Würzburg 11.IV 86
Lieber freund
In der erwartung Ihrer ernennung stöberte ich heute österreichische zeitungen durch und fand sie richtig proklamiert. Nehmen Sie meinen ehrlichen glückwunsch dazu. Sie gehen nicht gerne, aber es wäre doch schlimmer gewesen, wenn Sie so hätten bleiben müssen und ein anderer nach Prag gekommen wäre. Mögen Sie gut eingewöhnen und angenehmes leben in und ausser dem hörsaale finden.
Ihre neuerlichen verheissungen über Schönbachs gesinnung gegen mich tun mir ‚sanfte‘; aber, aber, ich fürchte das ministerium, wenn wirklich in Graz die jetzige meinung sich in tat umsetzt. Wie erbärmlich mirs wieder in Baiern gegangen ist, schrieb ich auf der karte, die mit Ihrem briefe kreuzte. Wie vor 2 jahren verweigerte der landtag meine professur und der minister ist dagegen bei uns machtlos. Diesmal war die weigerung um so schroffer als die reichsratskammer das veto der zweiten kammer reparierte, dann aber die 2. Kammer abermals ihr nein widerholte. Warum, fragen Sie. Angeblich, weil solche stellen nur an den grössten universitäten zulässig seien[.] Ueberdies sei die behandlung der neueren litteratur zumeist nichts als heroenkult und dafür professuren zu errichten, sei nicht begründet! Ich wette, wär ich ultra- montan wie unsere abgeordnetenmehrheit, so wäre mein extraordinariat schon vor zwei und mehr jahren unentbehrlich gewesen. Ich habe in diesen monaten des hin- und herverhandelns furchtbar gelitten.
Für die ablieferung der wolbehalten angelangten bücher und für Ihren brief sage ich besten dank. Ich freue mich dass Ihnen die sorge um die mutter genommen ist (mir ist sie auch genommen, aber wie anders!!), freue mich dass Ihnen Ihr Grillparzer nun als fixstern am produktionshimmel steht. Mög er Ihnen leichter werden als mir mein Wieland, für den ich immer noch sammle, sammle, sammle. (Jetzt gerade kopierte ich Alxingerbriefe an ihn.)
Dass Sie auf Hamann für die DLD weisen, dank ich Ihnen auch und will sehen, was sich tun lässt. Die hauptschwierigkeit wird sein, einen passenden herausgeber zu finden. Wer mag viel gelehrsamkeit auf den wunderling verwenden und doch braucht man so viel, um dies konglomerat von kopf zu zerlegen. Wer Hamann liebevoll behandelt, ist mehr schwärmer als forscher, wer ihn nüchtern untersucht, verliert die liebe zu ihm; so glaub ich. Vielleicht wächst sich Ihr zuhörer gut aus oder findet sich ein anderer geeigneter mann.
Jetzt hab ich eine kolossale einleitung zu Meyers kleinen schriften vor mir, die die beziehung zwischen Goethe und M. neu prüft. In 14 tagen will der herausgeber das heft druckbereit machen.
Mit Ihrem Uz dräng ich nicht gerne, weil die übersiedlung Ihnen versprechungen schwer macht. Wenn Sie aber im juli und august text und einleitung abschliessen können, wär es ein segen für mich.
Von Fresenius’ Wieland ging noch nichts in die druckerei. Die übernahme der DLZ scheint ihn ganz in anspruch zu nehmen. Auch mit anderer mitarbeiter zusagen ging bisher alles krumm und ich bin ausser möglichkeit zuverlässige berechnungen anzustellen.
Leben Sie wol! Nochmals glück auf!
Ihr
Seuffert
Würzburg 11.IV 86
Lieber freund
In der erwartung Ihrer ernennung stöberte ich heute österreichische zeitungen durch und fand sie richtig proklamiert. Nehmen Sie meinen ehrlichen glückwunsch dazu. Sie gehen nicht gerne, aber es wäre doch schlimmer gewesen, wenn Sie so hätten bleiben müssen und ein anderer nach Prag gekommen wäre. Mögen Sie gut eingewöhnen und angenehmes leben in und ausser dem hörsaale finden.
Ihre neuerlichen verheissungen über Schönbachs gesinnung gegen mich tun mir ‚sanfte‘; aber, aber, ich fürchte das ministerium, wenn wirklich in Graz die jetzige meinung sich in tat umsetzt. Wie erbärmlich mirs wieder in Baiern gegangen ist, schrieb ich auf der karte, die mit Ihrem briefe kreuzte. Wie vor 2 jahren verweigerte der landtag meine professur und der minister ist dagegen bei uns machtlos. Diesmal war die weigerung um so schroffer als die reichsratskammer das veto der zweiten kammer reparierte, dann aber die 2. Kammer abermals ihr nein widerholte. Warum, fragen Sie. Angeblich, weil solche stellen nur an den grössten universitäten zulässig seien[.] Ueberdies sei die behandlung der neueren litteratur zumeist nichts als heroenkult und dafür professuren zu errichten, sei nicht begründet! Ich wette, wär ich ultra- montan wie unsere abgeordnetenmehrheit, so wäre mein extraordinariat schon vor zwei und mehr jahren unentbehrlich gewesen. Ich habe in diesen monaten des hin- und herverhandelns furchtbar gelitten.
Für die ablieferung der wolbehalten angelangten bücher und für Ihren brief sage ich besten dank. Ich freue mich dass Ihnen die sorge um die mutter genommen ist (mir ist sie auch genommen, aber wie anders!!), freue mich dass Ihnen Ihr Grillparzer nun als fixstern am produktionshimmel steht. Mög er Ihnen leichter werden als mir mein Wieland, für den ich immer noch sammle, sammle, sammle. (Jetzt gerade kopierte ich Alxingerbriefe an ihn.)
Dass Sie auf Hamann für die DLD weisen, dank ich Ihnen auch und will sehen, was sich tun lässt. Die hauptschwierigkeit wird sein, einen passenden herausgeber zu finden. Wer mag viel gelehrsamkeit auf den wunderling verwenden und doch braucht man so viel, um dies konglomerat von kopf zu zerlegen. Wer Hamann liebevoll behandelt, ist mehr schwärmer als forscher, wer ihn nüchtern untersucht, verliert die liebe zu ihm; so glaub ich. Vielleicht wächst sich Ihr zuhörer gut aus oder findet sich ein anderer geeigneter mann.
Jetzt hab ich eine kolossale einleitung zu Meyers kleinen schriften vor mir, die die beziehung zwischen Goethe und M. neu prüft. In 14 tagen will der herausgeber das heft druckbereit machen.
Mit Ihrem Uz dräng ich nicht gerne, weil die übersiedlung Ihnen versprechungen schwer macht. Wenn Sie aber im juli und august text und einleitung abschliessen können, wär es ein segen für mich.
Von Fresenius’ Wieland ging noch nichts in die druckerei. Die übernahme der DLZ scheint ihn ganz in anspruch zu nehmen. Auch mit anderer mitarbeiter zusagen ging bisher alles krumm und ich bin ausser möglichkeit zuverlässige berechnungen anzustellen.
Leben Sie wol! Nochmals glück auf!
Ihr
Seuffert
Schreibort: Würzburg
Empfangsort: Graz
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 4 Seite(n)
Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt
ZitiervorschlagBrief ID-8351 [Druckausgabe Nr. 60]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8351/methods/sdef:TEI/get
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