Prag 11. Mai 1889.

Es liegt mir schwer auf der Seele, lieber Freund, daß ich Ihnen seit einer Woche nichts als zwei Karten geschrieben habe und ich will die [Woch]e nicht zu Ende gehen lassen, ohne endlich ausführlich mit Ihnen zu reden. Ich danke Ihnen also nochmals für Ihre Meinungsäußerungen. Könnten wir ein paar Stunden drüber reden, so gienge es ja noch besser und rascher. Ich stimme im ganzen mit Ihnen überein; nur kürzen Sie mir etwas zu stark. Ich habe manchmal ein Strophengefüge (aus H besonders) als ganzes stehen lassen, wenn auch eine Zeile mit dem Text ganz oder theilweise übereinstimmt, weil es wirklich schwer ist, da[s]ganze sich zu reconstruiren. Aber darin haben Sie ja recht, für flüchtige Leser ist ein krit. Apparat nicht gemacht u. der langsam Arbeitende kommt schließlich auf alles. Inzwischen haben wir uns auch über die Reihenfolge geeinigt u. ich habe sachlich fast nichts zu bemerken, als daß Uz an der Wochenschrift „Der Freund“ nach seiner bestimmten Erklärung gegen Gleim nicht mitgearbeitet hat. Ich habe auch nichts darinnen finden können, was ihm etwa zuzuweisen wäre. Ob andre [A]nsbacher Zeitschriften in Betracht kommen, weiß ich nicht. Leider hüllen sich die Herren in Ansbach in tiefes Schweigen ein; seit einem halben Jahre verspricht Schnitzlein Antwort. Jetzt kann ich nicht mehr darauf warten. Was etwa sonst bei der Durcharbeitung sich ergiebt, schreib ich Ihnen bei der Wieder-Übersendung des Man.
Nun einiges Persönliche. Daß Sie häusliche Sorgen haben, thut mir herzlich leid. [Sie] sollten mit Ihrer Kleinen aufs Land. Wollen Sie die heurigen Ferien wieder ganz in Graz zubringen? Unsere Ernennungs-Angelegenheiten stehen leider sehr ungünstig und nicht zum mindesten des- wegen weil man sie im Ministerium zu verquicken scheint. Da werden sie immer den einen gegen den andern ausspielen. Daß aber auch das Gesuch wegen der Subvention für die Vierteljahrsschrift abgewiesen wurde, ist [ga]nz wider meine Erwartungen. Werner ist allerdings kein Diplomat und wenn das Dutzend voll gewesen wäre, so wäre vielleicht die Sache durchzubringen gewesen; aber der Hauptfehler liegt darin, daß sich niemand persönlich eingesetzt hat. Warum war Heinzel nicht bei David? Das hätte sicher zum Ziele geführt.
Über Weimar will ich nicht mehr klagen; ich drucke bei Bogen 8 und endlich wird ja auch dieses Elend ein Ende nehmen. Aber dann will ich mit der Goethe-Ausgabe nichts mehr zu thun haben.
Hätte ich auch nur 8 freie Tage, so könnte ich für die VJS etwas fertig machen; ich fürchte aber fast, daß ich vor Schluß des Semesters nicht mehr dazu komme. Ich habe schändlich viel zu thun. Haben Sie aber doch die Freundlichkeit mir zu sagen, bis wann das Manuscript in Ihren Händen sein müßte, damit es ins 3. (eventuell 4.) Heft käme. Im Herbst mache ich Ihnen in Wien einen Grillparzer Aufsatz fertig über die Entstehung der Selbstbiographie und da das Buch über die Ahnfrau nun wohl definitiv aufgegeben ist, werde ich ein oder das an[dere] Capitel für die VJS abrunden. Vossische Jugendgedichte; Briefwechsel zwischen Bürger u. Goeckingk; Neues zur Kritik EvKleists; ein Aufsatz zur Geschichte der Musenalmanache (aus Goeckingk – Boie Briefen.): alles das liegt halbfertig da. Aber ich bin im Versprechen vorsichtiger geworden; ich habe mir immer zu viel zugetraut. Wäre der verpfuschte Götz-Apparat nicht gewesen, wäre das alles fix und fertig.
Wie schön muß es jetzt in Graz sein; ich werde zu Pfingsten eine ebenso große Sehnsucht [da]hin haben wie ich sie zu Ostern hatte; im August aber, wenn ich dort sein werde, werden Sie wahrscheinlich fehlen. Sind Sie aber in der Nähe, so suche ich Sie gewiß auf. Darüber verständigen wir uns noch. Grüßen Sie Schönbach gelegentlich von mir und empfehlen Sie mich Ihrer lieben Frau. Ich bin mit freundlichen Grüßen Ihr
aufrichtig Ergeb
AS.

Prag 11. Mai 1889.

