L. F. Ich gäbe was für ein paar Stunden ausführlicher Unterredung mit Ihnen. Gestatten Sie mir, da dies mir nicht möglich ist, Ihnen meine Schmerzen [b]rieflich vorzutragen. Darüber, daß Koch – Felber wütend sind auf den Euphorion und ich möglicher Weise mit Felber ganz auseinanderkomme will ich nicht klagen. Bis zu gewissem Grade freut mich das sogar. Aber das Blatt selbst macht mir viele Sorgen. Der Prospect ist in der Druckerei; ich hatte schon Correctur; in 4–5 Tagen hoff ich ihn Ihnen übersenden zu [k]önnen und bin auf Ihre Äußerung begierig. Auch ein Titelblatt ist zur Probe gedruckt, so wie ich es Ihnen übersandte; recht hübsch. Aufsätze hab ich viele zugesagt. Manuscripte von Steig, Hirzel, Leitzmann, Kraus. Schwierigkeiten macht mir noch der kritische Theil. Ich muß mich da für eines oder das andere Prinzip entscheiden und sehe darauf hin alle Zeitschriften durch. So wie es der Anzeiger macht ist es das leichteste für den Reda[ct]eur: unter den eingesandten Büchern eine Auswahl treffen und geeignete Recensenten suchen. Derjenige aber, der sich nur die Zeitschrift hält und mit solchen Abonnenten muß der Redacteur wie ich glaube stark rechnen, hat wenig von dieser Art. Es bleibt zu viel ganz unerwähnt. Das andere Extrem die Jahresberichte ist [g]leichfalls für mich ausgeschlossen. Bibliographische Vollständigkeit kann ich nicht anstreben. Also: orientieren. Möchten Sie sich nun – das ist der Kern meines Briefes – ein paar Zeitschriften darauf ansehen: die Sybelsche und die Quiddesche besonders. Die erstere hat viel Bestechendes; sie erinnert mich an das Goethische Wort, [daß] der Fachmann es viel leichter hätte, wenn er das Unnütze über Bord werfen könnte. Dort heißt es z. B. ‚im Augustheft der Preußischen Jahrbücher‘ ohne Seiten u. Heftangabe etc. Aber ist das nicht wieder zu salopp. Sie erwähnten einmal das Behagelsche Litteraturbild als Muster. Meinten Sie da die Übersicht über die Zeitschriften? Oder über die Bücher? Nutzt [e]ine solche Übersicht vierteljährlich etwas. Wöchentlich u. monatlich nutzt sie gewiß? Raisonnirend oder nicht? Das ist die Frage. Bei Behagel sind manchmal kurze Bemerkungen? Soll ich neue Bücher verzeichnen? Die mir zugesandten blos, oder alles was ich sehen kann? Oder wovon ich höre? Bitte sagen Sie mir darüber Ihre Ansicht. Im Prospect steht ungefähr folgendes: ‚Der reichen wissenschaftlichen Litteratur der Gegenwart wollen wir uns dur[ch] kritische Übersichten bemächtigen ohne hier bibliographische Vollständigkeit anzustreben, für die von andrer Seite ausreichend gesorgt ist. Durch längere und kürzere Recensionen wichtigerer Werke u. Aufsätze hoffen wir in die Entwickl. der Wissenschaft fördernd eingreifen zu können. Über solche ausländische litterarhistorische Werke und Aufsätze welche in Deutschland schwe[r] zugänglich sind (nordamerikanische, slavische, ungarische) werden wir durch kurze Referate orientieren.‘
Demnach zerfiele mein kritischer Theil
1. in Recensionen (länger & kürzer)
2. in Referate (für die ich schon Verbindungen angeknüpft habe)
3. in eine Übersicht (worüber?) Diese Übersicht weiter auf S. 1 aber ist meine crux. Und doch räth mir z. B. Adler, der die Vierteljahresschrift f. Musikwiss. herausgiebt, möglichst viel solche Notizen zu bringen; denn „sie ziehen.“ Bitte überlegen Sie sich die Sache ein wenig. Ich will über solche Details mit andern Collegen, die weiter auf S. 4 der Sache weniger wohlwollend gegenüberstehen, nicht correspondieren. Treulichst Ihr
Euphorion.
