Graz 26 VIII 88
Lieber freund
Mög Ihnen die unfreiwillige ruhe gut bekommen! Sie sollten mehr ausspannen auf Ihre arbeit hin. Ich spüre selbst, wie nötig das ist. Aber ich bin mit einer kleinen ! behaftet, und da hilft alles nötigsein nichts. Manchmal meine ich, es geht nicht mehr weiter. Aber es muss eben gehen.
Mit Götz halten wirs wie Sie sagen. Wir lassen Schüddekopf voran gehen, Ihren Götz später folgen. Zuvor möchte ich doch gerne Ihren Uz. Ich dächte zu weihnachten oder januar, wenn es Ihnen passt, jedenfalls 1889.
Und nun zum andern ‚Götz‘. Wenn Sie Zu den grundsätzen f. d. Weimarische Goetheausgabe s. 4 oben ansehen, so finden Sie, dass alle urkundlich gesicherten Data der hsl. u. gedruckten textquellen des Götz vor dem apparat von Ihnen zu bezeichnen sind. Darnach müssten Sie für alle redaktionen alle betr. briefstellen etc. Goethes u. anderer sammeln. Aber dieser unglücks§ ist gestrichen, d. h. Zu den grundsätzen s. 4 ist getilgt u. der alte §. 13 restituiert; einzig das was zur geschichte des textes, nicht des werkes wichtig ist soll überdies über §. 13 hinaus verzeichnet werden. Beispielsweise hiefür: der abschnitt Israel i. d. wüste in den Divan-Noten u. -abhdlgen ruht auf einem im G-Archiv erhaltnen mscpt., das nicht datiert ist, aber zweifellos das ist, wovon Goethe-Schillers brfw. 1797 spricht; also auf diesen brfw. u. die tagebb. soll verwiesen werden. U. dgl. Doch allzeit ohne ausführliche entwickelung der ‚geschichte‘.
Vorarbeiten – ich gehe Ihren brief antwortend durch – hätten freilich der sache genützt. Aber ich habe, als ich gelegentlich lange vor meinem eintritt ins collegium anlass hatte ein bischen mitzuraten, nur beantragt die orthographischen u. interpunktionsgrundsätze von C auszuarbeiten; auch das war zu viel, es geschah nichts.
Jetzt haben wir nach flüchtigen stichproben vor u. während der ersten serie allerlei* entschieden u. hängen doch in der luft. Für eine reihe von dingen zu bd. 7 habe ich mir erst aa. beispiele gesucht; zumeist mit hilfe des Grimmschen WB, das freilich die taschenausgabe citiert, worauf man erst C nachsuchen muss. Übrigens ist Wahle recht aufmerksam, d. h. er passt auf u. weiss gelegentlich parallelstellen, war auch gegen mich immer gefällig. Fragen Sie ihn also: er muss als generalkorrektor antworten oder besser, adressieren Sie aussen: ans Goethearchiv, innen an die Generalkorrektur. Denn ich habe von Suphan einmal einen rüffel bekommen, da ich Wahle gen-korr. nannte, u. eine antwort, gezeichnet: die generalkorrektur. Seitdem wende ich mich an diese ‚behörde‘. (Die sache liegt so: da wir der brauchbarkeit Wahles nicht sicher waren, wurde bei meinem rücktritt ihm die arbeit unter Suphans aufsicht und quasiverantwortlichkeit zugeteilt. Suphan wacht eifrig darüber, dass man nichts von seiner mühewaltung vergisst, obwol er doch so ziemlich alles auf Wahle abwälzen soll! dicitur nicht debet)
