Wetter.

Im Büro schlägte die Arbeit über allen zusammen. Witzmann seit Montag fort, Steger seit heute.

Abends Art Club. Hörte vom Streit u m das "Dichter-Brett" zwischen Art Club und Hakel (!).

Daheim Post: Gewerkschaft (bin also seit 1.4. dabei), "Neue Wege", Aprilheft, mit meinem Artikel (aber unter meinem Namen, gegen die Abmachung). Auch die Photos kamen vom Kopieren. Abends noch ein bißchen gearbeitet.

Do 9 4:

Abends Blitzgerät und Heftmaschine "Maus" gekauft. Habgierig.

Fr 10 4:

19h Hakel. Besprechung der "Schau" im Art Club.

Sehr angenehmes Lokal, man kann dort einsam sitzen oder nett reden; ungestört.

Die Besprechung ergab natürlich nichts (nur Lärm von Milo Dor, Leinfellner, Merz).

Wir (Kein, W. Fischer, ich) blieben nachher und sprachen dann interessant. (Notwendigkeit der Bildung für den Lyriker. Der kultivierte Lyriker und der naive-eruptive.)

Regen. Durch die nasse Stadt heim.

Sa 11 4:

Nach dem Büro, in dem wieder irrsinnig viel zu arbeiten ist, heim. Schönes Wetter. Ich schrieb " Sonja " und " Sisyphos " in der endgültigen Fassung ins Reine.

Sehr ausgeruht, hatte es auch nötig.

So 12 4:

Vormittag bei Jirgal .

Wollte durchbrechen, noch immer nicht gelungen. Bei ihm gehe ich am wenigsten a u s mir hinaus. Es müßte eigentlich zu machen sein.

Herrlich schöner Tag, aber kalter Wind stört die Sonne beim Wärmen.

Nachmittags Korrespon-denzen, T Tagebuch .

1953 März/April s x e it Stalins Tod:

Grosse Aenderungen in der russischen Politik: Amnestie, Aufnahme von Waffen-stillstandsverhandlungen in Korea, Rehabilitierung verhafteter jüdischer Aerzte, Verhaftung von Sicherheitsbeamten, offizielle Verlautbarung, dass mit unerlaubten Mitteln Gestä m n dnisse erzielt wurden; Reisen nach Russland sollen erlaubt werden ...

So 12 4 nm., Mo 13 4:

Aus einem dem Ärger über ein Radiolied ein Gedicht d gemacht. Montag wurde es fertig. Erst d D as ganze Gedicht sieht jeweils fertig aus

Bei solchen die einen "Problem-Gedichten" x die einen mit starkem gedanklichem Konzept sieht man oft erst d as em fertigen Gedicht Produkt überzeugend aus. die Gültigkeit an.

(Denn hier ist die das Konzept unanzweifelbar, die Erfüllung zunächst anzweifelbar, während das aus dem undurch-leuchteten oder auch nur unarrangierten Gefühl unmittelbar dargestellte Gedicht unanzweifelbar ist wie ein Konzept.)

Honorar DM 40.- kam, ganz unerwartet. ("Die Zeit", Hamburg.)

Di 14 4:

2 Fotoaufnahmen im Büro.

Abends zu Fritsch : Über die Gefahr des ambivalenten Romans, über die Klischees, über die noch unformulier-bare künftige Weltanschauung, gesprochen.

(Kann von den Gesprächen leider nichts niederschreiben, weil ich mich aus Zeitmangel mit nichts breiter befassen kann. ) Mittwoch nachmittags.)

Mi 15 4:

früh: ein paar Notizen vom gestrigen Abend. Möchte gern mit meinen Freunden eine neue Offensive, diesmal eine essayistische, in den "Neuen Wegen" beginnen.

bürofrei gemacht, krank. Kafkas "Erzählungen" gekauft. Nachhause gekommen, ins Bett gelegt. Kafka gelesen. Seit wie langer Zeit eine vollkommene Prosa!

" Josefine, die Sängerin", zu n m Beispiel, nicht ü bertrefflich.

Angenehm ausgeruht.

Früh Sonja ein zweitesmal getroffen. Redete diesmal mit ihr. Auslagen während des Heimwegs angeschaut. Nachmittag im Bett Wermut, Sonnenblumenkerne, Radio.

Do 16 4:

Die Kälte nimmt kein Ende. Nur +4°. Angekündigt ist Abkühlung bis 0°.

Öder Tag. Im Büro viel gearbeitet. Abends Zahnarzt, aber erst Voruntersuchung.

Brief an Kein wegen Rückkehr zu den "Neuen Wegen" geschrieben.

Fr 17 4:

Besserer Tag.

