Graz Harrachg. 1
9.11.7.

Lieber freund, Ihre schrift habe ich sofort mit grosser freude gelesen und beglückwünsche Sie zu der schönen untersuchung. Nimmt man die summe der übereinstimmungen, so ist die ausführung überzeugend, wenn sie auch im einzelfalle nicht immer zwingend wirkt. Verblüffend bleibt die vertrautheit mit Ang. Sil. u. Spe; aber sie ist eben da.
U. nun aus der poesie in die tiefste prosa: prüfungsordnung. Sie müssen sich ja auch mit den Wiener vorschlägen befassen und haben wie wir mehr als die Wiener auf nationale schwierigkeiten zu sehen. Darum erlaub ich mir, Ihnen zu sagen, wie Schönbach u. ich uns stellen. Die Hauptfachformulierung akzeptieren wir (so schreib ich sehr ungern, accept. ist mir viel geläufiger). Im nebenfach muss aber was geschehen. Es geht doch nicht an, dass man da keine zeile geschriebenes erhält. U. es geht auch nicht an, dass man keine interpretation erhält. Korrekten u. gewandten stil sollen die lehrer am untergymn. lehren, dazu prosodik, metrik, sollen lesestücke disponieren u. für die geschmacksbildung erklären: all das zu fordern gibt der art. IX b nicht das geringste recht. Wir möchten also eine kleine hausarbeit, zu ersetzen durch eine seminararbeit, u. eine klausur: interpretation eines gedichtes oder irgend einer stelle, 2-3 stündig. Es wird im untergymn. so viel gesündigt, dass man mehr fordern muss; zudem von leuten nicht deutscher ????? müssen arbeiten wegen der korrektheit gefordert werden; die hausarbeiten, nötig zum nachweis der vertrautheit mit den wissenschaftl. hilfsmitteln, lassen sie sich korrigieren, also ist auch klausur nötig.
Den abgang von einem deutschen gymn. als ersatz für die prüfung aus unterrichtsspr. zu nehmen, wie die Wiener wollen, sind wir ausser stande: diese zeugnisse vom unterlande mit dem gemischtsprachigen publikum besagen wenig. Wir beantragen Art. V aus der prüfung für die Lyceumskandidatinnen herüberzunehmen; nur wenn der prüfer sich aus einer klausur u. aus einer mündl. fachprüfung von der sprachfertigkeit überzeugt hat, kann er die prüfung erlassen. Die prüfung muss jedenfalls beim letzten teile der fachprüfung gehalten werden, weil ich erlebt habe, dass leute frisch von der univ. weg deutsch können, bis zur 2. teilprüfung zu hause es verlernen.
Verzeihen Sie, dass ich das unaufgefordert schreibe; aber vielleicht interessiert es Sie doch etwas, was wir hier wünschen.
Zum rektorat und ins hause alles gute wünschend u. für das geschenk (das ich sehr gerne besonders wegen der methode in unserm hochverschuldeten seminar hätte! Haben Sie keine korrekturen l.h. dafür übrig?) nochmals bestens dankend
in treuen Ihr
BSfft

Graz Harrachg. 1
9.11.7.

Lieber freund, Ihre schrift habe ich sofort mit grosser freude gelesen und beglückwünsche Sie zu der schönen untersuchung. Nimmt man die summe der übereinstimmungen, so ist die ausführung überzeugend, wenn sie auch im einzelfalle nicht immer zwingend wirkt. Verblüffend bleibt die vertrautheit mit Ang. Sil. u. Spe; aber sie ist eben da.
U. nun aus der poesie in die tiefste prosa: prüfungsordnung. Sie müssen sich ja auch mit den Wiener vorschlägen befassen und haben wie wir mehr als die Wiener auf nationale schwierigkeiten zu sehen. Darum erlaub ich mir, Ihnen zu sagen, wie Schönbach u. ich uns stellen. Die Hauptfachformulierung akzeptieren wir (so schreib ich sehr ungern, accept. ist mir viel geläufiger). Im nebenfach muss aber was geschehen. Es geht doch nicht an, dass man da keine zeile geschriebenes erhält. U. es geht auch nicht an, dass man keine interpretation erhält. Korrekten u. gewandten stil sollen die lehrer am untergymn. lehren, dazu prosodik, metrik, sollen lesestücke disponieren u. für die geschmacksbildung erklären: all das zu fordern gibt der art. IX b nicht das geringste recht. Wir möchten also eine kleine hausarbeit, zu ersetzen durch eine seminararbeit, u. eine klausur: interpretation eines gedichtes oder irgend einer stelle, 2-3 stündig. Es wird im untergymn. so viel gesündigt, dass man mehr fordern muss; zudem von leuten nicht deutscher ????? müssen arbeiten wegen der korrektheit gefordert werden; die hausarbeiten, nötig zum nachweis der vertrautheit mit den wissenschaftl. hilfsmitteln, lassen sie sich korrigieren, also ist auch klausur nötig.
Den abgang von einem deutschen gymn. als ersatz für die prüfung aus unterrichtsspr. zu nehmen, wie die Wiener wollen, sind wir ausser stande: diese zeugnisse vom unterlande mit dem gemischtsprachigen publikum besagen wenig. Wir beantragen Art. V aus der prüfung für die Lyceumskandidatinnen herüberzunehmen; nur wenn der prüfer sich aus einer klausur u. aus einer mündl. fachprüfung von der sprachfertigkeit überzeugt hat, kann er die prüfung erlassen. Die prüfung muss jedenfalls beim letzten teile der fachprüfung gehalten werden, weil ich erlebt habe, dass leute frisch von der univ. weg deutsch können, bis zur 2. teilprüfung zu hause es verlernen.
Verzeihen Sie, dass ich das unaufgefordert schreibe; aber vielleicht interessiert es Sie doch etwas, was wir hier wünschen.
Zum rektorat und ins hause alles gute wünschend u. für das geschenk (das ich sehr gerne besonders wegen der methode in unserm hochverschuldeten seminar hätte! Haben Sie keine korrekturen l.h. dafür übrig?) nochmals bestens dankend
in treuen Ihr
BSfft

Briefdaten

Schreibort: Graz
Empfangsort: Prag
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 4 Seite(n)

Status

Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-9239 [Druckausgabe Nr. 249]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.9239/methods/sdef:TEI/get

Lizenzhinweis

Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

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