Faksimile fehlt.

Würzburg, Herzogeng. 5. 25 XI 85

Lieber freund,
Sie denken, der Seuffert wird bummelig und da haben Sie recht. Nur dass ich eine reihe, wie ich mir einbilde, gewichtiger entschuldigungsgründe vorbringen könnte, wenn ich nicht in dem glauben darauf verzichtete, Sie übten auch so nachsicht.
Ich schicke Ihnen – sobald ich zum packen komme! – 1) Sympathien 1756 2) Empfindungen 1757. 3) Fragmente 1755 4) Sammlung einigr prosaischen schriften 1758 5) Hempel bd. 40 wo ich kollation der 1752 er ausg. d. Schreibens v. d. würde eintrug. 6) Poet. schrften 1762. 7) Prosaische schriften 1763/4. Letzte haben Sie zwar nicht gewünscht, aber sie sind Ihnen vielleicht wichtiger als Ihre 1741/2 er ausgabe. Zusammen 10 bände.
Von den Empfindungen kenne ich (aber besitze ich nicht) einen druck von 1758 der als 2. ufl. auf d. titel bezeichnet ist (identisch mit Samlg pros. schrften 1758 bd. 2). Daraus erhellt schon dass nicht 2 drucke von 1755 u. 1757 vorangehen können. Ausserdem verweise ich auf Wielands brief an Zimmermann vom 7.XI.56, woraus sich die erscheinungszeit feststellt (Wlds Ausgew. brfe 1,228). Ich erlaube mir oder erdreiste mich diesmal selbst an Redlich zu zweifeln. Uebrigens werde ich all das bombenfest aufbauen können, sobald ich nur im zusammenhang hinter meine notizen komme. Wozu mir ein gütiger gott bald äussere und innere musse verleihen möge. amen. – Ich lebe jetzt des guten glaubens, dass ich Ihnen alles gab, was ich zu der sache weiss; aber der wille und das ????? allein reicht nicht aus; es ist nicht wahrscheinlich, aber auch nicht unmöglich, dass ich irgendwo doch noch etwas ad hoc angemerkt habe. Stosse ich drauf, so sollen Sie’s haben. Darauf können Sie sich verlassen.
Wollen Sie die bücher so lange benützen, als sie Ihnen dienlich sein können. Jetzt glaube ich sie nicht zu bedürfen. Freilich wissen Sie ja aus eigener erfahrung, dass man nicht weiss, wie oft man ein buch, das zur hand ist, zur hand nimmt, und dass man gewiss etwas vornehmen möchte oder muss, was man aus der hand gegeben hat.
Betreffs der Musen Almanache kam Ihr freundschaftlicher rat zu spät. Am 25 oktober hatte ich schon die zusage Boxbergers. Ich hoffe, dass er Ihre erwartungen übertrifft. Freilich, Sie kann er mir nicht ersetzen. Aber ich glaube nach wie vor, dass es Ihnen und mir schädlich wäre, wenn die DLD mit Kürschners Nationallitteratur so zusammenstossen. Uebrigens vertrau ich Boxberger und werde die augen offen halten, ob das vertrauen gerechtfertigt ist.
Mit Redlich habe ich keine fühlung. Ich möchte längst von ihm den kompleten Jhn Frd Hahn. Aber so lang er in Lesssing macht, ist er kaum zu haben und bei fremden leuten hole ich mir nicht gern körbe.
Ihr vorschlag, die in der Hamburg. dramaturgie besprochenen stücke und anderes repertoire für die DLD in aussicht zu nehmen hat viel lockendes; ich werde den plan im auge behalten und danke herzlich für den fingerzeig. Dabei kann man auch an zwei praesumtive herausgeber denken; um so greifbarer wird mir der plan.
