Graz 8 II 95
Lieber freund Für das beifolgende mscpt. Ihres ehemaligen schülers Wukadinović, der inzwischen in Berlin u. hier studiert hat u. hier promoviert worden ist, bitte ich, in seinem namen zugleich, um freundliche aufnahme in den Euphorion. Wir schmeicheln uns mit der hoffnung, dass es Ihnen des druckes wert erscheint. Dass Sie es freilich, wie er hoffte, in Ihre 1. abteilung aufnehmen könnten, hab ich bezweifelt; selbstverständlich ist seine einordnung Ihre sache. Kann das Käthschen ! noch im laufenden bande unterkunft finden, so würde dies wol für die zukunft des mittellosen herrn, der sich um eine bibliotheksstelle bewirbt, wertvoll sein. (Adresse: dr. Spiridion Wukadinović Graz, Muchargasse 7.)
Sollten Sie einmal einen recensenten auf dem grenzgebiet englisch-deutsch brauchen und keinen erprobten wissen, so versuchen Sies vielleicht mit ihm. Er hat kenntnisse und ist gewissenhaft, nur langsam.
Für die zusendung des Wolfschen Gottsched danke ich so wie für die erledigte korrektur des Ebertianums. Besonders stimmungsvoll ist dies gedächtnismal nicht aber die alte perrücke vertrieb mir den ernst. Der von Ihnen angekündigte inhalt des 2. heftes enthält einige sehr verheissungsvolle nummern. Besonders begierig bin ich auf Bahlmann. Spitzers Biese anzeige hörte ich teilweise aus seinem manuskript. Ich bin etwas ängstlich, dass er in zukunft Volkelts buch zu sehr lobt: Volk. ist ja ein gewandter und glänzender mann, aber doch kein denker von tiefe, scheint mir; vielleicht kommt dies urteil nur daher, dass er nach meinem privatgeschmack zu stark phrasiert. So ausgezeichnete anzeigen, wie die Ihrigen über die litteraturgeschichten, wird das 2. heft nicht bringen; ich muss Ihnen noch einmal sagen, dass ich sie geradezu für mustergültige typen halte. U. dass wir in der abteilung des 19. jh. übereinstimmen hat mich um so mehr gefreut, als ich vor jahresfrist im gespräche mit Schönbach merkte, dass darüber auch andere ansichten exisitieren.
Sie fragen ob mir Szamatolskis opus posthumum u. Rubensohn nicht gefallen habe: gewiss, sehr wol in der sache. Nur ist mir die form, die disposition zu wenig ausgearbeitet, wozu der lebende sich hätte zeit gönnen können.
Was für Euphorionanzeigen sind denn erschienen ausser den Fränkelschen, die die Grenzboten niedriger hängten? Ich interessiere mich Ihretwegen dafür, aber auch meinetwegen. Denn da ich keine bücher schreibe, höre ich keine urteile über meine sachen. Oder soll ich das was Koch über meinen Goethe Jahrbuch-beitrag dem Frankfurter Hochstift erzählt zu Herzen nehmen??
Da die Leipziger liste noch nicht zur annahme gelangt sein soll, so darf ich Ihnen noch nicht zur berufung glück wünschen, immerhin aber zum vorschlag.
Nun hat Burdachs veränderungslust nichts erreicht, als dass Henning und Strauch ordinarien wurden, was mich besonders für diesen freut. Wissen Sie etwas von Werner? er hat Schönbach auf seinen neujahrsbrief noch nicht gedankt; sollte der ärmste wieder erkrankt sein?
Wir haben jetzt den neubau bezogen und am 1. februar unser seminararbeitszimmer eröffnet. Ich glaube, Ihnen gefiele der 3 fenstrige hohe raum mit offener bibliothek auch gut. Die einrichtung kostete mich viel mühe. Es ist eine grosse erleichterung, dass mir Schönbach in solchen Dingen freie hand lässt.
