Lieber freund, Dank für Ihren Voss und brief und karte. Heine war schon unterwegs an Sie, da Sie ihn ablehnten. Wenn Sie ihn mir zurück schicken, hab ich eine passende verwendung für das ex. Böhlau ist über die mö – – – Ich wurde unterbrochen, der anfang blieb liegen, die post bringt den Heine; ich danke dafür; dass Ihnen die idee gefällt macht mich sehr zufrieden; ich habe bedenken gehabt, als ich sie erfand: harte philol. können sagen: dies hat nie als B. d. ll. existiert. Auch Elster nahm anfangs anstoss, als ich ihn für meinen plan zu gewinnen suchte, befreundete sich aber dann damit. Die vorr. ist unter starkem drängen geschrieben; Elster hatte mich sitzen lassen, z. tl. freilich ohne schuld. So ist sie zu lang geraten und etwas quatschig. Auch stimm ich nicht mit allem überein, hätte lieber nur das herausgehoben gehabt, was diese fassung anders macht als spätere, u. dessen ist unglaublich viel, woraus sich der junge H. poetischer zeigt als der alte. Aber ich kann die vorreden nicht so schreiben lassen, wie ich sie für recht halte, wobei noch gar nicht gesagt wäre, dass es so recht wäre. Der fall drückt mich nun schwer, wenn ich an zs.-beiträge denke. Wie oft werd ich da meine meinung verleugnen müssen oder um eines guten wortes willen viel mässige ertragen; und das aller schlimmste, gelegentlich doch auch nur um der person willen!! Es gibt für den unabhängigen und schroffsten redacteur grenzen. U. ich fürchte mich sehr vor diesen. – – Böhlau ist, um auf das angefangene zurückzukommen, über die möglichkeit, der jahresbericht werde zu gross u. zu belastend für die Vjs., ängstlich geworden; u. so werden zunächst keine regelmässigen berichte u. nicht umfassende erscheinen, bis die neue zs. auf festen füssen steht. Aber wir wollen einstweilen langsam anfangen und muster von kurzen, lebendigen, geschmackvoll zusammenfassenden berichten geben und Sie sollen ja das jahr 1888 sich zusammenstellen u. sobald sichs lohnt los schiessen. Über die äußere u. innere art schreib ich ihnen einmal mehr; heute nur noch, dass Sie alle bücher gratis bekommen, welche die verleger gratis als rec.ex. abgeben, und 40 m. honorar pro bogen bericht.
Das 1. hft. soll anfangs märz heraus; ich fürchte es wird anfang april werden. Doch brauch ich vorher ms., um übersicht zu haben. Also müssen Sie was wählen, das bald fertig sein kann. Haben Sie denn keinen entwurf, keine reichlichen notizen für den verlornen Raimund? Oder Grillparzers Ahnfrau: fragen Sie doch Konegen direkt, ob er ein 1. heft bald bringen will. Warum sollen Sie die studien noch länger ablagern lassen? Vor Cotta brauchen Sie gewiss keine scheu zu haben: steht in Ihrem kontrakte, dass Sie nichts über Grillparzer drucken lassen dürfen? wenn das nicht drin steht, haben Sie freiheit, jedes kapitel Ihrer biographie da u. dort zu publicieren, nur dürfen Sie eben nirgends eine ganze biogr. veröffentlichen. Das ist also kein anstoss. Bis mitte januar bitte ich um ms. U. ausser dem österreichischen, an dem mir wegen des ministeriums, wie neulich schon gesagt, liegt u. das ich von Ihnen am liebsten hätte, weil Sie den grösten ! plan dazu u. wol am längsten hegen (während die andern an reichsdeutsche themata gebunden sind) schicken Sie jedesfalls die Lessingsche Faustquelle als abhandlung? und was sie sonst an neuem zu Schmidts buch notierten als miscellen.
Dass Sie den Elpenoraufsatz mit Demetrius in verbindung bringen, überrascht mich ungemein. Ich habe bis zu Ihrer bemerkung keinen moment an Demetrius gedacht. Ich habe überhaupt an gar keine parallele gedacht und suchte mich recht eigentlich auf das fragment zu beschränken. So möchte ich wol auch einmal an den Göchhausenschen Faust herantreten. Nur ist es da schwerer, sich aller einfälle zu enthalten, welche der vervollständigte Faust gibt u. wol auch kaum erlaubt. An die Schweizer reise hab ich noch nicht gedacht. Aber ich möchte die schülerscene (u. dann wol auch den keller) nach Leipzig setzen. Mich dünkt der pedantische Meph. so schal, dass er nur als persönliche karikatur (Clodius??) wirken kann, also im kreise der Leipziger zechbrüder. Für Strassburg ist so fuchsenmässige erfahrung undenkbar, obwohl das ausschliessliche besprechen der medicin eher dahin als nach Lpz. passt. Vielleicht verbrenne ich mir den mund einmal mit solchen hypothesen. Mehr noch aber reizt mich die verquickung der nachtscene u. Wald u. höhle: da ist ein angelpunkt, da war etwas einfacher, was später gespalten wurde; und das einfache möchte ich zu ende denken können; aber es klappt noch nicht in meinem hirn.
Bartsch ist ein lump. Ich habe seine totenschau leider gelesen. Zarncke begräbt in der Nibelgenvorr. die streitaxt u. reibt sich im Ctrbl. doch an Scherer.
Ihre empfindung für Schönbach ist mir so wol erklärlich, dass auch ich nicht nur mit kritik an seine ‚nebenstunden‘ herantrete; mir ist leid, seinen enthusiasmus zu stören; mir ist aber eben so leid, dass er sich solche blössen gibt – denn dafür halt ich die vorlesungen –; und aus diesem dilemma kam ich nicht hinaus, hab ihn geschont, mehr als mein gewissen erlaubt, ihm einwürfe gemacht, mehr als seine liebhaberei vertrug. Schliesslich kam es doch zu keinem ernsten kampfe, u. wir sind gute freunde, die sich nur etwas genauer kennen lernten: der eine hält den andern für zu beschränkt, der andere den einen für zu schweifend. Treulich Ihr BSfft.

