Faksimile fehlt.

Graz 5 VIII 88.

Lieber freund
Schüddekopf hat von Kürschner keine antwort wegen der Götzpapiere erhalten, ich habe lust mich um diesen nachlass nicht zu kümmern u. eine sammlung zerstreuter Götzianer durch Sch. besorgen zu lassen. Wer weiss, ob wir je den Kürschnerschen besitz verwerten können! Dazu schreibt mir Sch., er wisse aus hsl. briefen des Götz dass der Versuch eines Wormsers nur gedichte (7) enthalte, die auch im Anakreon 1748 stehen, aber korrekter dort; „jene würden also für Sauers neudruck zu benutzen sein.“
Und nun zu Ihrem briefe. Vor allem beglückwünsche ich Sie zum ordinariusvorschlag. U. ich sehe gar nicht ein, warum Sie das nicht bald erreichen sollen, was Minor und Waldberg erreicht haben. Sie hätten also alle ursache vergnüglich u. ferienhaft gelaunt zu sein, wenn ich nicht von Schönbach erfahren hätte, dass Sie sich unwol fühlten. Ich hoffe, das ging rasch vorüber.
Für meinen Fellnerbrief an Strauch zu danken, haben Sie keinen anlass: ich tat das gern. Wenn nur Ihr eintreten ihm nützt! Er hat mir einen teil seiner eingaben u. briefe nach Tbgen. vorgelesen u. das war sehr gut; denn ich musste dem heissporn allerlei zu streichen raten.
Ihr verdruss über den Götz v. B. ist mir sehr verständlich. Ich weiss, was ich mit bd. 7 Noten zum Divan durchmachte u. durchmache. Der krit. apparat ist bis auf vielleicht 6 stellen interesselos. Ich habe das werk erst auf interpunktion durchgearbeitet u. habe mir eine ziemlich genaue statistik davon gemacht, auch sicheres über die absichten C’s gegen E in einigem herausgebracht. Nur ein teil der rel.-sätze u. compar-sätze blieb dunkel willkürlich u. die interpktion vor und. Sie können sich das vergnügen die hunderte von rel-sätzen zu zählen, zu sichten, so u. so auf mögliche gesetze zu prüfen, vorstellen. Aber mir schien das überhaupt not, denn die neuausgabe machte es sich damit bisher zu bequem. U. für das 1. prosawerk erst recht not; denn hier kommt nur das oratorische neben der logik in betracht, die interpunktionsverhältnisse sind also kontrolierbarer als bei poetischen werken, wo alle möglichen finessen gesucht werden können, wie ich glaube ohne viel recht gesucht werden. Ich habe über meine funde u. ihre lücken ein promemoria im archiv niedergelegt, das so viel ich höre bearbeitern von prosabänden mitgeteilt werden soll. Für meinen bd. habe ich tapfer drauf los normalisiert. Worin übrigens auch Burdach consentiente me redactore für seine Divangedichte mehr tat als die andern herausgeber: ich habe nur wegen einiger seiner rhythmischen abklärungen bedenken. Schmidt ist für das heilige C, sogar im typographischen; ich meine, er sucht zu viel überlegung in C. Auch haben Sie ja recht, dass an seinem bd. 14 nicht alles schön ist: zu solcher arbeit ist er nicht erzogen, nicht gewöhnt, nicht geduldig. Es war das auch nicht Scherers sache. U. es ist nicht zweifelhaft, dass es schneller u. müheloser geht, wenn man nicht normalisiert. Übrigens hat Schmidt bei der 1. serie viel gelernt. Jüngst haben wir über kürzung der apparate korrespondiert. Ich habe für bd. 7 alles verzeichnet ausser in sich sinnlose druckfehler. Die orthographien natürlich durch: so immer, so oft u. dgl. gekürzt. Ich verkannte nie, dass damit für die ausgabe viel unnützer ballast geschleppt wurde. Aber ich halte in solchen dingen jede subjektive auswahl für bedenklich – u. objektiv lassen sich die grenzen nicht scheiden; Düntzer hält z. b. erstaunlich