Betreffs der vererbung unechter lesarten bis in C stehe ich im allgemeinen auf dem standpunkt (den ich auch im collegium eifrig vertrat), dass eine verschlimmerung des textes, die von einer echt Goetheschen ausgabe adaptiert wird, auch als authentisch zu gelten hat. Ich habe unter stillem zustimmen widerholt den satz verteidigt: wir dürfen Goethe nicht besser machen als er war, nehme deshalb auch offenbare fehler in sachen (falsche jahreszahlen) in die Sophienausgabe auf, so fern sie in allen echten ausgaben stehen. Mein bd. 7 hat ein paar beispiele dafür. Einen Ihrer lage gleichen fall hat bd. 7 nicht, da keine unechte ausgabe dazwischen liegt. Aber ähnlich sind versehen von C1, die in C übergingen. Da habe ich mir denn einige mal, aber nicht immer, erlaubt, auf E zurückzugreifen, und zwar lediglich nach subjektivem ermessen, ob eine absichtliche oder nicht gewollte veränderung vorliegt. Ob man das richtige dabei trifft, ist allerdings fraglich. Im ganzen muss man C möglichst konservativ behandeln, sonst geht alles aus dem fugen nach meinen erfahrungen an bd. 1.6.7.14. Ich würde also bei dem will will-fall aus Weisslingens monolog akt 1 bei C bleiben, obwol die lesart auf einen nachdruck zurückgeht; Goethe hat sie sanktioniert. Diese meinung ist nicht nur theoretisch gegründet. Sie haben gewiss so gut wie ich erfahren, dass manchmal ein setzerirrtum einem etwas nahe legt, was einem besser behagt als was man selbst geschrieben hat; folg ich dem setzer, so ist meine lesart auch strenge genommen unecht, aber ich mache sie authentisch durch meine aufnahme. Goethe freilich wird in den seltensten fällen solche überlegung angestellt haben, er war nicht so pünktlich wie – nach jetziger meinung – z. b. Wieland war. Aber war er nachlässig, warum sollen wir ihn ‚besser machen als er ist‘? Und gar in der interpunktion. Ich glaube, Goethe hatte dafür niemals grundsätze, vielleicht sogar niemals einen gebrauch. Gerade dafür lässt er Göttling freie hand und hat gewiss der druckerei-usance freie hand gelassen. Hat ihnen freie hand gelassen, obwol sie seine so viel ich weiss sehr spärliche interpunktion überreichlich mehrten. Auch hier hat er stillschweigend sanktioniert. Auch hier ist C gesetz (von dem man überhaupt pricipiell nur in den starken genetivformen ! abweichen darf, die Göttling anfangs u. auch noch als Goethes protest ihm vorlag, in den text einführte). Nur glaub ich, dass man hier Göttling nachhelfen darf u. muss. So lange wir darüber nicht reichlichere beobachtungen haben als die Burdachs zu bd. 6 (und die kenne ich nur allgemein; mein antrag bei Suphan, meine bitte bei Burdach, er möge seine beobachtungen hierüber detailliert zu den akten der ausgabe geben, hat bis jetzt keine erhörung gefunden) und meine zu bd. 7, wird jeder herausgeber neue statistik seines bandes machen müssen und zwar so, dass er beobachtet, wie Göttling sich zu C1 und zu dem nächstvorhergehenden drucke stellt: da wird man gesetze finden, was er ändern wollte, und diese gesetze führte ich – mit abweichungen zu gunsten von sinnes- und deklamationspausen (alte rhetorische kommatisierung) – durch. Es hat dies verfahren von bd. zu bd. natürlich ungleichheiten im gefolge. Das ist aber nicht ganz schlimm: denn so retten wir einen teil der jeweils bodenständigen interpunktion in die neue ausgabe herüber. Die historische interpunktion, d. h. die der früheren ausgaben berücksichtige ich nicht principiell, ausser wo sie eine sinnesänderung veranlasste u. die ältere interpunktion zweifellos den sinn richtiger traf.
