Würzburg 28 7 85 abends
Herzogeng. 5.

Lieber freund,

Es war mir sehr empfindlich, mich nicht nach Ihrem wolsein erkundigen zu dürfen: ich fürchtete jede, nur darauf gerichtete frage des freundes könnte als versteckte mahnung des redakteurs misdeutet werden und solcher misdeutung wollte ich mich durchaus nicht aussetzen.
Nun bin ich froh ex silentio – Sie schrieben keine zeile über Ihr befinden – und aus dem abschluss der mühseligen arbeit – Sie haben sichs schwer gemacht, wie ich dankbarst anerkenne – schliessen zu dürfen, dass Sie geheilt sind und nur zur besseren stärkung ins bad gehen.
Leider kann ich Ihnen da nicht die volle ruhe gönnen, die man eigentlich auf dem strande haben soll: es müsste denn sein, dass Sie mir die korrektur der bogen nach Ihrem ms. anvertrauen wollten, wozu ich natürlich bereit bin. Zunächst habe ich Ihrer weisung entsprechend auftrag gegeben, Ihnen die korrekturen nach Sylt zu senden. Und zwar gleich dahin. Denn Ihren wunsch, noch in Graz einen bogen zu erhalten, konnte ich nicht erfüllbar machen. heute erst ging mir die aufforderung, auf dem zollamte Ihre sendung zu holen, zu. Sie ging mit der Abendpost nach Heilbronn weiter, kommt da am 29. abends an, läuft nach Leipzig – 30. und wenn wirklich die druckerei (was noch nie geschah) augenblicklich beginnt, ist, bis der erste bogen gesetzt, umgebrochen, korrigiert und versandt ist, der 5 august da: also kommt er gerade recht nach Sylt, um Ihnen dort den willkomm zu bieten.
Ich habe den verlegern geschrieben, es müsse eilig gehen, glaube dass sie selbst eilen wollen, und habe Ihnen auch ans herz gelegt, Ihnen eine postanweisung zu schicken. Obs geschieht, weiss ich nicht: in dieser beziehung hab ich die herren noch nicht geprobt.
Nach Ihren beiden karten war ich sehr gespannt auf das innere und äussere der einleitung. Ein- mal ward ich befriedigt und einmal enttäuscht. Ich lebte der selbstgefälligen einbildung, den Pyra recht nahe beguckt und ihm recht scharf ins auge gesehen zu haben; aber Sie schauen ihn noch gründlicher an und Ihre ergebnisse, so weit ich sie bei einer kai! kai!-lesung erfasste, sind sehr reich. Also darin war meine erwartung sehr befriedigt. Enttäuscht über die verheissene grause schrift. Wenn Sie nicht schlechter schreiben können und an Ihren entwürfen nicht mehr ändern müssen, beneide ich Sie.
Die drei verhüllten autores kenn ich nicht: der Tyberschwan ist genau so beschrieben, wie nur Horaz beschrieben sein kann und dafür nahm ich ihn früher, zumal schwan, lorbeer, laube alles Horazianische ausdrücke über sich sind. Aber dann wär er zweimal da. Und leider beide mal als odendichter.
Hyacinth u. Narcisse? Gerlach und die Sibylle Schwarz? Ich kenn diese frauenzimmer des 17. jhrhs. ja wenig d. h. deutsch gesagt: nicht. Die Hoyer? Über den Susannenmann habe ich mich schon früher besonnen. Ob es nicht einer der vielen Frank oder Franke heissenden ist? Schweigen wir die dunkle gesellschaft tot!
Das Tempelschema hab ich mir seinerzeit auch gemacht, um aus dem bandwurm klug zu werden. Das einzelne begreif ich nun wol, aber das ganze ist doch nur simmelsammelsurium, wie das entdeckte vorbild.
Sie erwarten für sich nichts von der Wiener erledigung? warum nicht? Und ich deutscher soll mir etwas erwarten dürfen? Seien Sie versichert, ich erwarte mir gar nichts. Im winter les und schreib ich noch, im sommer geh ich ins kloster, will sagen in den schullehrerdienst. darüber red ich nicht gerne, es verdirbt mir die laune.
Zur aufbesserung erinnere ich mich daran, dass Sie hierher kommen; das bleibt fest und wird ein fest. Sollte ich etwa doch, nach Giessen zur philologenversammlung gehen, so wird es sich wol richten lassen, dass wir uns sehen. Es muss sich richten lassen. Wissen Sie übrigens sicher, dass in Ansbach Uziana sind? ich hörte einmal von dort: nein!
Zum schlusse und nur deswegen zum schlusse weil ich noch keine zeit fand sie durchzusehen, besten dank für die reiche auswahl an ausschnitten.
Gute wünsche und grüsse von Ihrem
Seuffert.

Würzburg 28 7 85 abends
Herzogeng. 5.