viel für puren druckfehler, was ich für die richtige, ja einzige mögliche lesung halte – und ich meine, dass für die entwicklung unserer syntax (worüber wir noch gar nichts wissen) die geschichte der interpunktion ein, wenn auch kein immer fester stützpunkt sei; dass ferner auch die geschichte unserer orthographie doch für die lautlehre nicht ganz wertlos sei: die junggrammatiker haben ja schon manches damit gemacht. U. für dies könnte nur ein vollständiger apparatus vorarbeiten. Schmidt aber ist für entlastung der ausgabe u. ich begreife, dass es ein gesichtspunkt ist, in einer Goetheausg. nur das für Goethe wesentliche zu tun. Burdach steht auf einem standpunkt, den ich für ganz wertlos gewählt halte, obwol ihn jeder richtige Goethefex teilen wird: er nimmt es mit den drucken im app. nicht genau, verzeichnet aber jede schreibung Goethes. Nun ist nichts zufälliger als diese; sie hat für das individuum Goethe keine bedeutung u. für die geschichte der orthogr. u. interpunktion keine, oder doch in beidem betracht nur sehr wenige. Was gedruckt ward repräsentiert viel mehr Goethes schreibung wie er für die welt sie wollte u. repräsentiert jedesfalls den für die geschichte zweifellos wichtigeren gebrauch der druckereien. Das hat man fürs 16. jhrh. schon eingesehen, fürs 18. muss es auch zur geltung kommen.
Ich habe, weil ich auf gleichförmigkeit der ausgabe halte die freilich doch verschieden genug wird u. weil ich als mitarbeiter mich füge wo es irgend geht, meinen apparat auf ¼ etwa zusammen gestrichen, orthographien fast ganz beseitigt, von interpunktion aber beispiele aller art gegeben. Das letztere dient mir auch zur illustration der eigenart der drucke u. bes. der Göttlingschen recensio. Ich habe auch für nützlich erachtet sogar druckfehlerproben zu geben: sie beweisen, wie viel oder wenig sorgfalt aufgewendet ward u. dienen so zur einschätzung des druckes; nur so gewinne ich die basis, ob ich den druck für vollkommen halten soll oder daran gelegentlich ändern darf. U. die benützer sollen das mir nicht glauben, sondern einiges prägnante material selbst prüfen können.
Ich schreibe Ihnen das aus anlass des ‚subjektiven‘ apparatmachers Loeper – Ihre ansicht, man solle seinen bd. 1 einstampfen, hat Suphan schriftlich von mir seit erscheinen des bdes. –, schreibe es um Ihre ansicht zu hören u. weil es Ihnen für Ihre ausgabe vielleicht etwas dienen kann. Ich vermute, dass Sie wie andere, von Suphan keine oder falsche fingerzeige erhalten, woraus Ihnen wie anderen doppelte arbeit erwachsen kann. Ist doch das was für die herausgeber gedruckt ist dürftig, ungenügend und – irrig. So mache ich Sie als freund, denn als redactor hab ich glücklicher weise* mich nicht einzumengen, aufmerksam auf die Grundsätzeforderung einer vollständigen geschichte des betr. werkes. Dass sie Loeper für die gedichte nicht gab, hat seinen ersichtlichen grund. Im Faust konnte sie zur not u. mit mühe gegeben werden u. ward nicht gegeben. Burdach hat sie für seinen Divan eingereicht; er hat die Tagebücher in der hs. dazu ausgenützt u. nun über 40 ss. seines mscpts. damit gefüllt: dazu ist nach meiner u. Suphans ansicht die ausgabe nicht da, so vortrefflich gewiss die arbeit ist. Ich habe zuvor von Suph. auszüge aus den tagebüchern für bd. 7 erbeten u. er versprach sie. Nun zieht er das versprechen zurück u. ich habe nichts dagegen, beantrage nur, dass überhaupt keine geschichte des werkes, nur des textes, mehr gegeben werden soll. In meinem mscpt zu bd. 7, das da eben gesetzt wird, steht ein kleiner rest: ich habe frei gestellt, ob man ihn nicht tilgen wolle. Bedenklich war mir ja nur, dass die späteren herausgeber die dann gedruckten tagebücher ausnützen werden u. dass also wider ungleichheit um sich greift, wenn ich die Tagebb. nicht ausnütze.