Loeper u. Schmidt verfahren anders. Jener hat grossen respekt vor der historischen interpunktion, wenn ich bei dem erklärten ausdruck beharre; Schmidt schwört auf C auch wo es nachlässig ist; Wahle hat mich darüber bei bd. 15 befragt, ich habe normalisieren geraten, u. so viel ich weiss, besorgt das nun Wahle bei der generalkorrektur. auf eine differenz der normalisierenden parteien will ich speciell aufmerksam machen: 2 attributive adjectiva sind in der 1. serie nie durch komma getrennt, ausser wo dasselbe adjektiv doppelt steht, wenigstens in der theorie. Burdach hat das adoptiert. Ich in bd. 7 nicht, weil da das – allerdings nicht streng durchgeführte – bestreben herrscht, adjektive die das gleiche verhältnis zum subst. haben durch kommata zu trennen, nur die ohne , zu lassen, die ein verschieden nahes verhältnis zum subst. haben. Ich verhehle mir nicht, dass dabei spitzfindigkeiten mit unterlaufen, aber das ist nun so. Änderungen des (der) texte(s) in solchen fällen habe ich im apparat angemerkt. Auch sonst interpunktionsproben gegeben. Burdach merkt jede an im einverständnis mit Schmidt (der an meiner stelle als redactor des apparates von bd. 6 eintrat) u. zwar weil ‚in diesem fall wie kaum sonst die entwicklung von g zu E zu C in fester lückenloser kette gegeben werden könne‘. Ich fürchte Schmidt täuscht sich mit diesem entschuldigungsgrund seines abweichens von §. 16 der Grundsätze (wo in ‚Orthographie‘ interpktion eingeschlossen ist) und Zu den grundsätzen s. 7 oben; der fall wird nicht so vereinzelt stehen. Aber er ist ein guter redaktor, besonders gegen Burdach. Wenn Werner dasselbe täte, wie würde er fluchen! Ich entschuldige ihn nur damit, dass wir endlich mit Burdachs eigenwillen uns abfinden müssen, ein ende not tut. Ich habe mich nicht dazu hergegeben, die unnützen abweichungen von der uniform der ausgabe mit meinem redactornamen zu decken; Schmidt kann sich erlauben, dies und noch mehr mit seinem namen und seiner stellung zuzudecken.
In Ihrem falle würde ich doch die für E charakteristische interpunktion verzeichnen, und dabei natürlich wie lange E fortlebt; von den neubildungen der interpktion zwischen E und C aber höchstens charakteristische beispiele geben; es lässt sich das ja allerdings nur vor welcher, daß u dgl. präcisieren, aber man darf auch sagen: ‚weh!] weh, in ähnlichen Fällen öfters so‘ und die sache ist abgemacht. Eigentlich müsste man ja, wie Sie, sagen: entweder vollständig oder das wenigste; aber ich habe doch einen mittelweg eingeschlagen, weil mich dünkte, dass auch die interpunktion zur charakteristik des wertes des betr. druckes beitrage. Ich leugne nicht, dass das der standpunkt des philol. liebhabers ist, der wissen will, was jeder text wert ist. U. ich glaube, dass Ihnen Ihr redaktor nichts mehr dankt, als wenn Sie recht kürzen.
Sie haben ein richtiges gefühl, dass von Suphan etwas schwer verlangen ist. Er ist gleich mit seinem väterlichen ‚wozu das‘ bei der hand. Wäre ich nicht so hartnäckig, so hätte er mir z. b. das korr.-exempl. zu bd. 7 nicht geschickt u. doch ist dies, dessen benützung er ganz überflüssig fand, der einzige wertvolle teil meines apparates. Oder er schickt mir eine abschrift aus dem archiv, ich verlange angabe, wo die ss. beginnen u. schliessen: darüber wundert er sich höllisch. U. doch hätte ich ohne das die fragmente nicht ordnen können. Also wenn Sie ihn ungeschoren lassen, ists ihm am liebsten; er ist ein freund der ruhe und vor seiner philologischen genauigkeit hab ich leider wenig respekt; es ist ein kindischer scherz einem der über ein paar interpunktionen der hs. rat erholte vorzurechnen: kostet das komma der ausgabe 15 ₰ porto oder dgl. Ich sag Ihnen das, um Sie vorzubereiten, damit Sie sich dann nicht ärgern. Müsste ich so wenig rücksicht auf Suphan haben wie Sie, so schriebe ich allzeit curialiter ans Goethearchiv kurz u. bündig und liesse mich auf gar keine auseinandersetzungen ein. Man schreibt mir: ‚mit Suphan ist geschäftlich nicht zu verkehren.‘
Zu auskünften über archivalia ist Suphan quod partem editionis editori verpflichtet: ‚bei geringem material‘ §. 21 der Grundsätze kann auch hieher bezogen werden. Tagebücherexcerpte hat er bisher machen lassen, von nun an nicht mehr: ich hab für diese weigerung eine bedauerungswendung ad acta gegeben, aber seit die ‚geschichte des werkes‘ aufgegeben ist, wird das nicht nötig sein. Überhaupt aber stützen Sie sich auf §. 21 der Grundsätze: auch die theaterzettel gehören zu den unentbehrlichen einzeldrucken. Schreiben Sie einfach: ich bitte mir zuzustellen ... die ich zum abschluss meines bdes. bedarf. punctum.
