Prag 5 / 3 1903
Smichow 586

L.F. Wenn Sie Suphan Ihr Vorwort mittheilen wollten, so wär das freilich sehr angenehm; denn eine öffentliche Erklärung der Goethegesellschaft oder Suphans gegen uns, wäre, auch wenn wir ihm Rechtwären, höchst fatal. Die Herren haben sich nun einmal in Ihre Ideen verbohrt. Ruland entschuldige ich noch in der Sache; er hat Ihren Aufsatz kaum gelesen & hat auch kein Verständnis dafür; aber Suphan versteht was Sie und was ich wollte: er hat aber die Thorheit von „Goethe & Karlsbad“ etc. schon in einem frühern Brief vorgebracht. Ich habe ihms übrigens in meiner Antwort heimgezahlt u. würde noch ganz anders gegen ihn vorgehn, wenn ich nicht noch bis zum Schluß von Bd. XVIII an das Archiv geschmiedet wäre.
Dass Sie den gesuchten Almanach gefunden haben, freut mich sehr.
Ihre Rec. der Aphorismen, für die ich Ihnen bestens danke, ist mir bes. Leitzmanns wegen sehr angenehm. In tagelangen Gesprächen habe ich ihn zu überreden gesucht, aus dem Chaos, [wi]e Sie so hübsch sagen ein Litteraturdenkmal zu machen u. Schüddekopf hat mir secundiert. Aber er blieb taub & erklärte, wenn ers nicht streng chronol. machen könne, mache ers gar nicht. Nicht einmal dazu war er zu bringen, dass er die Nummern, die ganz sichtlich zusammengehören, zusammengerückt hätte. Ich wies ihn auf Grillparzers Werke hin, von denen fast zehn Bände ????? d. Hälfte aus solchen Aphorismenbüchern & Tagebuchaufzeichnungen bestehen u. die mir nicht die grosse Wirkung gemacht hätten, wenn man sie so angeordnet u. formlos dem Publikum vorgeworfen hätte; die freilich in Leitzmanns Art viel leichter hrszugeben gewesen wären. Der Erfolg war blos, [daß] er den gegen mich gerichteten Passus in die Vorrede einschob. Er trägt mit Schuld, wenn ich froh bin die DLD loszubekommen, weil ich mit s. Editionstätigkeit sowenig einverstanden bin u.. sein schönes Material doch nicht entbehren kann.
Teubner hat mir aus freien Stücken ein sehr günstiges Verlagsangebot für meine Hebbelvorträge gemacht u. ich werde sie nach Abschluß der Werke & Tageb. in Jahresfrist heraus geben. Sie glauben nicht, wie schlecht u dumm Werners Einleitungen sind; auch hat er überall die ältesten Erwähnungen d. Dramen übersehen. MMagd. zB. lässt sich viel weiter zurückdatieren. Und geschrieben sind diese Einleitg., dass ihn Hebbel wenn er sie lesen könnte, zermalmen würde. Die interessantesten Probleme hat er gar nicht vermerkt. So datiert RWagners Siegfried schon aus d. Jahr 1848; der ganze Nibel. Ring aus d. Jahr 1853. Der Name Wagner kommt aber in Werners Einleitg. nicht vor! Auch Zeiß ist schlechter als ich dachte. Eine Schulausgabe von Herodes u Mariamne durch Petsch, die ich zufällig las, läßt ganze Worte im Text aus u.s.w. u.s.w. Ein eiserner Besen wär wieder einmal am Platz.
Glauben Sie, dass ich münd[lich] bei Böhlaus etwas bestellen könnte, so verfügen Sie über mich. Ich fahre wahrscheinlich am 16., kaum viel später.
Herzlich grüßend
Ihr
treu erg.
AS.