Lieber freund,

Es war mir sehr empfindlich, mich nicht nach Ihrem wolsein erkundigen zu dürfen: ich fürchtete jede, nur darauf gerichtete frage des freundes könnte als versteckte mahnung des redakteurs misdeutet werden und solcher misdeutung wollte ich mich durchaus nicht aussetzen.
Nun bin ich froh ex silentio – Sie schrieben keine zeile über Ihr befinden – und aus dem abschluss der mühseligen arbeit – Sie haben sichs schwer gemacht, wie ich dankbarst anerkenne – schliessen zu dürfen, dass Sie geheilt sind und nur zur besseren stärkung ins bad gehen.
Leider kann ich Ihnen da nicht die volle ruhe gönnen, die man eigentlich auf dem strande haben soll: es müsste denn sein, dass Sie mir die korrektur der bogen nach Ihrem ms. anvertrauen wollten, wozu ich natürlich bereit bin. Zunächst habe ich Ihrer weisung entsprechend auftrag gegeben, Ihnen die korrekturen nach Sylt zu senden. Und zwar gleich dahin. Denn Ihren wunsch, noch in Graz einen bogen zu erhalten, konnte ich nicht erfüllbar machen. heute erst ging mir die aufforderung, auf dem zollamte Ihre sendung zu holen, zu. Sie ging mit der Abendpost nach Heilbronn weiter, kommt da am 29. abends an, läuft nach Leipzig – 30. und wenn wirklich die druckerei (was noch nie geschah) augenblicklich beginnt, ist, bis der erste bogen gesetzt, umgebrochen, korrigiert und versandt ist, der 5 august da: also kommt er gerade recht nach Sylt, um Ihnen dort den willkomm zu bieten.
Ich habe den verlegern geschrieben, es müsse eilig gehen, glaube dass sie selbst eilen wollen, und habe Ihnen auch ans herz gelegt, Ihnen eine postanweisung zu schicken. Obs geschieht, weiss ich nicht: in dieser beziehung hab ich die herren noch nicht geprobt.
Nach Ihren beiden karten war ich sehr gespannt auf das innere und äussere der einleitung. Ein- mal ward ich befriedigt und einmal enttäuscht. Ich lebte der selbstgefälligen einbildung, den Pyra recht nahe beguckt und ihm recht scharf ins auge gesehen zu haben; aber Sie schauen ihn noch gründlicher an und Ihre ergebnisse, so weit ich sie bei einer kai! kai!-lesung erfasste, sind sehr reich. Also darin war meine erwartung sehr befriedigt. Enttäuscht über die verheissene grause schrift. Wenn Sie nicht schlechter schreiben können und an Ihren entwürfen nicht mehr ändern müssen, beneide ich Sie.
Die drei verhüllten autores kenn ich nicht: der Tyberschwan ist genau so beschrieben, wie nur Horaz beschrieben sein kann und dafür nahm ich ihn früher, zumal schwan, lorbeer, laube alles Horazianische ausdrücke über sich sind. Aber dann wär er zweimal da. Und leider beide mal als odendichter.
Hyacinth u. Narcisse? Gerlach und die Sibylle Schwarz? Ich kenn diese frauenzimmer des 17. jhrhs. ja wenig d. h. deutsch gesagt: nicht. Die Hoyer? Über den Susannenmann habe ich mich schon früher besonnen. Ob es nicht einer der vielen Frank oder Franke heissenden ist? Schweigen wir die dunkle gesellschaft tot!
Das Tempelschema hab ich mir seinerzeit auch gemacht, um aus dem bandwurm klug zu werden. Das einzelne begreif ich nun wol, aber das ganze ist doch nur simmelsammelsurium, wie das entdeckte vorbild.
Sie erwarten für sich nichts von der Wiener erledigung? warum nicht? Und ich deutscher soll mir etwas erwarten dürfen? Seien Sie versichert, ich erwarte mir gar nichts. Im winter les und schreib ich noch, im sommer geh ich ins kloster, will sagen in den schullehrerdienst. darüber red ich nicht gerne, es verdirbt mir die laune.
Zur aufbesserung erinnere ich mich daran, dass Sie hierher kommen; das bleibt fest und wird ein fest. Sollte ich etwa doch, nach Giessen zur philologenversammlung gehen, so wird es sich wol richten lassen, dass wir uns sehen. Es muss sich richten lassen. Wissen Sie übrigens sicher, dass in Ansbach Uziana sind? ich hörte einmal von dort: nein!
Zum schlusse und nur deswegen zum schlusse weil ich noch keine zeit fand sie durchzusehen, besten dank für die reiche auswahl an ausschnitten.
Gute wünsche und grüsse von Ihrem
Seuffert.

Briefdaten

Schreibort: Würzburg
Empfangsort: Graz
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 4 Seite(n)

Status

Rohtranskription, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8320. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8320/methods/sdef:TEI/get

Lizenzhinweis

Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

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