Die für den böhmischen und deutschen König Wenzel IV. bzw. II. um 1390–1400 angelegte Wenzelsbibel ist eine der bedeutendsten Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek und im Nationalen Dokumentenregister „Memory of Austria“ des UNESCO „Memory of the World Programme“ aufgenommen. Sie umfasst sechs Codices (Cod. 2759–2764) mit 1214 Pergamentblättern. Ihre Einzigartigkeit resultiert daraus, dass sie die erste weitgehend vollständige und singulär überlieferte deutschsprachige Übersetzung der hebräischen Bibel nach der lateinischen Vulgata bietet, verbunden mit einem aufwändigen und künstlerisch höchst wertvollen Illustrationsprogramm (654 Haupt- und zahllose Randminiaturen). Die multimediale Übersetzung ist philologisch von höchstem Interesse und kulturgeschichtlich eminent bedeutsam, da sie sich in die religiösen Reformbewegungen des 14. Jahrhunderts eingliedert und in Zusammenhang mit dem Wirken von Jan Hus, des Österreichischen Bibelübersetzers, aber auch der englischen Übersetzung des John Wyclif zu sehen ist. Während die bildkünstlerische Ausgestaltung schon länger kunsthistorisch beforscht wird, ist der Text philologisch noch nicht in Ansätzen, die Text-Bild-Korrelation noch nicht systematisch erschlossen. Ziel des Projekts ist eine erstmalige digitale Edition und Analyse, die dieses dringende Desiderat einlöst. Sie soll ein Faksimile, eine Transkription und Edition des Textes, eine systematische Untersuchung des Bildprogramms und der Text-Bild-Korrelation und im Endprodukt eine lexikalische und syntaktische Konkordanz mit der lateinischen Vulgata bieten, wobei philologische, kunstwissenschaftliche und Verfahren der digitalen Bilderkennung integriert werden. Das Projekt zielt in seiner geistes- und computerwissenschaftlichen Transdisziplinarität auch auf einen höchsten Grad von Innovation in der Methodologie der Digital Humanities.
Hauptziel des Projekts ist eine integrale, intermediale (und darin methodisch und von der Anlage her neuartige) digitale Edition und Analyse der Wenzelsbibel auf mehreren Ebenen. Im laufenden, vom Land Salzburg geförderten Pilotprojekt, sollen die in 1.)-3.) genannten Ziele für den Pentateuch, also die ersten fünf Bücher Mose (Genesis, Exodus, Leviticus, Numeri, Deuteronomium), erarbeitet werden. Die Publikation wird laufend aktualisiert und ergänzt.
Mehrstufige Edition des Textes
Transkription und Edition werden mit dem Texterkennungsprogramm Transkribus erarbeitet, das die Segmentierung einzelner Text- und Bildbereiche, die genaue Erfassung des handschriftlichen Textes sowie die editorische Annotation (Auflösung von Abkürzungen, Normalisierungen, Emendationen) ermöglicht.
TEI
Der mit Transkribus generierte TEI-Text bildet die Basis der navigierbaren Textrepräsentation und wird mehrstufig annotiert in Hinblick auf a) die textkritische Eingriffe und Kommentare, auch zur Übersetzung und ihrer Relation zur Vulgata b) systematische Beschreibungen und Analysen des gesamten Bildprogramms (Zentral- und Marginalbilder) und c) die Text-Bild-Relationen.
Systematische Erfassung der Bildinhalte
Die systematische Erhebung der Bildinhalte orientiert sich an klassifizierten ikonographischen Standards (ICONCLASS), die ikonographischen Spezifika der WB erfordern zudem eine vertiefte individuelle Analyse auf Basis von Jenni/Theisen 2014.
Faksimile-Text-Verknüpfung
Transkription und Edition des Textes werden mit dem digitalen Faksimile verknüpft, ebenso systematisch werden Bildmotive und Übersetzungstext dort korreliert, wo es explizite Bezüge gibt (Figuren, Motive, Handlungen). So soll vom Text zu bildlichen Umsetzungen und umgekehrt navigiert werden können.