Passt Ihnen eine vorschrift der Grundsätze oder Ihres redaktors nicht, so verfassen Sie einen grossquartbrief oder gar folioakt an das redaktionscollegium der Weim. G-ausgabe, zu handen des redaktors des bd. x und setzen Ihre schmerzen aus einander, so dass mit ja u. nein drauf zu stimmen ist. Es kommt aber selten was gescheutes dabei heraus. Suphan hat 2 stimmen, seine u. HGrimms; Loeper hängt im luftzug. Aber liegt Ihnen wirklich etwas ernstes an einer sache, über die Sie sich mit Ihrem redaktor nicht einigen können, so scheuen Sie sich nicht zweimal ans collegium zu gehen, wenn es auch zuerst gegen Sie entschieden hat; Burdach und Schmidt hat ! auf diese weise die majorität immer mürbe gemacht. Der herausgeber muss nur sagen: ich bestehe darauf.
Der kern meiner interpunktionsuntersuchungen ist:
Komma steht vor u. nach daßsätzen, vor u. nach kondit.-sätzen mit oder ohne konjunktion, indirekten fragesätzen, causalsätzen, absichtssätzen damit u. um, temporalsätzen. Relat-sätzen mit welcher, mit praep. vor relat. (welcher oder der), u. wenn das relat. (welcher wo oder der) von seinem bezugswort getrennt ist1), wenn das relat. sich auf einen ganzen satz bezieht, wenn der rel.satz eine koord. oder subord.periode ist2). Ausnahmen 1): Das .... was ..., alles ... was .., nichts .... was .., diejenigen ... die ..., u. dgl. wo das anfangskomma fehlen kann, aber immer schlusskomma steht (während ich sonst jedes anfangskomma ein schlusskomma nach sich ziehen liess). 2) wenn die relat.periode an ein das vorhergehende zusammenfassendes isoliertes wort anknüpft; also z. b. x + x + x, alles eigenschaften die man braucht, um .... Rel.sätze mit der was wo wozu udgl., in denen das rel. hart am bezugswort steht können komma haben oder nicht; dafür fand ich kein gesetz. Objekt- u. subjektrel.sätze können komma haben oder nicht, die statistik gibt kein gesetz (anders Burdach).
Kein komma vor infinitivsätzen (ohne um).
Vor und ist das komma oratorisch. Subjektwechsel ist kein kriterium. Appositionen mit komma.
Adverbiale erweiterungen oratorisch, unkontrolierbar. Hier soll gespart werden.
Kompar. verhältnisse, sowol attributivisch als periodisch, sind willkürlich behandelt. – –
Was mir Burdach mitteilte lege ich bei u. bitte es zurück.
Burdachs apparat, an dem gesetzt wird, erhalte ich nicht in korr-bogen da ich die redaktion niederlegte, den text allein kann ich Ihnen in korr.bogen schicken, wird Ihnen aber nichts nützen.
Meinen apparat in korr.bogen sollen Sie erhalten, so bald ich ihn entbehren kann für die revision, die in den nächsten tagen geschehen wird, wenn die gen-korrektur prompter arbeitet als bisher.
_______
DLD betr. Phöbus ist zu überlegen. Auch Prometheus. Gg. Jacobi möchte ich längst gerne. Aber wer machts? Canitz: auf die Berliner nehme ich keine rücksicht, aber ich weiss nicht, ob er notwendig ist. Waldberg will mir Rosts Vorspiel machen. Ich denke an Trillers Aesthetik in einer nuss?? Wüsste ich jemand verlässigen, so liesse ich den Nötigen vorrat neudrucken: aber die einleitung müsste rectificieren. Was meinen Sie zu der idee?
