Prag 13.10.96
Smichow 586

Lieber Freund! Bitte, verzeihen Sie mir mein Stillschweigen. Ich war im Juli in Wien & arbeitete für Goedeke; am 1. August fuhr ich nach Langeoog (bei Norderney) und war über 5 Wochen dort, träge wie immer an der S[ee]; tintenscheu, so daß ich nur das Dringendste erledigte. Leitzmanns waren dort; dann Geh. Pilger, der Susannenmann (Zacher), ein liebenswürdiger älterer Herr; gegen Mitte Spt. fuhr ich über Bremen, Düsseldorf, Köln, Bonn (Drescher), Wiesbaden (Goeckingk) und Frankfurt nach Prag und dann gleich wieder nach Wien, weil ich im Juli nicht fertig geworden war; am 1. Oct. kam ich zurück, mußte aber dann noch den Vater vom Land abholen. Inzwischen sollte die Bibliographie für das neue Heft fertig werden & auch vieles andre war liegen geblieben. Nun komme ich langsam wieder in Ordnung, habe heute Colleg begonnen und will nun nicht mehr zögern Ihnen zu schreiben.
Ihr langer Brief im Juli hat tiefen Eindruck auf mich gemacht. Ich habe mich in Wien darnach gerichtet und zunächst erreicht, daß wie Sie bereits gesehen haben, in dem neuen Prospect von der Beilage vorderhand nicht die Rede ist. In der Conferenz mit Fromme, Nagl & Zeidler, in der das Programm für die Beilage entworfen werden sollte, habe ich mich sehr unverschämt benommen und es [da]hin gebracht, daß wir ausmachten: übers Jahr dieses Programm erst festzustellen. Zeit gewonnen, alles gewonnen. Vielleicht überzeugt sich Fomme, daß die Verquickung der Zeitschriften überflüssig ist, vielleicht springen die beiden andern ab etc. Fromme selbst ist sehr energisch, will alles für die Vorbereitung thun, läßt alle möglichen Briefe, Aufforderungen etc. druck[en], den Proespect ins Französ. u. Englische übersetzen u. so fort. Läßt sich die Ztschrft buchhändlerisch überhaupt halten, so wird es ihm wohl gelingen. Er ist ein junger sehr netter Mann u. geht auf alle meine Intentionen ein. Das neue Heft ist fertig; leider nicht so gut wie ich wollte, weil es Fortsetzungen u. ein paar andre Aufsätze [ent]hält, die schon lange lagen u. deren Vf. auf dem Abdruck bestanden. Es erscheint in 3 Wochen. Das 2. Heft dann pünktlich 1. Jan. u. so fort. Zwischen 1. Jan und 1. April hoffe ich das Ergänzungsheft einschieben zu können. Das Manuscript dazu ist bereits in der Druckerei. Ihr Aufsatz ist gleichfalls dafür bestimmt, nicht als ob ich ihn für unverarbeitetes Material ansähe (im Gegentheil; er wird auch – bis auf eine kurze Stelle – Borgis gedruckt), sondern um mir Platz zu schaffen, à jour zu [ko]mmen und das Heft zugleich wertvoller zu machen. – Was Ihre Ratschläge wegen der Bibliographie betrifft, so sind mir allerdings nicht ganz einleuchtend; ich glaube vielmehr mein bisheriger Modus war der richtige; aber ich bin schon durch Raumnot zu Auslassungen gezwungen und so habe ich mich entschlossen, mich allmälich Ihren Vorschlägen zu nähern. Schon viermal ist manches weggelassen, was ich früher aufzunehmen pflegte & Vieles knapper abgethan. So hoffe ich mit Compromissen mein Auskommen zu finden. Bitte, bleiben Sie mit als Rather & Helfer getreu; auch wenn ich nicht gleich alles so mache, wie Sie wünschen; es ist so außerordentlich wichtig, von einer Seite wenigstens die Wahrheit zu hören und nicht so schroff und hinterrücks wie etwa von Schmidt. – Ich habe mich ziemlich erholt und beginne mit frischen Kräften, bin aber des Herausgebens, Sammelns, Redigierens, Exerpierens etc. so überdrüßig, [d]aß ich nicht dafür bürge, daß ich nicht eines Tags alles hinwerfe und mich auf das Altenteil der Forschung zurückziehe. Verdient hätte ich mirs. – Überstehen Sie das Dekanat gut. Mir blüht oder drohts im nächsten Jahr. Treulichst Ihr AS.