Auch ich fühle mich unsicher, u. fürchte im krit. apparat etwas zu übersehen. Wie suchen Sie sich möglichst zu schützen? Wie oft kollationieren Sie? Man wird dabei stumpfsinnig u. die verschiednen lettern (bei mir gar antiqua u. fraktur) greifen die augen an.
Was Sie von Ihrem redactor zu erwarten haben, weiss ich nicht. Genau nimmt ers kaum. Ich bitte Sie seinen geschraubten stilum nicht übel zu nehmen, er kann das witzeln nicht lassen u. ist überhaupt ohne geschickte hand in geschäftsführung. Ich schreibe das natürlich vertraut, u. ich bitte Sie um nachsicht, nicht weil ich ihn in schutz zu nehmen mich berufen fühlte, sondern weil die sache leidet, wenn man ihn ganz ernst nimmt. Ich glaube übrigens dass mit keinem redactor so schwer auskommen ist wie mit mir, wenn ich mir auch einbilde, dass der betr. herausgeber in zweifeln eine stütze an mir hat.
Wie gefällt ihnen das 2. heft VJS.? Böhlau hat des raschen abschlusses wegen – während seiner abwesenheit bummelte die druckerei – die 1 ½ ss. leer gelassen, obwol ich ihm zum füllen rechtzeitig überflüssig viel kleine stückchen zugewiesen hatte. Ich ärgere mich über diese dummheit.
Schleswigsche Littbrfe 1 u. 2 sammlg. sind im neudruck fertig gesetzt, die fortsetzung kommt im winter. Moritz Ueber die bildende nachhmung ist in angriff genommen. Dann wird sofort Julius v Tarent nach der hs. u. mit apparat gesetzt. Werners Ulandrecensionen sind reich; aber ich glaube noch immer nicht an seine physiologie der lyrik. Im wintersemester traktiere ich mit den seminaristen AW Schlegels poetik im 1. bde seiner Berliner vorlesung u. freue mich darauf. Hab ich Ihnen schon gestanden, dass mich Scherer ganz enttäuscht hat? Nun will ich an Viehoff gehen.
Unser Schönbach hat auf der fahrt nach ????? einen zusammenstoss glücklich überstanden. Ich bleibe fest hier sitzen u. arbeite so lang ich kann. Ich fühle mich übrigens heute recht matt. Meine frau grüsst Sie bestens; das kind macht sorge u. plage und reines glück, wenn es sein heiteres gesicht lachend zeigt. Die Zwiedineckin ist ihm wie eine andere mutter u. wir kennen sie erst recht, seit die Gertraud da ist. Sie hat es lange verstanden ihre brave menschheit hinter kokette gesellschaftsformen zu verstecken. Die Bäuerin erwartet nun auch ein kindlein u. ist mit Adolf dem Traum sehr glücklich darob. Sie sind neben Gurlitts unsere besten. Schade dass sich frau Mela u. frau Mary nicht mehr verstehen. Mit Gurlitt ists eine not: er bleibt nicht über seinem buche u. seine sonst so liebe frau tut alles ihn am arbeiten zu hindern. Haberlandt sieht nun dem dritten erben entgegen: hoffentlich wird’s ein ordinariatskind. Die neue clique Graff, Richter, Skraup macht mit ihren frauen eine gebirgstour. Richter wird dekan: es war eine grosse sorge. Überhaupt fühle ich mich den fakultätssitzungen gegenüber ungemein unbehaglich u. bedaure jede minute die ich da versitzen muss.
Der Prager rechtshistoriker ist wol noch nicht ernannt? Behalten wir Gautsch?? Die Kuhnaffäre war der reine skandal; er benahm sich wie Boulanger.
Kommen Sie nicht zum plaudern hieher?
Treulich
Ihr
Sfft.

