Briefwechsel Sauer-Seuffert, Digitale Edition August Sauer an Bernhard Seuffert in Würzburg Graz, 6. April 1886 (Dienstag) August Sauer Bernhard Fetz Hans-Harald Müller Marcel Illetschko Mirko Nottscheid Desiree Hebenstreit FWF (Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung) DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft) Bernhard Fetz Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek
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o:bss.8349 26.3.2020

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59 Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926 Böhlau Wien 2020 Österreich Wien Österreichische Nationalbibliothek Handschriftensammlung der Österreichischen Nationalbibliothek Autogr. 422/1-82 Gestern Nachmittag sind Ihre Wielandbücher endlich paper archivarisch einwandfreier Zustand, allerdings kleinräumige Textverluste durch nachträgliche Lochung

Briefwechsel Sauer-Seuffert, Digitale Edition

Übertragung folgt den Editionsrichtilinien der Druckausgabe

German August Sauer Graz 6. April 1886. Dienstag Bernhard Seuffert Würzburg Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Graz, 45 Sparbersbachgasse 6. April 86. Lieber Freund! Gestern Nachmittag sind Ihre Wielandbücher endlich auf die Post ge [ko] mmen, von meines technischen Freundes Stelzel kunstvoller Hand eingepackt, so daß sie wol gut bei Ihnen anlangen werden. Vielen, vielen Dank dafür! Wenn ich Ihnen nur einen Gegendienst erweisen könnte! Bücher hätte ich genug, aber keine, die Sie brauchen können. Die Masse meiner Bücher lastet gerade jetzt, wo ich die Übersiedlung in Erwägung ziehen muß, schwer auf meiner Seele. 30 Kisten habe ich bereits gehabt, als ich von Lemberg abreiste; um ein Drittel dürfte sich das Quantum hier wol vermehrt haben. Wenn sich die einstweilen nur vertraulich an mich gelangte Nachricht bestätigt, so werde ich in der Charwoche meine Hütte abbrechen und wandern. Ich thue es leichteren Herzens, seitdem ich weiß, daß Schönbach alles thun wird, um Sie zu meinem Nachfolger z [u] machen. Ich hatte die Möglichkeit einer Übersiedlung jetzt zu Ostern schon ganz bei Seite gelassen und ich sehe mich in den Plänen die ich mir für die nächsten Monate entworfen hatte mannigfach gekreuzt. So muß ich die Maifahrt nach Weimar aus Geld- und Zeitmangel sein lassen und damit zerstieben die Hoffnungen Sie und andere m [ei] ner deutschen Freunde zu sehen. Dann hatte ich mir ruhige Arbeit für die 3 Sommermonate vorgenommen, von der ich nun nicht weiß, wie sie gedeihen wird. Cottas haben mir nemlich – ältere Verhandlungen wieder aufnehmend – die Besorgung der neuen (4.) Ausgabe von Grillparzers Werken ü [be] rtragen. Da die jetzt vorhandenen 10 Bde stereotypirt sind, so handelt es sich nur um eine 3 Bogen starke Einleitung und um 2 Ergänzungsbände, für welche mir das Material von Vollmer bereits zum Theile gesichtet übergeben wurde. Aber da mir das Wiener Archiv nun einmal zu unbeschränktem Gebrauche geöffnet ist, werde ich die Gelegenheit benutzen, so viel als mög [l ich] von dem Material für mich zu gewinnen u. werde also die Sommermonate in Wien versitzen. Ich habe durch diese Arbeit angeregt auch bereits den Plan gefasst, eine große Grillparzer-Biographie auszuarbeiten, wozu ich durch meine Vorstudien, Sammlungen, Excerpte, durch Geburt und Neigung wie ich glaube recht eigentlich prädestinirt bin und der Stein der Wei [s] en, d. h. mein Schriftsteller, mein großes Buch (Sie erinnern sich wol meiner Klagen!) wäre also gefunden. Das sind alles natürlich noch Träume u. als solche werden Sie sie auch in sich verschließen. Daran knüpfe ich eine andre Bemerkung. In meinen heurigen Stilübungen habe ich auch H amann (aus dem Tragelaphen von P. u. H., sehen Sie, daß ich Plato schreiben wollte) vorge [n] ommen und einer meiner Zuhörer hat sich mit mit besonderer Liebe und Tiefe in diesen Schriftsteller versenkt. Er hat mir in den Übungen u. in mündlichen Gesprächen nachgewiesen (was mir übrigens längst klar war) daß für die Erklärung Hamanns alles noch zu thun ist u. daß diese nur möglich ist mit einer ausgebreiteten [Ke] nntnis der antiken Litteraturen, bes. aller der entlegenen griechischen Schriftsteller, welche der Magus in s. phänomenalen Gedächtnisse aufgestoppelt hatte. Mir fiel dabei ein, ob Sie nicht einmal eine kleine Hamannsche Schrift als specimen einer commentirten Ausgabe in Ihren DLD. bringen sollten. Sie müßten einen [c] lassischen Philologen dazu finden, der die nöthige Neigung mitbringt und in deutscher Litteratur gut beschlagen ist. Besagter studiosus Johann Conta würde sich nach einigen Jahren vielleicht dafür eignen; ich will ihn im Auge behalten, erkläre aber ausdrücklich, daß ich Sie nur auf die Sache aufmerksam machen wollte. Nun: Uz! Es wäre mir lieb, wenn Sie mir sagten, bis wann Sie auf das Mskrt rechnen oder rechneten. Der Text macht keine Schwierigkeiten mehr; aber die Einleitung noch viele, weil mir die Zeitschrift ! fehlen, gerade die schweizerischen; aber auch andere. Von Prag aus wäre ein ‚Rutscher‘ nach Dresden leicht; etwa im Juli, bevor [ich] nach Wien gehe. Ich werde mir das nach Ihrer Antwort einteilen. Wären etwa schon von Fresenius’ Heft einige Bogen gedruckt, so würden Sie mir durch deren Communication meine Arbeit erleichtern. Ich weiß gar nicht, ob ich Ihnen alles g [es] chrieben habe, was ich Ihnen schreiben wollte; das ist der Fluch meiner menschenscheuen, briefscheuen Periode, in der ich alles in mich verbeißen mußte. Damit wirds ja jetzt wol zu Ende sein. Auch meine Mutter – obwol sie vor 10 Tagen neuerlich an einer Lungenentzündung erkrankt war – ist wieder besser. Hätte es nicht schon mehrmals trügerisch das Ansehen gehabt, so wür [d] e ich sagen: es scheint mir, als ob sich endlich Glück und Zufriedenheit zu mir herabsenken würde; wenigstens lebe ich zunächst an der Seite der Hoffnung. Strafen Sie mich nicht zu sehr und lassen Sie etwas von Ihnen hören. Mit freundlichen Grüßen Treulichst Ihr AS.