Und nun muss ich noch einmal wie im juli auf den AGrün nachlass zurückkommen, den unsere universität besitzt. Im mai 94 lieferte Frankls sohn den nachlass ab, bemerkte aber, dass einiges mit dem inventar nicht stimme, dass er auch die briefe Frankls zurückbehalten habe. Ich erfuhr im juli davon, als Schlossar die erlaubnis zur benützung erhalten wollte. Schönbach u. ich begutachteten mit erfolg, sie zu verweigern. Unser antrag, die Franklsche sendung mit dem von Ihnen aufgenommenen inventar zu vergleichen blieb wegen der ferien liegen. Ich forderte den neuen rektor (Rollett) auf, die sache nun zu erledigen, sein kopf ist aber so mit angelegenheiten des noch unfertigen neubaus und andern sorgen gefüllt, dass er nicht drangeht; er hat die akten nicht finden können, noch nicht gelesen. In seinem gedächtnis haftet aber die erinnerung, dass Ihre person mit der sache verbunden ist. U. er hat mich bei zwei gesprächen gefragt, was denn Sie meinen, man müsse Sie doch befragen. Ich erklärte mich sofort bereit, Ihnen jede frage vorzulegen, die er mir ansage; was er denn von Ihnen wissen wolle? Da wusste er aber auch keinen inhalt zu den fragen, als den einen: wie man am besten von Frankls familie das zurückbehaltene auslöse. Ich suchte ihm klar zu machen, dass es sich darum jetzt gar nicht handle; dass jetzt nur eine controle des ausgelieferten auf grund Ihres hier vorhandenen inventars vorzunehmen sei; dass man ja noch gar nicht wisse, was u. wie viel fehle, nicht, ob die Franklschen den rest nicht sofort auf verlangen bereitwillig ausliefern würden u. s. w. Das schien er einzusehen, sprach aber dann doch wieder vom kollegen Sauer. Mir kommt vor, er meine, ich wolle Sie von einer sache wegdrängen, um die Sie sich verdient gemacht haben. Dass dies nicht der fall ist, wissen Sie. Ich habe persönlich gar kein interesse an dem nachlass Grüns; ich halte es aber für die pflicht der hiesigen germanisten, dass wir den besitz (so weit wir ihn überhaupt erhielten; denn vermutlich sind wir ja von den schloss-Hartern um den grössern teil gebracht worden) gegen weitere verringerungen u. gegen misbrauch schützen. Jeder künftige fachvertreter würde uns nach unserm tode sonst mit recht versäumnis vorwerfen. Da Sie, wenn mich mein gedächtnis nicht täuscht (meine briefe des vorigen jahres liegen in unordnung), erklärten, die bearbeitung des materiales nicht selbst zu beabsichtigen, so dachten Schönbach u. ich daran, Wukadinovic mit der ordnung der papiere u. überprüfung ihrer vollständigkeit beauftragen zu lassen und spätervielleicht ihm auch die verarbeitung für den druck zu übertragen. Wir haben diese anträge noch nicht gestellt. Und ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir einen eigenen brief in der sache schrieben, den ich dem rektor vorlegen, ja überlassen könnte. Selbstverständlich bleibt Ihnen die vorhand: haben Sie im geringsten lust, irgend einmal den nachlass zu bearbeiten, so lassen wir jede action liegen. Dann geschähe auch am besten von Ihnen die überprüfung der vollständigkeit. Erklären Sie mir dies, so lege ich den brief dem rektor mit dem beifügen vor, dass ich dadurch die sache für weitaus am besten erledigt fände.
Diese breite Darlegung wird Ihnen ja klar machen, worauf es ankommt. Halten Sie wie früher schützend Ihre hand über dem nachlass oder nicht? Sie bestätigen, dass Ihr von Frankl anerkanntes inventar als basis für die übernahme der papiere aus Frankls nachlass zu gelten habe u. dass man Frankls erben zu vollständiger ablieferung verpflichten könne, dass also eine aufnahme der papiere auf grund Ihres inventars notwendig und dringend sei.
Noch eines will ich bemerken: wir haben Schlossars ansinnen abgelehnt mit der bemerkung, er wolle nur teile, wir hielten aber dafür, der nachlass solle nicht verzettelt werden; ihm das ganze zu übertragen, scheine bei seiner art schriftstellerischen betriebes nicht empfehlenswert. ( Wegen Schlossars wollen wir ja auch nicht die auslieferung an die bibliothek.) Ausgeliefert wurden ihm nur ein paar für Grün uninteressante briefe Leitners, weil er über diesen ein buch schreibe.