6 VIII am 10. jahrestage meiner verlobung. Suphan schreibt: Burdach werde seine geschichte des Divan auf die hälfte kürzen. Also kommen doch die tagebb.-auszüge! Heute so, morgen so.
Hauffen habe ich auf seinen wunsch Ihre Gebler gesandt.

*Denn ich bin der 1 ½ jj. Goethe grundsatt u. möchte etwas ruhe davon haben. Es wird ja so noch genug collegialgutachten wirtschaft an mich kommen.


Goethe-Sachen: hier und im Fokgenden!

Faksimile fehlt.

Graz 5 VIII 88.

Lieber freund
Schüddekopf hat von Kürschner keine antwort wegen der Götzpapiere erhalten, ich habe lust mich um diesen nachlass nicht zu kümmern u. eine sammlung zerstreuter Götzianer durch Sch. besorgen zu lassen. Wer weiss, ob wir je den Kürschnerschen besitz verwerten können! Dazu schreibt mir Sch., er wisse aus hsl. briefen des Götz dass der Versuch eines Wormsers nur gedichte (7) enthalte, die auch im Anakreon 1748 stehen, aber korrekter dort; „jene würden also für Sauers neudruck zu benutzen sein.“
Und nun zu Ihrem briefe. Vor allem beglückwünsche ich Sie zum ordinariusvorschlag. U. ich sehe gar nicht ein, warum Sie das nicht bald erreichen sollen, was Minor und Waldberg erreicht haben. Sie hätten also alle ursache vergnüglich u. ferienhaft gelaunt zu sein, wenn ich nicht von Schönbach erfahren hätte, dass Sie sich unwol fühlten. Ich hoffe, das ging rasch vorüber.
Für meinen Fellnerbrief an Strauch zu danken, haben Sie keinen anlass: ich tat das gern. Wenn nur Ihr eintreten ihm nützt! Er hat mir einen teil seiner eingaben u. briefe nach Tbgen. vorgelesen u. das war sehr gut; denn ich musste dem heissporn allerlei zu streichen raten.
Ihr verdruss über den Götz v. B. ist mir sehr verständlich. Ich weiss, was ich mit bd. 7 Noten zum Divan durchmachte u. durchmache. Der krit. apparat ist bis auf vielleicht 6 stellen interesselos. Ich habe das werk erst auf interpunktion durchgearbeitet u. habe mir eine ziemlich genaue statistik davon gemacht, auch sicheres über die absichten C’s gegen E in einigem herausgebracht. Nur ein teil der rel.-sätze u. compar-sätze blieb dunkel willkürlich u. die interpktion vor und. Sie können sich das vergnügen die hunderte von rel-sätzen zu zählen, zu sichten, so u. so auf mögliche gesetze zu prüfen, vorstellen. Aber mir schien das überhaupt not, denn die neuausgabe machte es sich damit bisher zu bequem. U. für das 1. prosawerk erst recht not; denn hier kommt nur das oratorische neben der logik in betracht, die interpunktionsverhältnisse sind also kontrolierbarer als bei poetischen werken, wo alle möglichen finessen gesucht werden können, wie ich glaube ohne viel recht gesucht werden. Ich habe über meine funde u. ihre lücken ein promemoria im archiv niedergelegt, das so viel ich höre bearbeitern von prosabänden mitgeteilt werden soll. Für meinen bd. habe ich tapfer drauf los normalisiert. Worin übrigens auch Burdach consentiente me redactore für seine Divangedichte mehr tat als die andern herausgeber: ich habe nur wegen einiger seiner rhythmischen abklärungen bedenken. Schmidt ist für das heilige C, sogar im typographischen; ich meine, er sucht zu viel überlegung in C. Auch haben Sie ja recht, dass an seinem bd. 14 nicht alles schön ist: zu solcher arbeit ist er nicht erzogen, nicht gewöhnt, nicht geduldig. Es war das auch nicht Scherers sache. U. es ist nicht zweifelhaft, dass es schneller u. müheloser geht, wenn man nicht normalisiert. Übrigens hat Schmidt bei der 1. serie viel gelernt. Jüngst haben wir über kürzung der apparate korrespondiert. Ich habe für bd. 7 alles verzeichnet ausser in sich sinnlose druckfehler. Die orthographien natürlich durch: so immer, so oft u. dgl. gekürzt. Ich verkannte nie, dass damit für die ausgabe viel unnützer ballast geschleppt wurde. Aber ich halte in solchen dingen jede subjektive auswahl für bedenklich – u. objektiv lassen sich die grenzen nicht