Es liegt mir schwer auf der Seele, lieber Freund, daß ich Ihnen seit einer Woche nichts als zwei Karten geschrieben habe und ich will die [Woch]e nicht zu Ende gehen lassen, ohne endlich ausführlich mit Ihnen zu reden. Ich danke Ihnen also nochmals für Ihre Meinungsäußerungen. Könnten wir ein paar Stunden drüber reden, so gienge es ja noch besser und rascher. Ich stimme im ganzen mit Ihnen überein; nur kürzen Sie mir etwas zu stark. Ich habe manchmal ein Strophengefüge (aus H besonders) als ganzes stehen lassen, wenn auch eine Zeile mit dem Text ganz oder theilweise übereinstimmt, weil es wirklich schwer ist, da[s]ganze sich zu reconstruiren. Aber darin haben Sie ja recht, für flüchtige Leser ist ein krit. Apparat nicht gemacht u. der langsam Arbeitende kommt schließlich auf alles. Inzwischen haben wir uns auch über die Reihenfolge geeinigt u. ich habe sachlich fast nichts zu bemerken, als daß Uz an der Wochenschrift „Der Freund“ nach seiner bestimmten Erklärung gegen Gleim nicht mitgearbeitet hat. Ich habe auch nichts darinnen finden können, was ihm etwa zuzuweisen wäre. Ob andre [A]nsbacher Zeitschriften in Betracht kommen, weiß ich nicht. Leider hüllen sich die Herren in Ansbach in tiefes Schweigen ein; seit einem halben Jahre verspricht Schnitzlein Antwort. Jetzt kann ich nicht mehr darauf warten. Was etwa sonst bei der Durcharbeitung sich ergiebt, schreib ich Ihnen bei der Wieder-Übersendung des Man.
Nun einiges Persönliche. Daß Sie häusliche Sorgen haben, thut mir herzlich leid. [Sie] sollten mit Ihrer Kleinen aufs Land. Wollen Sie die heurigen Ferien wieder ganz in Graz zubringen? Unsere Ernennungs-Angelegenheiten stehen leider sehr ungünstig und nicht zum mindesten des- wegen weil man sie im Ministerium zu verquicken scheint. Da werden sie immer den einen gegen den andern ausspielen. Daß aber auch das Gesuch wegen der Subvention für die Vierteljahrsschrift abgewiesen wurde, ist [ga]nz wider meine Erwartungen. Werner ist allerdings kein Diplomat und wenn das Dutzend voll gewesen wäre, so wäre vielleicht die Sache durchzubringen gewesen; aber der Hauptfehler liegt darin, daß sich niemand persönlich eingesetzt hat. Warum war Heinzel nicht bei David? Das hätte sicher zum Ziele geführt.
Über Weimar will ich nicht mehr klagen; ich drucke bei Bogen 8 und endlich wird ja auch dieses Elend ein Ende nehmen. Aber dann will ich mit der Goethe-Ausgabe nichts mehr zu thun haben.
Hätte ich auch nur 8 freie Tage, so könnte ich für die VJS etwas fertig machen; ich fürchte aber fast, daß ich vor Schluß des Semesters nicht mehr dazu komme. Ich habe schändlich viel zu thun. Haben Sie aber doch die Freundlichkeit mir zu sagen, bis wann das Manuscript in Ihren Händen sein müßte, damit es ins 3. (eventuell 4.) Heft käme. Im Herbst mache ich Ihnen in Wien einen Grillparzer Aufsatz fertig über die Entstehung der Selbstbiographie und da das Buch über die Ahnfrau nun wohl definitiv aufgegeben ist, werde ich ein oder das an[dere] Capitel für die VJS abrunden. Vossische Jugendgedichte; Briefwechsel zwischen Bürger u. Goeckingk; Neues zur Kritik EvKleists; ein Aufsatz zur Geschichte der Musenalmanache (aus Goeckingk – Boie Briefen.): alles das liegt halbfertig da. Aber ich bin im Versprechen vorsichtiger geworden; ich habe mir immer zu viel zugetraut. Wäre der verpfuschte Götz-Apparat nicht gewesen, wäre das alles fix und fertig.
Wie schön muß es jetzt in Graz sein; ich werde zu Pfingsten eine ebenso große Sehnsucht [da]hin haben wie ich sie zu Ostern hatte; im August aber, wenn ich dort sein werde, werden Sie wahrscheinlich fehlen. Sind Sie aber in der Nähe, so suche ich Sie gewiß auf. Darüber verständigen wir uns noch. Grüßen Sie Schönbach gelegentlich von mir und empfehlen Sie mich Ihrer lieben Frau. Ich bin mit freundlichen Grüßen Ihr
aufrichtig Ergeb
AS.

Briefdaten

Schreibort: Prag
Empfangsort: Graz
Archiv: Österreichische Nationalbibliothek
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand, allerdings kleinräumige Textverluste durch nachträgliche Lochung
Signatur: Autogr. 422/1-154
Umfang: 4 Seite(n)

Status

Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8485 [Druckausgabe Nr. 92]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8485/methods/sdef:TEI/get

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