Gurlitt schreibt ein buch oder büchlein. Bauer ist fleissig am Calvaryschen jahresbericht. Nicht Schönbach, sondern Hörmann hat Waltharireste entdeckt. Rödiger ist unklug seine produktionslosigkeit durch neue redaktion zu decken (aber ic[h klo]pfe mich an der eignen nase.) Ehlermann hat mir Wieland übertragen u. ich habe zugesagt. Dass er kein honorar [kund tut is]t mir fatal; ich habe mich geweigert, eines zu fordern. I[ch habe ih]m gesagt, dass Wieland mindestens doppelt so gross wird. Natürlich müssen alle einzeldrucke aus zss. hinein. Schlecht bezahlen lass ich mich nicht.
Leben Sie wol. Es ist genug des geschmieres. Wenn es Ihnen nur ein bischen dienen könnte.
Treulich
Ihr
BSfft.
NB: haupths. heisst H ohne exponent. Dann folgen chronologisch die andern mit exponent 1 bis 1000. Wollen Sie eine andere sigle für hs. als H, so bedürfen Sie erlaubnis des gesammtcollegiums. Haben Sie anstände, so kann ich Ihnen vielleicht nützen, wenn Sie mich vor offiziellen schritten beim collegium darüber unterrichten.
* auch falsches z. b. Seinesgleichen , neben dem wir jetzt auch seines Gleichen zulassen müssen.
Graz 26 VIII 88
Lieber freund
Mög Ihnen die unfreiwillige ruhe gut bekommen! Sie sollten mehr ausspannen auf Ihre arbeit hin. Ich spüre selbst, wie nötig das ist. Aber ich bin mit einer kleinen ! behaftet, und da hilft alles nötigsein nichts. Manchmal meine ich, es geht nicht mehr weiter. Aber es muss eben gehen.
Mit Götz halten wirs wie Sie sagen. Wir lassen Schüddekopf voran gehen, Ihren Götz später folgen. Zuvor möchte ich doch gerne Ihren Uz. Ich dächte zu weihnachten oder januar, wenn es Ihnen passt, jedenfalls 1889.
Und nun zum andern ‚Götz‘. Wenn Sie Zu den grundsätzen f. d. Weimarische Goetheausgabe s. 4 oben ansehen, so finden Sie, dass alle urkundlich gesicherten Data der hsl. u. gedruckten textquellen des Götz vor dem apparat von Ihnen zu bezeichnen sind. Darnach müssten Sie für alle redaktionen alle betr. briefstellen etc. Goethes u. anderer sammeln. Aber dieser unglücks§ ist gestrichen, d. h. Zu den grundsätzen s. 4 ist getilgt u. der alte §. 13 restituiert; einzig das was zur geschichte des textes, nicht des werkes wichtig ist soll überdies über §. 13 hinaus verzeichnet werden. Beispielsweise hiefür: der abschnitt Israel i. d. wüste in den Divan-Noten u. -abhdlgen ruht auf einem im G-Archiv erhaltnen mscpt., das nicht datiert ist, aber zweifellos das ist, wovon Goethe-Schillers brfw. 1797 spricht; also auf diesen brfw. u. die tagebb. soll verwiesen werden. U. dgl. Doch allzeit ohne ausführliche entwickelung der ‚geschichte‘.
Vorarbeiten – ich gehe Ihren brief antwortend durch – hätten freilich der sache genützt. Aber ich habe, als ich gelegentlich lange vor meinem eintritt ins collegium anlass hatte ein bischen mitzuraten, nur beantragt die orthographischen u. interpunktionsgrundsätze von C auszuarbeiten; auch das war zu viel, es geschah nichts.
