Prag 1/7 98
Smichow 586
Lieber Freund!
Ich danke Ihnen herzlichst für Ihre warme Theilnahme. Wir haben schwarze Tage durchgemacht. So oft man sich auch das Ärgste vorstellt, es kommt doch immer anders, als man es sich dachte. Wir aber sind um unseren liebsten und nächsten Hausgenossen ärmer geworden und schauen vergebens nach einem neuen Mittelpunkte aus.
Ich sende Ihnen gleichzeitig Sandbergers Brief zurück und bemerke dazu folgendes: Das Ministerium hat bisher wegen Sandbergers nicht bei der Fakultät angefragt; ja in der Zuschrift, in der Adlers Ernennung der Facultät mitgetheilt wird, fehlt sogar die Aufforderung zur Erstellung von Vorschlägen; vielleicht deswegen weil die Lehrkanzel nicht systemisiert ist. Wir werden aber trotzdem heute eine Commission wählen, die sich vermutlich mit Adler ins Einvernehmen setzen wird. Dieser aber scheint von S. nichts wissen zu wollen, sondern sein Candidat scheint der Wiener Privatdozent Rietsch zu sein, der sich um die Stelle mit allen Mitteln bewirbt. Ich sage Ihnen das ganz aufrichtig, um weder bei Ihnen noch bei Ihrem Schützling falsche Hoffnungen zu erwecken. Ob ich in die Commission gewählt werde, ob ich sonst irgendwie in die Lage kommen werde meine Meinung abzugeben, weiß ich nicht. Sollte S. mit in Betracht kommen, so mögen Sie versichert sein, daß ich ihn mir bestens empfohlen sein lasse und weiter empfehlen werde. Aber vorausschtlich kann ich gar nichts thun.
Von meinem § Goedeke habe ich leider keine Abzüge, kann Ihnen also auch keinen senden. Wenn Sie mir trotzdem Ihre Meinung darüber nicht vorenthalten wollen, so werde ich Ihnen dafür sehr dankbar sein. Die Fortstz. folgt im 7. Band.
Ich bleibe bis auf Weiteres hier, weil ich den ganzen Sinn für die Arbeit verloren habe. Auch wo wir hingehen werden, ist noch ganz ungewiß.
Ihnen glückliche Ferien und Ihren Kindern volle Besserung wünschend mit freundl. Grüßen
Ihr aufrichtig erg.
AS.
Prag 1/7 98
Smichow 586
Lieber Freund!
Ich danke Ihnen herzlichst für Ihre warme Theilnahme. Wir haben schwarze Tage durchgemacht. So oft man sich auch das Ärgste vorstellt, es kommt doch immer anders, als man es sich dachte. Wir aber sind um unseren liebsten und nächsten Hausgenossen ärmer geworden und schauen vergebens nach einem neuen Mittelpunkte aus.
Ich sende Ihnen gleichzeitig Sandbergers Brief zurück und bemerke dazu folgendes: Das Ministerium hat bisher wegen Sandbergers nicht bei der Fakultät angefragt; ja in der Zuschrift, in der Adlers Ernennung der Facultät mitgetheilt wird, fehlt sogar die Aufforderung zur Erstellung von Vorschlägen; vielleicht deswegen weil die Lehrkanzel nicht systemisiert ist. Wir werden aber trotzdem heute eine Commission wählen, die sich vermutlich mit Adler ins Einvernehmen setzen wird. Dieser aber scheint von S. nichts wissen zu wollen, sondern sein Candidat scheint der Wiener Privatdozent Rietsch zu sein, der sich um die Stelle mit allen Mitteln bewirbt. Ich sage Ihnen das ganz aufrichtig, um weder bei Ihnen noch bei Ihrem Schützling falsche Hoffnungen zu erwecken. Ob ich in die Commission gewählt werde, ob ich sonst irgendwie in die Lage kommen werde meine Meinung abzugeben, weiß ich nicht. Sollte S. mit in Betracht kommen, so mögen Sie versichert sein, daß ich ihn mir bestens empfohlen sein lasse und weiter empfehlen werde. Aber vorausschtlich kann ich gar nichts thun.
Von meinem § Goedeke habe ich leider keine Abzüge, kann Ihnen also auch keinen senden. Wenn Sie mir trotzdem Ihre Meinung darüber nicht vorenthalten wollen, so werde ich Ihnen dafür sehr dankbar sein. Die Fortstz. folgt im 7. Band.
Ich bleibe bis auf Weiteres hier, weil ich den ganzen Sinn für die Arbeit verloren habe. Auch wo wir hingehen werden, ist noch ganz ungewiß.
Ihnen glückliche Ferien und Ihren Kindern volle Besserung wünschend mit freundl. Grüßen
Ihr aufrichtig erg.
AS.
Schreibort: Prag
Empfangsort: Graz
Archiv: Österreichische Nationalbibliothek
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand, allerdings kleinräumige Textverluste durch nachträgliche Lochung
Signatur:
Autogr. 422/1-357
Umfang: 4 Seite(n)
Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt
ZitiervorschlagBrief ID-8892 [Druckausgabe Nr. 172]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8892/methods/sdef:TEI/get
LizenzhinweisDie Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.
LinksDas Bildmaterial dieser Webseite sind Reproduktionen aus den Sammlungen der Österreichischen Nationalbibliothek und des Staatsarchivs Würzburg. Für jede weitere Verwendung wenden Sie sich bitte an die jeweilige Institution.