Leben Sie wol! In treuen
Ihr aufrichtiger
BSeuffert
Graz 8 II 95
Lieber freund Für das beifolgende mscpt. Ihres ehemaligen schülers Wukadinović, der inzwischen in Berlin u. hier studiert hat u. hier promoviert worden ist, bitte ich, in seinem namen zugleich, um freundliche aufnahme in den Euphorion. Wir schmeicheln uns mit der hoffnung, dass es Ihnen des druckes wert erscheint. Dass Sie es freilich, wie er hoffte, in Ihre 1. abteilung aufnehmen könnten, hab ich bezweifelt; selbstverständlich ist seine einordnung Ihre sache. Kann das Käthschen ! noch im laufenden bande unterkunft finden, so würde dies wol für die zukunft des mittellosen herrn, der sich um eine bibliotheksstelle bewirbt, wertvoll sein. (Adresse: dr. Spiridion Wukadinović Graz, Muchargasse 7.)
Sollten Sie einmal einen recensenten auf dem grenzgebiet englisch-deutsch brauchen und keinen erprobten wissen, so versuchen Sies vielleicht mit ihm. Er hat kenntnisse und ist gewissenhaft, nur langsam.
Für die zusendung des Wolfschen Gottsched danke ich so wie für die erledigte korrektur des Ebertianums. Besonders stimmungsvoll ist dies gedächtnismal nicht aber die alte perrücke vertrieb mir den ernst. Der von Ihnen angekündigte inhalt des 2. heftes enthält einige sehr verheissungsvolle nummern. Besonders begierig bin ich auf Bahlmann. Spitzers Biese anzeige hörte ich teilweise aus seinem manuskript. Ich bin etwas ängstlich, dass er in zukunft Volkelts buch zu sehr lobt: Volk. ist ja ein gewandter und glänzender mann, aber doch kein denker von tiefe, scheint mir; vielleicht kommt dies urteil nur daher, dass er nach meinem privatgeschmack zu stark phrasiert. So ausgezeichnete anzeigen, wie die Ihrigen über die litteraturgeschichten, wird das 2. heft nicht bringen; ich muss Ihnen noch einmal sagen, dass ich sie geradezu für mustergültige typen halte. U. dass wir in der abteilung des 19. jh. übereinstimmen hat mich um so mehr gefreut, als ich vor jahresfrist im gespräche mit Schönbach merkte, dass darüber auch andere ansichten exisitieren.
Sie fragen ob mir Szamatolskis opus posthumum u. Rubensohn nicht gefallen habe: gewiss, sehr wol in der sache. Nur ist mir die form, die disposition zu wenig ausgearbeitet, wozu der lebende sich hätte zeit gönnen können.
Was für Euphorionanzeigen sind denn erschienen ausser den Fränkelschen, die die Grenzboten niedriger hängten? Ich interessiere mich Ihretwegen dafür, aber auch meinetwegen. Denn da ich keine bücher schreibe, höre ich keine urteile über meine sachen. Oder soll ich das was Koch über meinen Goethe Jahrbuch-beitrag dem Frankfurter Hochstift erzählt zu Herzen nehmen??
Da die Leipziger liste noch nicht zur annahme gelangt sein soll, so darf ich Ihnen noch nicht zur berufung glück wünschen, immerhin aber zum vorschlag.
Nun hat Burdachs veränderungslust nichts erreicht, als dass Henning und Strauch ordinarien wurden, was mich besonders für diesen freut. Wissen Sie etwas von Werner? er hat Schönbach auf seinen neujahrsbrief noch nicht gedankt; sollte der ärmste wieder erkrankt sein?
Wir haben jetzt den neubau bezogen und am 1. februar unser seminararbeitszimmer eröffnet. Ich glaube, Ihnen gefiele der 3 fenstrige hohe raum mit offener bibliothek auch gut. Die einrichtung kostete mich viel mühe. Es ist eine grosse erleichterung, dass mir Schönbach in solchen Dingen freie hand lässt.
