20/3 85.

Lieber Freund!

Wenn etwas die Notwendigkeit unseres Neudruckes zu beweisen im Stande ist, dann muß es diese Verzögerung thun.
Denn ich habe zwar die andern verlangten Bücher, wie ich nach Absendung meines letzten Briefes sah, aus Berlin bekommen; die 2. Auflage (die meinem Text zu Grunde liegt) ist aber ausgeliehen; Scherer, an den ich mich wandte, weil ich weiß, daß er das Buch besitzt, kann es nicht auffinden. Nun steht meine Hoffnung auf Bernays oder die Münchner Bibliothek; auch in Berlin habe ich gebeten das Buch zurückzuverlangen. Sie können also getrost zu drucken anfangen; von einer Seite wird das Buch schon eintreffen. Ich habe nun alle rein orthographischen Varianten (bis auf 2–3 sehr interessante) weggestrichen; den Wechsel zwischen n u. m in der Adjectivflexion, so unregelmäßig er auch auftritt, glaubte ich verzeichnen zu sollen; ebenso die Abweichungen in der Interpunction. Ich habe aber nichts dagegen, [w]enn Sie etwa noch wegstreichen, was Ihnen überflüßig scheint. Die Chiffern A und a habe ich weggelassen,

B beibehalten; auch die Druckfehler habe ich soweit es mir nothwendig schien in die Lesarten aufgenommen; zu den im Druckfehlerverzeichnisse von B verbesserten habe ich (Dr.) hinzugefügt. Sonst glaube ich, daß alles in Ordnung und außer Zweifel ist. Höchstens wegen der Neuen Seiten oder Blätter werden Sie in Widerspruch mit mir sein; ä[nd]ern Sie das, wie es Ihnen gut dünkt; ich bins zufrieden. Das Inhaltsverzeichnis folgt mit der Einleitung. Wahrscheinlich [s]chicke ich Ihnen auch ein Wortverzeichnis, das Sie dann nach Gutdünken aufnehmen oder weglassen können. Von mir werden Sie im nächsten Monate mancherlei gedruckt sehen, was seit langem vorbereitet ist. Der be[g]innende Frühling weckt auch meine schlummernden Kräfte u. so gehts lustig mit allem zu Ende.

Sie fragen mich um meine Ansicht über Zarnckes Buch. Ich habe es im vorigen Sommer gleich nach s. Erscheinen gelesen u. für au[s]gezeichnet befunden. Scherers kühleres Urteil hat mich nachdenken gemacht. Und nun muß ich gestehen, daß es stellenweise recht breit ist u. andererseits doch die Resultate nur andeutet, bis zu denen die Untersuchung wird vordringen müßen. Aber eine solc[ he] Entdeckung bringt immer Ruhm mit sich, während

andere ebenso mühsame u. gute Arbeiten kaum Anerken[n]ung erwarten dürfen.
Schreiben Sie mir doch einmal Ihre Meinung über eine große Wieland Ausgabe. So sehr ich mit Munckers Thätigkeit einverstanden bin, so soll ihm doch nicht alles in die Hände fallen. Er macht den Lachmannschen Lessing neu [u]. hat sich mit Pawel zur kritischen Ausgabe Klopstocks für den Kl.-Verein verstanden. Sie sollten sich Wieland nicht entgehen lassen. Ich habe viel mit Fresenius vor Jahren darüb[er] verhandelt u. mir längst [P]läne dazu entworfen. Es ist doch eine unabweisliche Aufgabe unserer Wissenschaft, die bedeutendsten Classiker abschließend herauszugeben. Wären wir ein reiches Volk wie Engl. & Franz., so wäre es wol schon längst geschehen.
Oft wollte ich Ihnen das [sch]on schreiben. Laßen Sie nur Ihre Ansichten wissen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr treulichst ergebener
A. Sauer.

20/3 85.

Lieber Freund!