Die berühmten frauen hab ich natürlich längst ganz und zum teil widerholt gelesen, auch erfolgreich propaganda in dem kleinen frauencirkel dafür gemacht, den ich hier kenne, so dass wol zu weihnachten hier ein paar exemplare abgesetzt werden. Was Sie mir über meine ansicht der Anna Amalia schreiben ist allzu wahr. Ich hab aus der handschrift und allerlei papieren ein allgemeines bild: seine richtigkeit zu beweisen würde mir schwer fallen. Der positiven angaben sind wenige. Ueber das bild der Luise wollte ich das gegenteil dessen schreiben, was ich geschrieben haben muss: es war mir überraschend sympathisch, nicht das gegenteil! Da sieht man wider, wie vorsichtig wir philologen brieftexte behandeln sollten: in der eile fällt uns ein nicht aus; und so gings gewiss auch zweilen den alen briefstellern.
Wenn ich recht offen sein darf, so glaub ich doch zu merken, dass Ihre eingehenden studien über Bürger der Molly sehr zu gut gekommen sind und dass dies weib darum mehr farbe bekam als andere. Den romantischen frauen bringen Sie mehr liebe entgegen als ich; das ist eine mir längst bekannte schwäche meiner organisation. Aber ich kann mir nicht helfen. Vielleicht werd ich noch einmal klüger. Ich wünsche es mir besonders der Herz wegen. Auch Eva Lessing ist mir nichts, das gerade gegenteil einer Bettina. uebrigens glaub ich, dass es frauen gegenüber viel viel schwerer ist zu einem einheitlichen urteile zu gelangen, als männern gegenüber. Es spielt so viel mit, sie sind zu vielseitig, der sieht das, jener ein anderes stärker hervortreten. Im ganzen aber genoss ich so viel anregung und belehrung – Sie tun zwar als ob es eine schande sei, wenn ich dabei etwas lerne, aber ich schäme mich doch nicht – aus Ihren bildern, dass ich nochmals herzlich danken mus. Die darstellung, wenn ich darüber reden darf, ist mir zuweilen zu lapidar; man kann sie warm, man kann sie kalt vorlesen. Ich glaube, dass Ihnen gelingen müsste, den vorleser durch den stil immer zur wärme zu zwingen. Scherers schwebende ausdrucksweise in den Vorträgen langt wol für frauenbilder besser als die bestimmte. Aber auch das ist nur meinung. Es drängt mich trotzdem zu diesen äusserungen, weil ich unsere freundschaft für fest genug zu solchen proben halte.
Jetzt sind Sie wol mit der Schmidt-Lessing-anzeige fertig! Ich wollte ich fände eine ruhige woche, den 2. bd. für die DLZ. anzuzeigen. Alle arbeit stockt wegen des kollegs, für das ich von früh bis nachts arbeite. Herder-Haym hab ich durchgemacht und dabei meine unwissenheit wider recht empfunden. Grade Hayms vortragsart, die ja für den unfachgenössischen leser zu breit ist und dem litteraturhistoriker doch auch wider dann und wann zu eng im gesichtskreise, finde ich ausserordentlich lehrhaft. Man sieht wie er lernt und lernt mit ihm. Ich wollte, ich dürfte meinen Wieland so schreiben. Es Er? würde schneller von statten gehen, als wie ich ihn schreiben soll u. will.
Natürlich hab ich wider Wielandhss. hier. Aber ich darf nicht dran denken, sonst freut mich die vorlesung nicht mehr.
Was Sie über Prag schreiben, ist fatal für Sie und mich. Und mich: denn ich muss nach auswärts lugen; in Baiern werde ich neuen zuverlässigen nachrichten aus abegordnetenkreisen zufolge wider nichts, wenn nicht wunder geschehen. Wie das drückt und lastet!
Lassen Sie die letzten nachrichten über mich einen teil der entschuldigungen sein, der ich für mein zaudern habe.
Mit treulichem gruss
Ihr
BSeuffert.