Und nun muss ich noch einmal wie im juli auf den AGrün nachlass zurückkommen, den unsere universität besitzt. Im mai 94 lieferte Frankls sohn den nachlass ab, bemerkte aber, dass einiges mit dem inventar nicht stimme, dass er auch die briefe Frankls zurückbehalten habe. Ich erfuhr im juli davon, als Schlossar die erlaubnis zur benützung erhalten wollte. Schönbach u. ich begutachteten mit erfolg, sie zu verweigern. Unser antrag, die Franklsche sendung mit dem von Ihnen aufgenommenen inventar zu vergleichen blieb wegen der ferien liegen. Ich forderte den neuen rektor (Rollett) auf, die sache nun zu erledigen, sein kopf ist aber so mit angelegenheiten des noch unfertigen neubaus und andern sorgen gefüllt, dass er nicht drangeht; er hat die akten nicht finden können, noch nicht gelesen. In seinem gedächtnis haftet aber die erinnerung, dass Ihre person mit der sache verbunden ist. U. er hat mich bei zwei gesprächen gefragt, was denn Sie meinen, man müsse Sie doch befragen. Ich erklärte mich sofort bereit, Ihnen jede frage vorzulegen, die er mir ansage; was er denn von Ihnen wissen wolle? Da wusste er aber auch keinen inhalt zu den fragen, als den einen: wie man am besten von Frankls familie das zurückbehaltene auslöse. Ich suchte ihm klar zu machen, dass es sich darum jetzt gar nicht handle; dass jetzt nur eine controle des ausgelieferten auf grund Ihres hier vorhandenen inventars vorzunehmen sei; dass man ja noch gar nicht wisse, was u. wie viel fehle, nicht, ob die Franklschen den rest nicht sofort auf verlangen bereitwillig ausliefern würden u. s. w. Das schien er einzusehen, sprach aber dann doch wieder vom kollegen Sauer. Mir kommt vor, er meine, ich wolle Sie von einer sache wegdrängen, um die Sie sich verdient gemacht haben. Dass dies nicht der fall ist, wissen Sie. Ich habe persönlich gar kein interesse an dem nachlass Grüns; ich halte es aber für die pflicht der hiesigen germanisten, dass wir den besitz (so weit wir ihn überhaupt erhielten; denn vermutlich sind wir ja von den schloss-Hartern um den grössern teil gebracht worden) gegen weitere verringerungen u. gegen misbrauch schützen. Jeder künftige fachvertreter würde uns nach unserm tode sonst mit recht versäumnis vorwerfen. Da Sie, wenn mich mein gedächtnis nicht täuscht (meine briefe des vorigen jahres liegen in unordnung), erklärten, die bearbeitung des materiales nicht selbst zu beabsichtigen, so dachten Schönbach u. ich daran, Wukadinovic mit der ordnung der papiere u. überprüfung ihrer vollständigkeit beauftragen zu lassen und spätervielleicht ihm auch die verarbeitung für den druck zu übertragen. Wir haben diese anträge noch nicht gestellt. Und ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir einen eigenen brief in der sache schrieben, den ich dem rektor vorlegen, ja überlassen könnte. Selbstverständlich bleibt Ihnen die vorhand: haben Sie im geringsten lust, irgend einmal den nachlass zu bearbeiten, so lassen wir jede action liegen. Dann geschähe auch am besten von Ihnen die überprüfung der vollständigkeit. Erklären Sie mir dies, so lege ich den brief dem rektor mit dem beifügen vor, dass ich dadurch die sache für weitaus am besten erledigt fände.
Diese breite Darlegung wird Ihnen ja klar machen, worauf es ankommt. Halten Sie wie früher schützend Ihre hand über dem nachlass oder nicht? Sie bestätigen, dass Ihr von Frankl anerkanntes inventar als basis für die übernahme der papiere aus Frankls nachlass zu gelten habe u. dass man Frankls erben zu vollständiger ablieferung verpflichten könne, dass also eine aufnahme der papiere auf grund Ihres inventars notwendig und dringend sei.
Noch eines will ich bemerken: wir haben Schlossars ansinnen abgelehnt mit der bemerkung, er wolle nur teile, wir hielten aber dafür, der nachlass solle nicht verzettelt werden; ihm das ganze zu übertragen, scheine bei seiner art schriftstellerischen betriebes nicht empfehlenswert. ( Wegen Schlossars wollen wir ja auch nicht die auslieferung an die bibliothek.) Ausgeliefert wurden ihm nur ein paar für Grün uninteressante briefe Leitners, weil er über diesen ein buch schreibe.
Leben Sie wol! In treuen
Ihr aufrichtiger
BSeuffert
Schreibort: Graz
Empfangsort: Prag
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 7 Seite(n)
Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt
ZitiervorschlagBrief ID-8738 [Druckausgabe Nr. 149]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8738/methods/sdef:TEI/get
LizenzhinweisDie Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.
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