Abends Sprung in den Art Club. Mit Haller gut, bis ein toter Punkt bei mir eintrat, philo-sophiert.

Sa 18 4:

Nach lebhaftem Büro nachmittags Korrespondenzen. Wärmeres Wetter. Bier.

So 19 4:

Früh Sartre (nur zweiten Teil des Romans [von Fritsch ent-liehen]) gelesen.

Wärmerer Tag. Kein kam. Artmann setzt "publ." fort. Viel hin und her erwogen. Nix mit Mitarbeit an NW. Beiderseits aus.

Nachmittags nach Zuhausegespräch kam Artmann, fast erwartet. Freundschaftlich gesprochen. Bald aber ging er.

Beim Wirt war Gedränge diesmal, endlich bekam ich den Wein.

Kafka gelesen, Radio gehört, ausg eru ht durch Flüchtigkeit und Fehlen von Absichten (gestern auch viel dafür gearbeitet).

Mo 20 4:

Aus dem Gedicht von gestern Abend (improvisiert), aber nicht durchgehalten) bisher nichts geworden.

Ungern ins Büro.

Früh Gedanken über die "aktivistischen" Gedichte.

Abends wollte hatte ich mich ursprüng-lich in den Art Club setzen wollen, um zu schreiben, dann aber war ich zu müde und fuhr lieber nachhause.

Di 21 4:

auch noch kalt. Aber blau. Schreibmaschine reparieren lassen.

Autobusfahrt (Innere Stadt) bei diesem Wetter ist schön.

Mi 22 4:

Früh schon wärmer.

Blauer Himmel, schön.

Wieder aus der Ordnung gebrochen; heute könnte ich gut schreiben.

Bürozeit verging rasch. (Ich habe freilich getrübte Freude daran, weil sie Lebenszeit ist.)

Abends im Art Club konnte ich nicht schreiben (Änderung in meiner Kurzgeschichte um die arroganten Leute), denn lebhafte Besprechungen waren wurden dort geführt v on Malern, mit denen auch ich anfangs geplaudert hatte.

Abends Post vom "Briefmarken-doppler" und von Schmied und Jandl. Antwort an Schmied noch konzipiert.

Do 23 4:

Warmes Wetter wird angekündigt. Bei geschlossenem Fenster sieht es aus wie im wärmsten Frühling. +5° früh.

Schmied geschrieben. Ordnungen.

Abends zu müde, in die Urania zur Weissenborn- Lesung zu gehen, und, in mein Schicksal ergeben, heim-gefahren.

Fr 24 4:

Ich muss doch festhalten, dass das Meinl-Plakat gut ist: Gegen hellblauen Grund der bekannte Mohrenkopf, ver-einfacht als Kaffeebohne und Flüssigkeitspiegel, mit dem roten Fez, dem Einschnitt der Kaffeebohne als weiss lachendem Mund, in weisser leichter Tasse; darüber nur die Worte "ich bin's".

Schaute unterwegs Frauen an: mir fiel der Unterschied ein zwischen dem Eindruck, den sie auf Knaben machen mögen, und dem Leben, das sie wirklich führen.

Sa 25 4:

Freier Samstag. Vormittag, als ich auf die Linzerstrasse ging, scheinte noch warm die Sonne. Später, als ich auf die Wiese wollte, wurde es windig, und Wolken kamen. Ich ging trotzdem aus, musste aber, auf der Wiese angelangt, gleich umkehren.

Es regnete schon.

Zuhause zornig wegen des schlechten Wetters. Auch zornig, weil ich fühle, dass ich keinen Gedanken fassen kann:

Ueber jedes Ding habe ich anscheinend zwei Meinungen. Jede dieser beiden Meinungen reagiert auf eine von aussen kommende gegensätzliche Meinung mit leidenschaftlichem Zorn. Diesen Zorn nehme ich nicht übel, denn ich erhoffe mir von ihm den Schwung zu positiver Arbeit über das Thema. Sogleich aber, wenn ich mich mit dem Thema intellektuell befasse, entgleitet mir die ursprüngliche Stimmung, die gewiss die richtigen Argumente einkapselt, sodass ich mich mit mühsam herbeigeschleppten Argumenten begnügen muss, mit einem Höchstgefühl an Ekel und Misstrauen. Alsbald stellt sich verlässlich die Antithese in mir ein.

Keine Korrespondenz-Rückstände. Ich nahm mir vor, wenn schon nicht unter freiem Himmel, so doch zuhause auszuruhen. Nachmittag arrangierte ich eine "neo-veristische Aufnahme".

Froher Abend.

26 4 53:

Der Frühling ist da; es ist aber, als dürfte er nicht frei arbeiten.