6.XII. O schrecken! Da liegt der pack noch immer! Verzeihung. Ich warte nun seit ende vorigen monats täglich auf DLD 23/24 die ich Ihnen beipacken wollte. Und noch sind sie nicht da.
Inzwischen hab ich neuen anlass, Ihnen zu danken: für die schöne gratulationsschrift, für die Ollapatrida, für die sanftmütige anzeige des Hauffschen Schubert, über den ich dem verf. viel schärfer schrieb. Die Ollapatr. wag ich nicht zu behalten, da mir Werner kurz vor Ihnen ein exempl. schenkte: das wäre räuberei und Sie können einen andern damit glücklich machen wollen. Mein dank bleibt gleich.
Und Scherer krank! Es ist hart, persönlich für uns alle, noch mehr für das fach. Schrieb ich Ihnen früher, dass im Morgenbl. 1840 brfe. von Weisse an Uz über Wieland stehen? Ich will Sie aber nicht zu einer allzulangen einleitung verführen, sost wird der Uzband gar zu stark.
Nochmals die bitte um entschuldigung u. gruss!
BS.

Faksimile fehlt.

Würzburg, Herzogeng. 5. 25 XI 85

Lieber freund,
Sie denken, der Seuffert wird bummelig und da haben Sie recht. Nur dass ich eine reihe, wie ich mir einbilde, gewichtiger entschuldigungsgründe vorbringen könnte, wenn ich nicht in dem glauben darauf verzichtete, Sie übten auch so nachsicht.
Ich schicke Ihnen – sobald ich zum packen komme! – 1) Sympathien 1756 2) Empfindungen 1757. 3) Fragmente 1755 4) Sammlung einigr prosaischen schriften 1758 5) Hempel bd. 40 wo ich kollation der 1752 er ausg. d. Schreibens v. d. würde eintrug. 6) Poet. schrften 1762. 7) Prosaische schriften 1763/4. Letzte haben Sie zwar nicht gewünscht, aber sie sind Ihnen vielleicht wichtiger als Ihre 1741/2 er ausgabe. Zusammen 10 bände.
Von den Empfindungen kenne ich (aber besitze ich nicht) einen druck von 1758 der als 2. ufl. auf d. titel bezeichnet ist (identisch mit Samlg pros. schrften 1758 bd. 2). Daraus erhellt schon dass nicht 2 drucke von 1755 u. 1757 vorangehen können. Ausserdem verweise ich auf Wielands brief an Zimmermann vom 7.XI.56, woraus sich die erscheinungszeit feststellt (Wlds Ausgew. brfe 1,228). Ich erlaube mir oder erdreiste mich diesmal selbst an Redlich zu zweifeln. Uebrigens werde ich all das bombenfest aufbauen können, sobald ich nur im zusammenhang hinter meine notizen komme. Wozu mir ein gütiger gott bald äussere und innere musse verleihen möge. amen. – Ich lebe jetzt des guten glaubens, dass ich Ihnen alles gab, was ich zu der sache weiss; aber der wille und das ????? allein reicht nicht aus; es ist nicht wahrscheinlich, aber auch nicht unmöglich, dass ich irgendwo doch noch etwas ad hoc angemerkt habe. Stosse ich drauf, so sollen Sie’s haben. Darauf können Sie sich verlassen.
Wollen Sie die bücher so lange benützen, als sie Ihnen dienlich sein können. Jetzt glaube ich sie nicht zu bedürfen. Freilich wissen Sie ja aus eigener erfahrung, dass man nicht weiss, wie oft man ein buch, das zur hand ist, zur hand nimmt, und dass man gewiss etwas vornehmen möchte oder muss, was man aus der hand gegeben hat.
Betreffs der Musen Almanache kam Ihr freundschaftlicher rat zu spät. Am 25 oktober hatte ich schon die zusage Boxbergers. Ich hoffe, dass er Ihre erwartungen übertrifft. Freilich, Sie kann er mir nicht ersetzen. Aber ich glaube nach wie vor, dass es Ihnen und mir schädlich wäre, wenn die DLD mit Kürschners Nationallitteratur so zusammenstossen. Uebrigens vertrau ich Boxberger und werde die augen offen halten, ob das vertrauen gerechtfertigt ist.
Mit Redlich habe ich keine fühlung. Ich möchte längst von ihm den kompleten Jhn Frd Hahn. Aber so lang er in Lesssing macht, ist er kaum zu haben und bei fremden leuten hole ich mir nicht gern körbe.
Ihr vorschlag, die in der Hamburg. dramaturgie besprochenen stücke und anderes repertoire für die DLD in aussicht zu nehmen hat viel lockendes; ich werde den plan im auge behalten und danke herzlich für den fingerzeig. Dabei kann man auch an zwei praesumtive herausgeber denken; um so greifbarer wird mir der plan.
