Prag Weinberge
Hawlitschekgasse 62.
Lieber Freund! Ich möchte Sie in der Angelegenheit Fellner um Rat fragen, weil er sich mir gegenüber auf Äußerungen berufen hat, die Sie gegen ihn u. Dr. Hauffen gemacht haben.
Er will nemlich in Tübingen promoviren u. glaubt dies in seiner Abwesenheit thun zu können, wenn er privatim die Herren von seiner Gerichtsaffaire verständigt. Ich soll an Fischer (den ich allerdings kenne) empfehlend schreiben. Nun bin ich in den deutschen Doctoratsgepflogenheiten gänzlich unwisse[n]d, will mich doch den Tübinger Herren gegenüber nicht so blamiren. Bevor ich also an Fischer schreibe frage ich Sie, ob Sie Fellners Plan für durchführbar halten (auch im gegenwärtigen Momente? oder später?) und ob Sie eine priv[at]e Einmischung meiner Person anraten können. Politisch würde ich mich dabei doch nicht compromittiren, [w]ie bei einer öffentlichen Besprechung, von der Schönbach abrieth, die ich aber ohnedies für litterarisch unanständig gehalten habe.
Ob Sie das Buch für gut finden etc, das ist eine andere Frage, deren Beantwortung mich freilich auch interessirte; eine Schülerarbeit im engeren [Si]nne ist sie nicht; ich konnte nur verhüten und bessern, nicht von Grund auf bauen.
Eilig beantworte ich auch Ihre Karte vom 9. Geblers Minister haben Sie nachträglich von mir bekommen. Sie brauchen daneben eine erste Aufl.; das Stück ist ganz umgearbeitet.
Kelle wird unterschreiben u. versprach neuerdings aus s. „fertigen“ Lit. gesch. des 14/15 Jh. etwas für Ihre Ztschrft loszulösen. (Doch wol erst im Herbst od Winter; denn er steckt bis zum Hals im Notker.)
Über meinen Hausgenosen könnte ich nur das rühmlichste melden. Er ist einer der gebildetsten, feinsten u. tiefsten Menschen, die ich je kennen gelernt habe; das Ideal eines Forschers eines Lehrers, eines Gatten, eines Freundes. Ich will nicht hoffen, daß ich bei diesem Urtheile durch seine Frau bestochen bin, die ihm allerdings ebenbürtig zur Seite steht. Ich bin glücklich über die Nachbarschaft, so wenig ich von ihr bis jetzt auch gehabt habe. Frau Scherer war zwei Tage hier, besuchte mich auch u. war unendlich lieb. Sie können denken, weiter auf S. 1 wie wir nur von dem Unersetzlichen sprachen; er war uns wie gegenwärtig. Treulichst Ihr AS.
Prag Weinberge
Hawlitschekgasse 62.
Lieber Freund! Ich möchte Sie in der Angelegenheit Fellner um Rat fragen, weil er sich mir gegenüber auf Äußerungen berufen hat, die Sie gegen ihn u. Dr. Hauffen gemacht haben.
Er will nemlich in Tübingen promoviren u. glaubt dies in seiner Abwesenheit thun zu können, wenn er privatim die Herren von seiner Gerichtsaffaire verständigt. Ich soll an Fischer (den ich allerdings kenne) empfehlend schreiben. Nun bin ich in den deutschen Doctoratsgepflogenheiten gänzlich unwisse[n]d, will mich doch den Tübinger Herren gegenüber nicht so blamiren. Bevor ich also an Fischer schreibe frage ich Sie, ob Sie Fellners Plan für durchführbar halten (auch im gegenwärtigen Momente? oder später?) und ob Sie eine priv[at]e Einmischung meiner Person anraten können. Politisch würde ich mich dabei doch nicht compromittiren, [w]ie bei einer öffentlichen Besprechung, von der Schönbach abrieth, die ich aber ohnedies für litterarisch unanständig gehalten habe.
Ob Sie das Buch für gut finden etc, das ist eine andere Frage, deren Beantwortung mich freilich auch interessirte; eine Schülerarbeit im engeren [Si]nne ist sie nicht; ich konnte nur verhüten und bessern, nicht von Grund auf bauen.
Eilig beantworte ich auch Ihre Karte vom 9. Geblers Minister haben Sie nachträglich von mir bekommen. Sie brauchen daneben eine erste Aufl.; das Stück ist ganz umgearbeitet.
Kelle wird unterschreiben u. versprach neuerdings aus s. „fertigen“ Lit. gesch. des 14/15 Jh. etwas für Ihre Ztschrft loszulösen. (Doch wol erst im Herbst od Winter; denn er steckt bis zum Hals im Notker.)
Über meinen Hausgenosen könnte ich nur das rühmlichste melden. Er ist einer der gebildetsten, feinsten u. tiefsten Menschen, die ich je kennen gelernt habe; das Ideal eines Forschers eines Lehrers, eines Gatten, eines Freundes. Ich will nicht hoffen, daß ich bei diesem Urtheile durch seine Frau bestochen bin, die ihm allerdings ebenbürtig zur Seite steht. Ich bin glücklich über die Nachbarschaft, so wenig ich von ihr bis jetzt auch gehabt habe. Frau Scherer war zwei Tage hier, besuchte mich auch u. war unendlich lieb. Sie können denken, weiter auf S. 1 wie wir nur von dem Unersetzlichen sprachen; er war uns wie gegenwärtig. Treulichst Ihr AS.
Schreibort: Prag
Empfangsort: Graz
Archiv: Österreichische Nationalbibliothek
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand, allerdings kleinräumige Textverluste durch nachträgliche Lochung
Signatur:
Autogr. 422/1-123
Umfang: 4 Seite(n)
Rohtranskription, Text teilweise getaggt
ZitiervorschlagBrief ID-8431. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8431/methods/sdef:TEI/get
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