Lfr. Vor allem wünsche ich, dass sich das unwolsein Ihrer l. frau wieder gehoben hat u. dass Sie von dieser seite der sorge frei sind. Dem decanat gegenüber teile ich Ihre empfindung: beatus ille qui procul. Dabei fällt mir die heutige senatssitzung ein, auf deren tagesordnung auch der A Grünnachlass steht, um den Sie sich 1884 mit Frankl bemüht haben: wissen Sie noch, woher die von Ihrer hand beschriebenen hss. Grüns stammen: flugschriften, skizzen zu herrenhausreden? Sie bilden keinen teil des Franklschen inventar; aber aus den akten erhellt nicht, woher sie in besitz der universität kamen. Übrigens interessiere ich mich nicht heftig dafür, der ganze nachlass ist mehr leid- als freudvoll.
W.! so ist er auch hier gewesen, wenn er in geldnot steckte. Er ist ein mann der stimmungen, hangt ihnen zu sehr nach. Für grundanständig ja vornehm hab ich ihn in all den jahren kennen lernen. Trotz kenn ich nicht an ihm, empfindsamkeit eher, aber ich glaube, wir haben uns nie zertragen (wenigstens habe ich es nie gespürt), obwol ich ihn oft schob, drängte, ihm das zögern, vertrödeln der zeit vorhielt. Kenn ich ihn, so schämt er sich, dass er in Ihrer schuld ist, die materiell oder durch arbeit abzutragen ihn not u. daraus u. aus dem gesamtcharakter entstammende momentane arbeitsunfähigkeit hindern. ! Er beansprucht viel geduld, ich gewährte sie, weil ich meinte, er verdient sie. Ich hoffte, das neue leben werde ihn vorwärts treiben, ich sagte ihm wiederholt, er solle von Ihnen rastlose arbeit lernen, er müsse sich auch an den „betrieb“ im besten sinne gewöhnen, für den Ihre redactionstätigkeit eine bessere schulung biete als meine stille sammlerei. Niemand kann sein verhalten jetzt billigen. Ich merkte aus seinem schweigen, dass wieder ein rückschlag seiner stimmung eingetreten sein müsse. Helfen kann ich ihm nicht, nicht einmal raten.
Hauffen hätte so gut wie Detter gehen können u. sollen. Als Kelles nachf. wünscht, glaub ich, Schönb. doch auch jetzt noch zuerst genannt zu werden, wenn er auch zu meiner grossen beruhigung nicht gehen will. Ihre bedenken gegen Zingerle halte ich für sehr begründet. Ist Kraus jude? es wurde unlängst behauptet, von Zwierzina aber bestritten. Sie wissen ja besser als ich, dass K. sich jetzt einen hochmut im stile Burdachs beilegt, nur ohne so viel recht als dieser, dünkt mich. Diese Wiener schule führt in die philol. eine mechanik ein, die der gerade gegenpol der psychologie u. ebenso einseitig ist. Ich raufe mich mit Zwierz. um den wert der reimwörterbücher, die auch für Kr. das alleinseligmachende sind.
Ich habe W. schon gesagt, dass eine sonderpublication der Wielandeinleitungen nicht angeht: es sind einleitungen. Wollte man sie isoliert von den werken drucken, so müsste sehr viel mehr stoffliches hinein kommen. Ich danke Ihnen herzlich für Ihre einladung, wie die bll. sind, taugen sie noch nicht für den Euph.
Der collegbesuch ist auch hier noch schlecht, vielleicht wird er nach ostern besser.
Von allen seiten arbeit, prüfungen, sitzungen, berichte – ich muss abbrechen.
Mit herzlichem dank für Ihren freundschaftlichen brief
Ihr
treulich ergebener
Bsfft.

Lfr. Vor allem wünsche ich, dass sich das unwolsein Ihrer l. frau wieder gehoben hat u. dass Sie von dieser seite der sorge frei sind. Dem decanat gegenüber teile ich Ihre empfindung: beatus ille qui procul. Dabei fällt mir die heutige senatssitzung ein, auf deren tagesordnung auch der A Grünnachlass steht, um den Sie sich 1884 mit Frankl bemüht haben: wissen Sie noch, woher die von Ihrer hand beschriebenen hss. Grüns stammen: flugschriften, skizzen zu herrenhausreden? Sie bilden keinen teil des Franklschen inventar; aber aus den akten erhellt nicht, woher sie in besitz der universität kamen. Übrigens interessiere ich mich nicht heftig dafür, der ganze nachlass ist mehr leid- als freudvoll.
W.! so ist er auch hier gewesen, wenn er in geldnot steckte. Er ist ein mann der stimmungen, hangt ihnen zu sehr nach. Für grundanständig ja vornehm hab ich ihn in all den jahren kennen lernen. Trotz kenn ich nicht an ihm, empfindsamkeit eher, aber ich glaube, wir haben uns nie zertragen (wenigstens habe ich es nie gespürt), obwol ich ihn oft schob, drängte, ihm das zögern, vertrödeln der zeit vorhielt. Kenn ich ihn, so schämt er sich, dass er in Ihrer schuld ist, die materiell oder durch arbeit abzutragen ihn not u. daraus u. aus dem gesamtcharakter entstammende momentane arbeitsunfähigkeit hindern. ! Er beansprucht viel geduld, ich gewährte sie, weil ich meinte, er verdient sie. Ich hoffte, das neue leben werde ihn vorwärts treiben, ich sagte ihm wiederholt, er solle von Ihnen rastlose arbeit lernen, er müsse sich auch an den „betrieb“ im besten sinne gewöhnen, für den Ihre redactionstätigkeit eine bessere schulung biete als meine stille sammlerei. Niemand kann sein verhalten jetzt billigen. Ich merkte aus seinem schweigen, dass wieder ein rückschlag seiner stimmung eingetreten sein müsse. Helfen kann ich ihm nicht, nicht einmal raten.
Hauffen hätte so gut wie Detter gehen können u. sollen. Als Kelles nachf. wünscht, glaub ich, Schönb. doch auch jetzt noch zuerst genannt zu werden, wenn er auch zu meiner grossen beruhigung nicht gehen will. Ihre bedenken gegen Zingerle halte ich für sehr begründet. Ist Kraus jude? es wurde unlängst behauptet, von Zwierzina aber bestritten. Sie wissen ja besser als ich, dass K. sich jetzt einen hochmut im stile Burdachs beilegt, nur ohne so viel recht als dieser, dünkt mich. Diese Wiener schule führt in die philol. eine mechanik ein, die der gerade gegenpol der psychologie u. ebenso einseitig ist. Ich raufe mich mit Zwierz. um den wert der reimwörterbücher, die auch für Kr. das alleinseligmachende sind.
Ich habe W. schon gesagt, dass eine sonderpublication der Wielandeinleitungen nicht angeht: es sind einleitungen. Wollte man sie isoliert von den werken drucken, so müsste sehr viel mehr stoffliches hinein kommen. Ich danke Ihnen herzlich für Ihre einladung, wie die bll. sind, taugen sie noch nicht für den Euph.
Der collegbesuch ist auch hier noch schlecht, vielleicht wird er nach ostern besser.
Von allen seiten arbeit, prüfungen, sitzungen, berichte – ich muss abbrechen.
Mit herzlichem dank für Ihren freundschaftlichen brief
Ihr
treulich ergebener
Bsfft.

Briefdaten

Schreibort: Graz
Empfangsort: Prag
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 4 Seite(n)

Status

Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8877 [Druckausgabe Nr. 171]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8877/methods/sdef:TEI/get

Lizenzhinweis

Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

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