scheiden; Düntzer hält z. b. erstaunlich viel für puren druckfehler, was ich für die richtige, ja einzige mögliche lesung halte – und ich meine, dass für die entwicklung unserer syntax (worüber wir noch gar nichts wissen) die geschichte der interpunktion ein, wenn auch kein immer fester stützpunkt sei; dass ferner auch die geschichte unserer orthographie doch für die lautlehre nicht ganz wertlos sei: die junggrammatiker haben ja schon manches damit gemacht. U. für dies könnte nur ein vollständiger apparatus vorarbeiten. Schmidt aber ist für entlastung der ausgabe u. ich begreife, dass es ein gesichtspunkt ist, in einer Goetheausg. nur das für Goethe wesentliche zu tun. Burdach steht auf einem standpunkt, den ich für ganz wertlos gewählt halte, obwol ihn jeder richtige Goethefex teilen wird: er nimmt es mit den drucken im app. nicht genau, verzeichnet aber jede schreibung Goethes. Nun ist nichts zufälliger als diese; sie hat für das individuum Goethe keine bedeutung u. für die geschichte der orthogr. u. interpunktion keine, oder doch in beidem betracht nur sehr wenige. Was gedruckt ward repräsentiert viel mehr Goethes schreibung wie er für die welt sie wollte u. repräsentiert jedesfalls den für die geschichte zweifellos wichtigeren gebrauch der druckereien. Das hat man fürs 16. jhrh. schon eingesehen, fürs 18. muss es auch zur geltung kommen.
Ich habe, weil ich auf gleichförmigkeit der ausgabe halte die freilich doch verschieden genug wird u. weil ich als mitarbeiter mich füge wo es irgend geht, meinen apparat auf ¼ etwa zusammen gestrichen, orthographien fast ganz beseitigt, von interpunktion aber beispiele aller art gegeben. Das letztere dient mir auch zur illustration der eigenart der drucke u. bes. der Göttlingschen recensio. Ich habe auch für nützlich erachtet sogar druckfehlerproben zu geben: sie beweisen, wie viel oder wenig sorgfalt aufgewendet ward u. dienen so zur einschätzung des druckes; nur so gewinne ich die basis, ob ich den druck für vollkommen halten soll oder daran gelegentlich ändern darf. U. die benützer sollen das mir nicht glauben, sondern einiges prägnante material selbst prüfen können.
Ich schreibe Ihnen das aus anlass des ‚subjektiven‘ apparatmachers Loeper – Ihre ansicht, man solle seinen bd. 1 einstampfen, hat Suphan schriftlich von mir seit erscheinen des bdes. –, schreibe es um Ihre ansicht zu hören u. weil es Ihnen für Ihre ausgabe vielleicht etwas dienen kann. Ich vermute, dass Sie wie andere, von Suphan keine oder falsche fingerzeige erhalten, woraus Ihnen wie anderen doppelte arbeit erwachsen kann. Ist doch das was für die herausgeber gedruckt ist dürftig, ungenügend und – irrig. So mache ich Sie als freund, denn als redactor hab ich glücklicher weise* mich nicht einzumengen, aufmerksam auf die Grundsätzeforderung einer vollständigen geschichte des betr. werkes. Dass sie Loeper für die gedichte nicht gab, hat seinen ersichtlichen grund. Im Faust konnte sie zur not u. mit mühe gegeben werden u. ward nicht gegeben. Burdach hat sie für seinen Divan eingereicht; er hat die Tagebücher in der hs. dazu ausgenützt u. nun über 40 ss. seines mscpts. damit gefüllt: dazu ist nach meiner u. Suphans ansicht die ausgabe nicht da, so vortrefflich gewiss die arbeit ist. Ich habe zuvor von Suph. auszüge aus den tagebüchern für bd. 7 erbeten u. er versprach sie. Nun zieht er das versprechen zurück u. ich habe nichts dagegen, beantrage nur, dass überhaupt keine geschichte des werkes, nur des textes, mehr gegeben werden soll. In meinem mscpt zu bd. 7, das da eben gesetzt wird, steht ein kleiner rest: ich habe frei gestellt, ob man ihn nicht tilgen wolle. Bedenklich war mir ja nur, dass die späteren herausgeber die dann gedruckten tagebücher ausnützen werden u. dass also wider ungleichheit um sich greift, wenn ich die Tagebb. nicht ausnütze.
