Blotius Digital - ein editorisches Pilotprojekt zur Erschließung des Frühbestandes der Hofbibliothek
Blotius Digital ist eine digitale Edition des ersten heute noch überlieferten Inventars der Hofbibliothek (Cod. 13525), dem sogenannten "Blotius-Katalog" von 1575. Konzipiert und erstellt wurde dieses vom ersten bestellten Präfekten der Hofbibliothek Hugo Blotius und seiner Gehilfen im Jahr 1575 auf dezidiertes Verlangen des Kaisers (s. Über das Inventar und dessen Entstehung). Anhand des Inventars sollte der Bestand der noch jungen Hofbibliothek systematisch beschrieben, in eine Ordnung überführt und dadurch benutzbar werden. Erst mit der ritualisierten Bindung von Personalressourcen durch die Bestellung von Präfekten, dem Aufkommen einer systematischen Erwerbung und der Produktion von Katalogen als Instrumenten der Ordnung kann von einer institutionalisierten Hofbibliothek gesprochen werden.
Die diplomatische Transkription und systematische Auswertung dieses für die Frühgeschichte der Hofbibliothek zentralen Dokuments soll erstmals einen umfassenden Einblick in die Zusammensetzung des Bestandes der von Blotius bei Amtsantritt übernommenen Wiener Hofbibliothek geben. Zumal nur der zweite Teil dieses Inventars überliefert ist und daraus (vorerst) nur der Buchstabe M in dieser digitalen Edition aufbereitet wird, handelt es sich um einen beschränkten Einblick. Der beschränkte Einblick lässt aber sehr wohl den Bestandsaufbau vor Blotius erkennen, insbesondere die reichen Erwerbungen an Druckschriften unter Caspar Nidbruck und Augerius von Busbeck. Vornehmlich durch die Erwerbung der Bibliothek des Humanisten und Fuggeragenten Hans Dernschwam von Hradiczin (1569/1570) erhielt die Hofbibliothek reichlich Zuwachs. Bisherige Forschungen haben wiederholt auf die hohe Menge an reformatorischem Schriftgut aus der Zeit vor 1576 hingewiesen. Blotius Digital soll auch dies evident machen.
Blotius Digital ist eine genuin digitale Edition (born digital edition). Sie ist im Paradigma digitaler Editorik als dynamische und offene Informationsaufbereitung eines historischen Dokumentes (documentary edition) konzipiert. Eine dynamische Edition wird nicht als abgeschlossenes Produkt präsentiert. Sie soll als editorisch kuriertes Gefüge aufbereiter Information verstanden werden, das fortlaufend ergänzt und aktualisiert wird und somit per se auf Erweiterung, Adaption und Revision angelegt ist. Über diesen Prozess der dynamischen Erweiterung hinaus heißt offene Edition auch, dass die darin dargebotenen Inhalte frei zugänglich sind, extrahiert und weiter verarbeitet werden können.
Blotius Digital ist ein Pilotprojekt, welches - so das umfassendere Konzept dahinter - als Ausgangspunkt einer Reihe von darauf aufbauenden, aufeinander verweisenden Katalogeditionen fungieren kann. Diesem Verständnis gemäß lässt sich Bestandsentwicklung historischer Bibliotheken auch über eine Reihe dynamischer digitaler Editionen abbilden und nachvollziehbar machen. Im Rahmen des Pilotprojekts Blotius Digital wird dazu ein konzeptioneller und struktureller Bezugspunkt geschaffen. Wurden historische Bestandsdokumente von Bibliotheken (sei es von Privatbibliotheken oder Hofbibliotheken) bisher in der Regel in Form von Listen oder - wenn computergestützt - in Form relationaler Datenbanken ausgewertet, so soll die derzeit gebotene Grundlagenarbeit zeigen, wie ein frühneuzeitlicher Bibliothekskatalog in Form einer TEI-basierte Edition präsentiert werden kann.
In der Pilotphase des Projekts wurde am ersten Buchstaben (M) des überlieferten zweiten Teiles gearbeitet. Die Transkription (Lesefassung) bietet derzeit den transkribierten Text in Auszeichnung exklusive der von Blotius als eigenständiger Teilbestand verzeichneten Bibliothek des Humanisten Hans Dernschwam von Hradiczin (M44-51). Unter den bibliographischen Auswertungen werden derzeit Identifikationen von etwa einem Drittel der von Blotius verzeichneten Titel geboten. Blotius Digital wird laufend erweitert und verbessert. Für Anmerkungen und Hinweise zu Identifikationen sind wir sehr dankbar. Bitte wenden Sie sich dazu an martin.krickl@onb.ac.at