Lieber freund, Dank für Ihren Voss und brief und karte. Heine war schon unterwegs an Sie, da Sie ihn ablehnten. Wenn Sie ihn mir zurück schicken, hab ich eine passende verwendung für das ex. Böhlau ist über die mö – – – Ich wurde unterbrochen, der anfang blieb liegen, die post bringt den Heine; ich danke dafür; dass Ihnen die idee gefällt macht mich sehr zufrieden; ich habe bedenken gehabt, als ich sie erfand: harte philol. können sagen: dies hat nie als B. d. ll. existiert. Auch Elster nahm anfangs anstoss, als ich ihn für meinen plan zu gewinnen suchte, befreundete sich aber dann damit. Die vorr. ist unter starkem drängen geschrieben; Elster hatte mich sitzen lassen, z. tl. freilich ohne schuld. So ist sie zu lang geraten und etwas quatschig. Auch stimm ich nicht mit allem überein, hätte lieber nur das herausgehoben gehabt, was diese fassung anders macht als spätere, u. dessen ist unglaublich viel, woraus sich der junge H. poetischer zeigt als der alte. Aber ich kann die vorreden nicht so schreiben lassen, wie ich sie für recht halte, wobei noch gar nicht gesagt wäre, dass es so recht wäre. Der fall drückt mich nun schwer, wenn ich an zs.-beiträge denke. Wie oft werd ich da meine meinung verleugnen müssen oder um eines guten wortes willen viel mässige ertragen; und das aller schlimmste, gelegentlich doch auch nur um der person willen!! Es gibt für den unabhängigen und schroffsten redacteur grenzen. U. ich fürchte mich sehr vor diesen. – – Böhlau ist, um auf das angefangene zurückzukommen, über die möglichkeit, der jahresbericht werde zu gross u. zu belastend für die Vjs., ängstlich geworden; u. so werden zunächst keine regelmässigen berichte u. nicht umfassende erscheinen, bis die neue zs. auf festen füssen steht. Aber wir wollen einstweilen langsam anfangen und muster von kurzen, lebendigen, geschmackvoll zusammenfassenden berichten geben und Sie sollen ja das jahr 1888 sich zusammenstellen u. sobald sichs lohnt los schiessen. Über die äußere u. innere art schreib ich ihnen einmal mehr; heute nur noch, dass Sie alle bücher gratis bekommen, welche die verleger gratis als rec.ex. abgeben, und 40 m. honorar pro bogen bericht.
Das 1. hft. soll anfangs märz heraus; ich fürchte es wird anfang april werden. Doch brauch ich vorher ms., um übersicht zu haben. Also müssen Sie was wählen, das bald fertig sein kann. Haben Sie denn keinen entwurf, keine reichlichen notizen für den verlornen Raimund? Oder Grillparzers Ahnfrau: fragen Sie doch Konegen direkt, ob er ein 1. heft bald bringen will. Warum sollen Sie die studien noch länger ablagern lassen? Vor Cotta brauchen Sie gewiss keine scheu zu haben: steht in Ihrem kontrakte, dass Sie nichts über Grillparzer drucken lassen dürfen? wenn das nicht drin steht, haben Sie freiheit, jedes kapitel Ihrer biographie da u. dort zu publicieren, nur dürfen Sie