So 26 4:

Trotz ein wenig verschleiertem Wetter auf die Wiese gegangen, den Vormittag lang gesonnt.

Früh Idee zu einer Kurzgeschichte, dann aber, auf der Wiese, an einem langen Gedicht geschrieben.

Nachmittag trübes Wetter.

Weiter gearbeitet.

Mo 27 4:

Trüb, sogar Regen.

Schlechter Tagesanfang. Ich fürchte mich vor dem Büro und dem Zahnarzt.

Dann ist doch beides vorüber-gegangen.

In der "Presse" schimpft Habeck auf Eisenreich /"junge österr. Autoren in Hamburg"/, in der "Furche" tadelt Fiechtner Toman. In einer anderen Zeitung ist ein schönes indisches Mädchen abge-bildet.

Di 28 4:

Der Morgen beginnt mit Regen. Schwieriger Tag im Büro. Freundlicher Abend. Brief an Fiechtner entworfen. Jeden Brief, den ich in letzter Zeit schreibe, muss ich gleichsam meisseln: Mein Stil ist uner-träglich.

Di 28 4 53 früh

Ich bin bis zur Verzweiflung unzufrieden über den Verlust der Unmittelbarkeit.

Das Bild von den "Elephanten" zum Beispiel ist ein sekundäres, intellektuelles Bild. Es ist kein Bild, das an sich in jemandes Leben eine Rolle spielt, wenn auch der Gedanke es tut, der dem Bild zu Grunde liegt.

/später:/

Stimmungen lassen sich nicht synthetisieren.

Also muss man zur Herstellung eines Gedichtes, das Stimmung enthalten soll, von einer Stimmung und nicht von einem Thema ausgehen.

Sekundäre, intellektuelle Bilder /nur rhetorische Verdeutlichungen/ zeichnen sich durch ihre Stimmunglosigkeit aus. So berühren sie nur die intellektuelle S ö p häre im Leser und wirken unsinnlich.

Stimmung im künstlerischen "Bild" ist wahrscheinlich notwendig zu seiner Bildwerdung im Leser.

/später:/ /29 4 53/

Man muss im kann dem "Elephanten-Gedicht" die Stimmung vielleicht doch nicht absprechen. Sie ist nur nicht auf das tragende Bild zentriert, auf das B i ld der "Elephanten", sondern vermutlich auf den Gegensatz zwischen den idyllischen und jenen An teilen der Szene, die meine Satire herausgefordert haben. /Dieser Gegensatz ist erlitten persönlich und nicht mehr intellektuell. Denn mich zerrt diese Dialektik, im Gedicht spürbar, mit./

für T Tagebuch und P Philosophie Mappe (?)
Mi 29 4:

An Kein ist der Auszug ins intellektuelle Gedicht noch deutlicher als an mir zu beobachten. Man merkt es vor allem an den unerlebten Landschaften.

Im Büro lebhafte Arbeit, aber die Spannung ist hat etwas nachgelassen.

Abends wieder in unzufriedenen Gedanken befangen:

Meine Sätze sind nicht stichhaltig. Besonders in den Briefen h ören sie sich "lehrhaft" an, dabei sind sie wie "Lehren", die ein Kind erteilt. Sie sehen "wichtig" aus, aber so, wie wenn ein Kind etwas und dadurch sich wichtig nimmt. Unregelmäßigkeit: Einmal geschwätzig, einmal karg (wenn geschwätzig, so unbeholfen; wenn karg, so geschraubt. Keinen Ton kann man mir glauben; es ist, als spräche ich nie einen wahren Satz).

Für Gefühl fehlt mir der Ausdruck vollkommen. Logik habe ich keine. Erzählen kann ich nicht. Meine Formulierung wirkt manchmal prägnant. Dann sieht man nach, und man entdeckt, daß alles in ihr enthalten ist außer dem Wesentlichen.

Wenn ich rein dumm wäre. Aber ich merke meine Möglichkeit. Vorstellbar aber unausführbar.

Do 30 4:

Früh Notizen.

Kalt. Keine Aussicht auf schönes Wetter für die drei freien Tage mehr.

Viel Arbeit.

Zeitig am Nachmittag aber machten wir Schluß.

In die 16 Uhr-Vorstellung in m s Künstlerhaus-Kino gegangen: "Le Plaisir" nach drei Novellen von Maupassant. Mittlere gefiel mir eigentlich am besten (Ausflug der "Freuden-mädchen" zu einer Erst-kommunionfeier auf dem Land). Froh, das Stück gesehen zu haben.

Danach Regen.

In der Straßenbahn Briggis Vater getroffen. Der erzählte, daß Briggi heute nach Spanien gefahren ist.

Abend daheim.

Zeitschriften angeschaut.