Prag 13.10.96
Smichow 586

Lieber Freund! Bitte, verzeihen Sie mir mein Stillschweigen. Ich war im Juli in Wien & arbeitete für Goedeke; am 1. August fuhr ich nach Langeoog (bei Norderney) und war über 5 Wochen dort, träge wie immer an der S[ee]; tintenscheu, so daß ich nur das Dringendste erledigte. Leitzmanns waren dort; dann Geh. Pilger, der Susannenmann (Zacher), ein liebenswürdiger älterer Herr; gegen Mitte Spt. fuhr ich über Bremen, Düsseldorf, Köln, Bonn (Drescher), Wiesbaden (Goeckingk) und Frankfurt nach Prag und dann gleich wieder nach Wien, weil ich im Juli nicht fertig geworden war; am 1. Oct. kam ich zurück, mußte aber dann noch den Vater vom Land abholen. Inzwischen sollte die Bibliographie für das neue Heft fertig werden & auch vieles andre war liegen geblieben. Nun komme ich langsam wieder in Ordnung, habe heute Colleg begonnen und will nun nicht mehr zögern Ihnen zu schreiben.
Ihr langer Brief im Juli hat tiefen Eindruck auf mich gemacht. Ich habe mich in Wien darnach gerichtet und zunächst erreicht, daß wie Sie bereits gesehen haben, in dem neuen Prospect von der Beilage vorderhand nicht die Rede ist. In der Conferenz mit Fromme, Nagl & Zeidler, in der das Programm für die Beilage entworfen werden sollte, habe ich mich sehr unverschämt benommen und es [da]hin gebracht, daß wir ausmachten: übers Jahr dieses Programm erst festzustellen. Zeit gewonnen, alles gewonnen. Vielleicht überzeugt sich Fomme, daß die Verquickung der Zeitschriften überflüssig ist, vielleicht springen die beiden andern ab etc. Fromme selbst ist sehr energisch, will alles für die Vorbereitung thun, läßt alle möglichen Briefe, Aufforderungen etc. druck[en], den Proespect ins Französ. u. Englische übersetzen u. so fort. Läßt sich die Ztschrft buchhändlerisch überhaupt halten, so wird es ihm wohl gelingen. Er ist ein junger sehr netter Mann u. geht auf alle meine Intentionen ein. Das neue Heft ist fertig; leider nicht so gut wie ich wollte, weil es Fortsetzungen u. ein paar andre Aufsätze [ent]hält, die schon lange lagen u. deren Vf. auf dem Abdruck bestanden. Es erscheint in 3 Wochen. Das 2. Heft dann pünktlich 1. Jan. u. so fort. Zwischen 1. Jan und 1. April hoffe ich das Ergänzungsheft einschieben zu können. Das Manuscript dazu ist bereits in der Druckerei. Ihr Aufsatz ist gleichfalls dafür bestimmt, nicht als ob ich ihn für unverarbeitetes Material ansähe (im Gegentheil; er wird auch – bis auf eine kurze Stelle – Borgis gedruckt), sondern um mir Platz zu schaffen, à jour zu [ko]mmen und das Heft zugleich wertvoller zu machen. – Was Ihre Ratschläge wegen der Bibliographie betrifft, so sind mir allerdings nicht ganz einleuchtend; ich glaube vielmehr mein bisheriger Modus war der richtige; aber ich bin schon durch Raumnot zu Auslassungen gezwungen und so habe ich mich entschlossen, mich allmälich Ihren Vorschlägen zu nähern. Schon viermal ist manches weggelassen, was ich früher aufzunehmen pflegte & Vieles knapper abgethan. So hoffe ich mit Compromissen mein Auskommen zu finden. Bitte, bleiben Sie mit als Rather & Helfer getreu; auch wenn ich nicht gleich alles so mache, wie Sie wünschen; es ist so außerordentlich wichtig, von einer Seite wenigstens die Wahrheit zu hören und nicht so schroff und hinterrücks wie etwa von Schmidt. – Ich habe mich ziemlich erholt und beginne mit frischen Kräften, bin aber des Herausgebens, Sammelns, Redigierens, Exerpierens etc. so überdrüßig, [d]aß ich nicht dafür bürge, daß ich nicht eines Tags alles hinwerfe und mich auf das Altenteil der Forschung zurückziehe. Verdient hätte ich mirs. – Überstehen Sie das Dekanat gut. Mir blüht oder drohts im nächsten Jahr. Treulichst Ihr AS.

Briefdaten

Schreibort: Prag
Empfangsort: Graz
Archiv: Österreichische Nationalbibliothek
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand, allerdings kleinräumige Textverluste durch nachträgliche Lochung
Signatur: Autogr. 422/1-322
Umfang: 4 Seite(n)

Status

Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8816 [Druckausgabe Nr. 156]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8816/methods/sdef:TEI/get

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