eben nirgends eine ganze biogr. veröffentlichen. Das ist also kein anstoss. Bis mitte januar bitte ich um ms. U. ausser dem österreichischen, an dem mir wegen des ministeriums, wie neulich schon gesagt, liegt u. das ich von Ihnen am liebsten hätte, weil Sie den grösten ! plan dazu u. wol am längsten hegen (während die andern an reichsdeutsche themata gebunden sind) schicken Sie jedesfalls die Lessingsche Faustquelle als abhandlung? und was sie sonst an neuem zu Schmidts buch notierten als miscellen.
Dass Sie den Elpenoraufsatz mit Demetrius in verbindung bringen, überrascht mich ungemein. Ich habe bis zu Ihrer bemerkung keinen moment an Demetrius gedacht. Ich habe überhaupt an gar keine parallele gedacht und suchte mich recht eigentlich auf das fragment zu beschränken. So möchte ich wol auch einmal an den Göchhausenschen Faust herantreten. Nur ist es da schwerer, sich aller einfälle zu enthalten, welche der vervollständigte Faust gibt u. wol auch kaum erlaubt. An die Schweizer reise hab ich noch nicht gedacht. Aber ich möchte die schülerscene (u. dann wol auch den keller) nach Leipzig setzen. Mich dünkt der pedantische Meph. so schal, dass er nur als persönliche karikatur (Clodius??) wirken kann, also im kreise der Leipziger zechbrüder. Für Strassburg ist so fuchsenmässige erfahrung undenkbar, obwohl das ausschliessliche besprechen der medicin eher dahin als nach Lpz. passt. Vielleicht verbrenne ich mir den mund einmal mit solchen hypothesen. Mehr noch aber reizt mich die verquickung der nachtscene u. Wald u. höhle: da ist ein angelpunkt, da war etwas einfacher, was später gespalten wurde; und das einfache möchte ich zu ende denken können; aber es klappt noch nicht in meinem hirn.
Bartsch ist ein lump. Ich habe seine totenschau leider gelesen. Zarncke begräbt in der Nibelgenvorr. die streitaxt u. reibt sich im Ctrbl. doch an Scherer.
Ihre empfindung für Schönbach ist mir so wol erklärlich, dass auch ich nicht nur mit kritik an seine ‚nebenstunden‘ herantrete; mir ist leid, seinen enthusiasmus zu stören; mir ist aber eben so leid, dass er sich solche blössen gibt – denn dafür halt ich die vorlesungen –; und aus diesem dilemma kam ich nicht hinaus, hab ihn geschont, mehr als mein gewissen erlaubt, ihm einwürfe gemacht, mehr als seine liebhaberei vertrug. Schliesslich kam es doch zu keinem ernsten kampfe, u. wir sind gute freunde, die sich nur etwas genauer kennen lernten: der eine hält den andern für zu beschränkt, der andere den einen für zu schweifend. Treulich Ihr BSfft.

Briefdaten

Schreibort:
Empfangsort: Prag
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 2 Seite(n)

Status

Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8398 [Druckausgabe Nr. 80]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8398/methods/sdef:TEI/get

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