Wenn etwas die Notwendigkeit unseres Neudruckes zu beweisen im Stande ist, dann muß es diese Verzögerung thun.
Denn ich habe zwar die andern verlangten Bücher, wie ich nach Absendung meines letzten Briefes sah, aus Berlin bekommen; die 2. Auflage (die meinem Text zu Grunde liegt) ist aber ausgeliehen; Scherer, an den ich mich wandte, weil ich weiß, daß er das Buch besitzt, kann es nicht auffinden. Nun steht meine Hoffnung auf Bernays oder die Münchner Bibliothek; auch in Berlin habe ich gebeten das Buch zurückzuverlangen. Sie können also getrost zu drucken anfangen; von einer Seite wird das Buch schon eintreffen. Ich habe nun alle rein orthographischen Varianten (bis auf 2–3 sehr interessante) weggestrichen; den Wechsel zwischen n u. m in der Adjectivflexion, so unregelmäßig er auch auftritt, glaubte ich verzeichnen zu sollen; ebenso die Abweichungen in der Interpunction. Ich habe aber nichts dagegen, [w]enn Sie etwa noch wegstreichen, was Ihnen überflüßig scheint. Die Chiffern A und a habe ich weggelassen,

B beibehalten; auch die Druckfehler habe ich soweit es mir nothwendig schien in die Lesarten aufgenommen; zu den im Druckfehlerverzeichnisse von B verbesserten habe ich (Dr.) hinzugefügt. Sonst glaube ich, daß alles in Ordnung und außer Zweifel ist. Höchstens wegen der Neuen Seiten oder Blätter werden Sie in Widerspruch mit mir sein; ä[nd]ern Sie das, wie es Ihnen gut dünkt; ich bins zufrieden. Das Inhaltsverzeichnis folgt mit der Einleitung. Wahrscheinlich [s]chicke ich Ihnen auch ein Wortverzeichnis, das Sie dann nach Gutdünken aufnehmen oder weglassen können. Von mir werden Sie im nächsten Monate mancherlei gedruckt sehen, was seit langem vorbereitet ist. Der be[g]innende Frühling weckt auch meine schlummernden Kräfte u. so gehts lustig mit allem zu Ende.

Sie fragen mich um meine Ansicht über Zarnckes Buch. Ich habe es im vorigen Sommer gleich nach s. Erscheinen gelesen u. für au[s]gezeichnet befunden. Scherers kühleres Urteil hat mich nachdenken gemacht. Und nun muß ich gestehen, daß es stellenweise recht breit ist u. andererseits doch die Resultate nur andeutet, bis zu denen die Untersuchung wird vordringen müßen. Aber eine solc[ he] Entdeckung bringt immer Ruhm mit sich, während

andere ebenso mühsame u. gute Arbeiten kaum Anerken[n]ung erwarten dürfen.
Schreiben Sie mir doch einmal Ihre Meinung über eine große Wieland Ausgabe. So sehr ich mit Munckers Thätigkeit einverstanden bin, so soll ihm doch nicht alles in die Hände fallen. Er macht den Lachmannschen Lessing neu [u]. hat sich mit Pawel zur kritischen Ausgabe Klopstocks für den Kl.-Verein verstanden. Sie sollten sich Wieland nicht entgehen lassen. Ich habe viel mit Fresenius vor Jahren darüb[er] verhandelt u. mir längst [P]läne dazu entworfen. Es ist doch eine unabweisliche Aufgabe unserer Wissenschaft, die bedeutendsten Classiker abschließend herauszugeben. Wären wir ein reiches Volk wie Engl. & Franz., so wäre es wol schon längst geschehen.
Oft wollte ich Ihnen das [sch]on schreiben. Laßen Sie nur Ihre Ansichten wissen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr treulichst ergebener
A. Sauer.

Sie sollten sich Wieland nicht entgehen lassen. [...] Es ist doch eine unabweisliche Aufgabe unserer Wissenschaft, die bedeutendsten Classiker abschließend herauszugeben. Wären wir ein reiches Volk wie Engl. & Franz., so wäre es wol schon längst geschehen.

Sauer empfahl Seuffert, das Projekt einer historisch-kritischen Wielandausgabe in Angriff zu nehmen. Seuffert hatte diese Möglichkeit in den vergangenen Jahren im Zusammenhang mit der von ihm geplanten Biografie C.M. Wielands sondiert und sich darüber wiederholt mit Wilhelm Scherer ausgetauscht. Das Projekt wurde jedoch erst ab 1903 unter Leitung Seufferts und auf Grundlage seiner jahrzehntelangen Materialsammlungen von der BerlinerAkademie der Wissenschaften in Angriff genommen.

Briefdaten

Schreibort:
Empfangsort: Würzburg
Archiv: Österreichische Nationalbibliothek
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand, allerdings kleinräumige Textverluste durch nachträgliche Lochung
Signatur: Autogr. 422/1-51
Umfang: 8 Seite(n)

Status

Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8296 [Druckausgabe Nr. 45]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8296/methods/sdef:TEI/get

Lizenzhinweis

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