Die berühmten frauen hab ich natürlich längst ganz und zum teil widerholt gelesen, auch erfolgreich propaganda in dem kleinen frauencirkel dafür gemacht, den ich hier kenne, so dass wol zu weihnachten hier ein paar exemplare abgesetzt werden. Was Sie mir über meine ansicht der Anna Amalia schreiben ist allzu wahr. Ich hab aus der handschrift und allerlei papieren ein allgemeines bild: seine richtigkeit zu beweisen würde mir schwer fallen. Der positiven angaben sind wenige. Ueber das bild der Luise wollte ich das gegenteil dessen schreiben, was ich geschrieben haben muss: es war mir überraschend sympathisch, nicht das gegenteil! Da sieht man wider, wie vorsichtig wir philologen brieftexte behandeln sollten: in der eile fällt uns ein nicht aus; und so gings gewiss auch zweilen den alen briefstellern.
Wenn ich recht offen sein darf, so glaub ich doch zu merken, dass Ihre eingehenden studien über Bürger der Molly sehr zu gut gekommen sind und dass dies weib darum mehr farbe bekam als andere. Den romantischen frauen bringen Sie mehr liebe entgegen als ich; das ist eine mir längst bekannte schwäche meiner organisation. Aber ich kann mir nicht helfen. Vielleicht werd ich noch einmal klüger. Ich wünsche es mir besonders der Herz wegen. Auch Eva Lessing ist mir nichts, das gerade gegenteil einer Bettina. uebrigens glaub ich, dass es frauen gegenüber viel viel schwerer ist zu einem einheitlichen urteile zu gelangen, als männern gegenüber. Es spielt so viel mit, sie sind zu vielseitig, der sieht das, jener ein anderes stärker hervortreten. Im ganzen aber genoss ich so viel anregung und belehrung – Sie tun zwar als ob es eine schande sei, wenn ich dabei etwas lerne, aber ich schäme mich doch nicht – aus Ihren bildern, dass ich nochmals herzlich danken mus. Die darstellung, wenn ich darüber reden darf, ist mir zuweilen zu lapidar; man kann sie warm, man kann sie kalt vorlesen. Ich glaube, dass Ihnen gelingen müsste, den vorleser durch den stil immer zur wärme zu zwingen. Scherers schwebende ausdrucksweise in den Vorträgen langt wol für frauenbilder besser als die bestimmte. Aber auch das ist nur meinung. Es drängt mich trotzdem zu diesen äusserungen, weil ich unsere freundschaft für fest genug zu solchen proben halte.
Jetzt sind Sie wol mit der Schmidt-Lessing-anzeige fertig! Ich wollte ich fände eine ruhige woche, den 2. bd. für die DLZ. anzuzeigen. Alle arbeit stockt wegen des kollegs, für das ich von früh bis nachts arbeite. Herder-Haym hab ich durchgemacht und dabei meine unwissenheit wider recht empfunden. Grade Hayms vortragsart, die ja für den unfachgenössischen leser zu breit ist und dem litteraturhistoriker doch auch wider dann und wann zu eng im gesichtskreise, finde ich ausserordentlich lehrhaft. Man sieht wie er lernt und lernt mit ihm. Ich wollte, ich dürfte meinen Wieland so schreiben. Es Er? würde schneller von statten gehen, als wie ich ihn schreiben soll u. will.
Natürlich hab ich wider Wielandhss. hier. Aber ich darf nicht dran denken, sonst freut mich die vorlesung nicht mehr.
Was Sie über Prag schreiben, ist fatal für Sie und mich. Und mich: denn ich muss nach auswärts lugen; in Baiern werde ich neuen zuverlässigen nachrichten aus abegordnetenkreisen zufolge wider nichts, wenn nicht wunder geschehen. Wie das drückt und lastet!
Lassen Sie die letzten nachrichten über mich einen teil der entschuldigungen sein, der ich für mein zaudern habe.
Mit treulichem gruss
Ihr
BSeuffert.

6.XII. O schrecken! Da liegt der pack noch immer! Verzeihung. Ich warte nun seit ende vorigen monats täglich auf DLD 23/24 die ich Ihnen beipacken wollte. Und noch sind sie nicht da.
Inzwischen hab ich neuen anlass, Ihnen zu danken: für die schöne gratulationsschrift, für die Ollapatrida, für die sanftmütige anzeige des Hauffschen Schubert, über den ich dem verf. viel schärfer schrieb. Die Ollapatr. wag ich nicht zu behalten, da mir Werner kurz vor Ihnen ein exempl. schenkte: das wäre räuberei und Sie können einen andern damit glücklich machen wollen. Mein dank bleibt gleich.
Und Scherer krank! Es ist hart, persönlich für uns alle, noch mehr für das fach. Schrieb ich Ihnen früher, dass im Morgenbl. 1840 brfe. von Weisse an Uz über Wieland stehen? Ich will Sie aber nicht zu einer allzulangen einleitung verführen, sost wird der Uzband gar zu stark.
Nochmals die bitte um entschuldigung u. gruss!
BS.

Briefdaten

Schreibort: Würzburg
Empfangsort: Graz
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 4 Seite(n)

Status

Rohtranskription, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8339. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8339/methods/sdef:TEI/get

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