Auch ich fühle mich unsicher, u. fürchte im krit. apparat etwas zu übersehen. Wie suchen Sie sich möglichst zu schützen? Wie oft kollationieren Sie? Man wird dabei stumpfsinnig u. die verschiednen lettern (bei mir gar antiqua u. fraktur) greifen die augen an.
Was Sie von Ihrem redactor zu erwarten haben, weiss ich nicht. Genau nimmt ers kaum. Ich bitte Sie seinen geschraubten stilum nicht übel zu nehmen, er kann das witzeln nicht lassen u. ist überhaupt ohne geschickte hand in geschäftsführung. Ich schreibe das natürlich vertraut, u. ich bitte Sie um nachsicht, nicht weil ich ihn in schutz zu nehmen mich berufen fühlte, sondern weil die sache leidet, wenn man ihn ganz ernst nimmt. Ich glaube übrigens dass mit keinem redactor so schwer auskommen ist wie mit mir, wenn ich mir auch einbilde, dass der betr. herausgeber in zweifeln eine stütze an mir hat.
Wie gefällt ihnen das 2. heft VJS.? Böhlau hat des raschen abschlusses wegen – während seiner abwesenheit bummelte die druckerei – die 1 ½ ss. leer gelassen, obwol ich ihm zum füllen rechtzeitig überflüssig viel kleine stückchen zugewiesen hatte. Ich ärgere mich über diese dummheit.
Schleswigsche Littbrfe 1 u. 2 sammlg. sind im neudruck fertig gesetzt, die fortsetzung kommt im winter. Moritz Ueber die bildende nachhmung ist in angriff genommen. Dann wird sofort Julius v Tarent nach der hs. u. mit apparat gesetzt. Werners Ulandrecensionen sind reich; aber ich glaube noch immer nicht an seine physiologie der lyrik. Im wintersemester traktiere ich mit den seminaristen AW Schlegels poetik im 1. bde seiner Berliner vorlesung u. freue mich darauf. Hab ich Ihnen schon gestanden, dass mich Scherer ganz enttäuscht hat? Nun will ich an Viehoff gehen.
Unser Schönbach hat auf der fahrt nach ????? einen zusammenstoss glücklich überstanden. Ich bleibe fest hier sitzen u. arbeite so lang ich kann. Ich fühle mich übrigens heute recht matt. Meine frau grüsst Sie bestens; das kind macht sorge u. plage und reines glück, wenn es sein heiteres gesicht lachend zeigt. Die Zwiedineckin ist ihm wie eine andere mutter u. wir kennen sie erst recht, seit die Gertraud da ist. Sie hat es lange verstanden ihre brave menschheit hinter kokette gesellschaftsformen zu verstecken. Die Bäuerin erwartet nun auch ein kindlein u. ist mit Adolf dem Traum sehr glücklich darob. Sie sind neben Gurlitts unsere besten. Schade dass sich frau Mela u. frau Mary nicht mehr verstehen. Mit Gurlitt ists eine not: er bleibt nicht über seinem buche u. seine sonst so liebe frau tut alles ihn am arbeiten zu hindern. Haberlandt sieht nun dem dritten erben entgegen: hoffentlich wird’s ein ordinariatskind. Die neue clique Graff, Richter, Skraup macht mit ihren frauen eine gebirgstour. Richter wird dekan: es war eine grosse sorge. Überhaupt fühle ich mich den fakultätssitzungen gegenüber ungemein unbehaglich u. bedaure jede minute die ich da versitzen muss.
Der Prager rechtshistoriker ist wol noch nicht ernannt? Behalten wir Gautsch?? Die Kuhnaffäre war der reine skandal; er benahm sich wie Boulanger.
Kommen Sie nicht zum plaudern hieher?
Treulich
Ihr
Sfft.

6 VIII am 10. jahrestage meiner verlobung. Suphan schreibt: Burdach werde seine geschichte des Divan auf die hälfte kürzen. Also kommen doch die tagebb.-auszüge! Heute so, morgen so.
Hauffen habe ich auf seinen wunsch Ihre Gebler gesandt.

*Denn ich bin der 1 ½ jj. Goethe grundsatt u. möchte etwas ruhe davon haben. Es wird ja so noch genug collegialgutachten wirtschaft an mich kommen.


Goethe-Sachen: hier und im Fokgenden!

Briefdaten

Schreibort: Graz
Empfangsort: Prag
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 6 Seite(n)

Status

Rohtranskription, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8435. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8435/methods/sdef:TEI/get

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