Prag 5 / 3 1903
Smichow 586

L.F. Wenn Sie Suphan Ihr Vorwort mittheilen wollten, so wär das freilich sehr angenehm; denn eine öffentliche Erklärung der Goethegesellschaft oder Suphans gegen uns, wäre, auch wenn wir ihm Rechtwären, höchst fatal. Die Herren haben sich nun einmal in Ihre Ideen verbohrt. Ruland entschuldige ich noch in der Sache; er hat Ihren Aufsatz kaum gelesen & hat auch kein Verständnis dafür; aber Suphan versteht was Sie und was ich wollte: er hat aber die Thorheit von „Goethe & Karlsbad“ etc. schon in einem frühern Brief vorgebracht. Ich habe ihms übrigens in meiner Antwort heimgezahlt u. würde noch ganz anders gegen ihn vorgehn, wenn ich nicht noch bis zum Schluß von Bd. XVIII an das Archiv geschmiedet wäre.
Dass Sie den gesuchten Almanach gefunden haben, freut mich sehr.
Ihre Rec. der Aphorismen, für die ich Ihnen bestens danke, ist mir bes. Leitzmanns wegen sehr angenehm. In tagelangen Gesprächen habe ich ihn zu überreden gesucht, aus dem Chaos, [wi]e Sie so hübsch sagen ein Litteraturdenkmal zu machen u. Schüddekopf hat mir secundiert. Aber er blieb taub & erklärte, wenn ers nicht streng chronol. machen könne, mache ers gar nicht. Nicht einmal dazu war er zu bringen, dass er die Nummern, die ganz sichtlich zusammengehören, zusammengerückt hätte. Ich wies ihn auf Grillparzers Werke hin, von denen fast zehn Bände ????? d. Hälfte aus solchen Aphorismenbüchern & Tagebuchaufzeichnungen bestehen u. die mir nicht die grosse Wirkung gemacht hätten, wenn man sie so angeordnet u. formlos dem Publikum vorgeworfen hätte; die freilich in Leitzmanns Art viel leichter hrszugeben gewesen wären. Der Erfolg war blos, [daß] er den gegen mich gerichteten Passus in die Vorrede einschob. Er trägt mit Schuld, wenn ich froh bin die DLD loszubekommen, weil ich mit s. Editionstätigkeit sowenig einverstanden bin u.. sein schönes Material doch nicht entbehren kann.
Teubner hat mir aus freien Stücken ein sehr günstiges Verlagsangebot für meine Hebbelvorträge gemacht u. ich werde sie nach Abschluß der Werke & Tageb. in Jahresfrist heraus geben. Sie glauben nicht, wie schlecht u dumm Werners Einleitungen sind; auch hat er überall die ältesten Erwähnungen d. Dramen übersehen. MMagd. zB. lässt sich viel weiter zurückdatieren. Und geschrieben sind diese Einleitg., dass ihn Hebbel wenn er sie lesen könnte, zermalmen würde. Die interessantesten Probleme hat er gar nicht vermerkt. So datiert RWagners Siegfried schon aus d. Jahr 1848; der ganze Nibel. Ring aus d. Jahr 1853. Der Name Wagner kommt aber in Werners Einleitg. nicht vor! Auch Zeiß ist schlechter als ich dachte. Eine Schulausgabe von Herodes u Mariamne durch Petsch, die ich zufällig las, läßt ganze Worte im Text aus u.s.w. u.s.w. Ein eiserner Besen wär wieder einmal am Platz.
Glauben Sie, dass ich münd[lich] bei Böhlaus etwas bestellen könnte, so verfügen Sie über mich. Ich fahre wahrscheinlich am 16., kaum viel später.
Herzlich grüßend
Ihr
treu erg.
AS.

Briefdaten

Schreibort: Prag
Empfangsort: Graz
Archiv: Österreichische Nationalbibliothek
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand, allerdings kleinräumige Textverluste durch nachträgliche Lochung
Signatur: Autogr. 423/1-453
Umfang: 7 Seite(n)

Status

Rohtranskription, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-9074. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.9074/methods/sdef:TEI/get

Lizenzhinweis

Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

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