L. F. Ich gäbe was für ein paar Stunden ausführlicher Unterredung mit Ihnen. Gestatten Sie mir, da dies mir nicht möglich ist, Ihnen meine Schmerzen [b]rieflich vorzutragen. Darüber, daß Koch – Felber wütend sind auf den Euphorion und ich möglicher Weise mit Felber ganz auseinanderkomme will ich nicht klagen. Bis zu gewissem Grade freut mich das sogar. Aber das Blatt selbst macht mir viele Sorgen. Der Prospect ist in der Druckerei; ich hatte schon Correctur; in 4–5 Tagen hoff ich ihn Ihnen übersenden zu [k]önnen und bin auf Ihre Äußerung begierig. Auch ein Titelblatt ist zur Probe gedruckt, so wie ich es Ihnen übersandte; recht hübsch. Aufsätze hab ich viele zugesagt. Manuscripte von Steig, Hirzel, Leitzmann, Kraus. Schwierigkeiten macht mir noch der kritische Theil. Ich muß mich da für eines oder das andere Prinzip entscheiden und sehe darauf hin alle Zeitschriften durch. So wie es der Anzeiger macht ist es das leichteste für den Reda[ct]eur: unter den eingesandten Büchern eine Auswahl treffen und geeignete Recensenten suchen. Derjenige aber, der sich nur die Zeitschrift hält und mit solchen Abonnenten muß der Redacteur wie ich glaube stark rechnen, hat wenig von dieser Art. Es bleibt zu viel ganz unerwähnt. Das andere Extrem die Jahresberichte ist [g]leichfalls für mich ausgeschlossen. Bibliographische Vollständigkeit kann ich nicht anstreben. Also: orientieren. Möchten Sie sich nun – das ist der Kern meines Briefes – ein paar Zeitschriften darauf ansehen: die Sybelsche und die Quiddesche besonders. Die erstere hat viel Bestechendes; sie erinnert mich an das Goethische Wort, [daß] der Fachmann es viel leichter hätte, wenn er das Unnütze über Bord werfen könnte. Dort heißt es z. B. ‚im Augustheft der Preußischen Jahrbücher‘ ohne Seiten u. Heftangabe etc. Aber ist das nicht wieder zu salopp. Sie erwähnten einmal das Behagelsche Litteraturbild als Muster. Meinten Sie da die Übersicht über die Zeitschriften? Oder über die Bücher? Nutzt [e]ine solche Übersicht vierteljährlich etwas. Wöchentlich u. monatlich nutzt sie gewiß? Raisonnirend oder nicht? Das ist die Frage. Bei Behagel sind manchmal kurze Bemerkungen? Soll ich neue Bücher verzeichnen? Die mir zugesandten blos, oder alles was ich sehen kann? Oder wovon ich höre? Bitte sagen Sie mir darüber Ihre Ansicht. Im Prospect steht ungefähr folgendes: ‚Der reichen wissenschaftlichen Litteratur der Gegenwart wollen wir uns dur[ch] kritische Übersichten bemächtigen ohne hier bibliographische Vollständigkeit anzustreben, für die von andrer Seite ausreichend gesorgt ist. Durch längere und kürzere Recensionen wichtigerer Werke u. Aufsätze hoffen wir in die Entwickl. der Wissenschaft fördernd eingreifen zu können. Über solche ausländische litterarhistorische Werke und Aufsätze welche in Deutschland schwe[r] zugänglich sind (nordamerikanische, slavische, ungarische) werden wir durch kurze Referate orientieren.‘
Demnach zerfiele mein kritischer Theil
1. in Recensionen (länger & kürzer)
2. in Referate (für die ich schon Verbindungen angeknüpft habe)
3. in eine Übersicht (worüber?) Diese Übersicht weiter auf S. 1 aber ist meine crux. Und doch räth mir z. B. Adler, der die Vierteljahresschrift f. Musikwiss. herausgiebt, möglichst viel solche Notizen zu bringen; denn „sie ziehen.“ Bitte überlegen Sie sich die Sache ein wenig. Ich will über solche Details mit andern Collegen, die weiter auf S. 4 der Sache weniger wohlwollend gegenüberstehen, nicht correspondieren. Treulichst Ihr
Euphorion.
Schreibort:
Empfangsort: Graz
Archiv: Österreichische Nationalbibliothek
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand, allerdings kleinräumige Textverluste durch nachträgliche Lochung
Signatur:
Autogr. 422/1-239
Umfang: 4 Seite(n)
Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt
ZitiervorschlagBrief ID-8655 [Druckausgabe Nr. 135]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8655/methods/sdef:TEI/get
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