Jetzt haben wir nach flüchtigen stichproben vor u. während der ersten serie allerlei* entschieden u. hängen doch in der luft. Für eine reihe von dingen zu bd. 7 habe ich mir erst aa. beispiele gesucht; zumeist mit hilfe des Grimmschen WB, das freilich die taschenausgabe citiert, worauf man erst C nachsuchen muss. Übrigens ist Wahle recht aufmerksam, d. h. er passt auf u. weiss gelegentlich parallelstellen, war auch gegen mich immer gefällig. Fragen Sie ihn also: er muss als generalkorrektor antworten oder besser, adressieren Sie aussen: ans Goethearchiv, innen an die Generalkorrektur. Denn ich habe von Suphan einmal einen rüffel bekommen, da ich Wahle gen-korr. nannte, u. eine antwort, gezeichnet: die generalkorrektur. Seitdem wende ich mich an diese ‚behörde‘. (Die sache liegt so: da wir der brauchbarkeit Wahles nicht sicher waren, wurde bei meinem rücktritt ihm die arbeit unter Suphans aufsicht und quasiverantwortlichkeit zugeteilt. Suphan wacht eifrig darüber, dass man nichts von seiner mühewaltung vergisst, obwol er doch so ziemlich alles auf Wahle abwälzen soll! dicitur nicht debet)
Betreffs der vererbung unechter lesarten bis in C stehe ich im allgemeinen auf dem standpunkt (den ich auch im collegium eifrig vertrat), dass eine verschlimmerung des textes, die von einer echt Goetheschen ausgabe adaptiert wird, auch als authentisch zu gelten hat. Ich habe unter stillem zustimmen widerholt den satz verteidigt: wir dürfen Goethe nicht besser machen als er war, nehme deshalb auch offenbare fehler in sachen (falsche jahreszahlen) in die Sophienausgabe auf, so fern sie in allen echten ausgaben stehen. Mein bd. 7 hat ein paar beispiele dafür. Einen Ihrer lage gleichen fall hat bd. 7 nicht, da keine unechte ausgabe dazwischen liegt. Aber ähnlich sind versehen von C1, die in C übergingen. Da habe ich mir denn einige mal, aber nicht immer, erlaubt, auf E zurückzugreifen, und zwar lediglich nach subjektivem ermessen, ob eine absichtliche oder nicht gewollte veränderung vorliegt. Ob man das richtige dabei trifft, ist allerdings fraglich. Im ganzen muss man C möglichst konservativ behandeln, sonst geht alles aus dem fugen nach meinen erfahrungen an bd. 1.6.7.14. Ich würde also bei dem will will-fall aus Weisslingens monolog akt 1 bei C bleiben, obwol die lesart auf einen nachdruck zurückgeht; Goethe hat sie sanktioniert. Diese meinung ist nicht nur theoretisch gegründet. Sie haben gewiss so gut wie ich erfahren, dass manchmal ein setzerirrtum einem etwas nahe legt, was einem besser behagt als was man selbst geschrieben hat; folg ich dem setzer, so ist meine lesart auch strenge genommen unecht, aber ich mache sie authentisch durch meine aufnahme. Goethe freilich wird in den seltensten fällen solche überlegung angestellt haben, er war nicht so pünktlich wie – nach jetziger meinung – z. b. Wieland war. Aber war er nachlässig, warum sollen wir ihn ‚besser machen als er ist‘? Und gar in der interpunktion. Ich glaube, Goethe hatte dafür niemals grundsätze, vielleicht sogar niemals einen gebrauch. Gerade dafür lässt er Göttling freie hand und hat gewiss der druckerei-usance freie hand gelassen. Hat ihnen freie hand gelassen, obwol sie seine so viel ich weiss sehr spärliche interpunktion überreichlich mehrten. Auch hier hat er stillschweigend sanktioniert. Auch hier ist C gesetz (von dem man überhaupt pricipiell nur in den starken genetivformen ! abweichen darf, die Göttling anfangs u. auch noch als Goethes protest ihm vorlag, in den text einführte). Nur glaub ich, dass man hier Göttling nachhelfen darf u. muss. So lange wir darüber nicht reichlichere beobachtungen haben als die Burdachs zu bd. 6 (und die kenne ich nur allgemein; mein antrag bei Suphan, meine bitte bei Burdach, er möge seine beobachtungen hierüber detailliert zu den akten der ausgabe geben, hat bis jetzt keine erhörung gefunden) und meine zu bd. 7, wird jeder herausgeber neue statistik seines bandes machen müssen und zwar so, dass er beobachtet, wie Göttling sich zu C1 und zu dem nächstvorhergehenden drucke stellt: da wird man gesetze finden, was er ändern wollte, und diese gesetze führte ich – mit abweichungen zu gunsten von sinnes- und deklamationspausen (alte rhetorische kommatisierung) – durch. Es hat dies verfahren von bd. zu bd. natürlich ungleichheiten im gefolge. Das ist aber nicht ganz schlimm: denn so retten wir einen teil der jeweils bodenständigen interpunktion in die neue ausgabe herüber. Die historische interpunktion, d. h. die der früheren ausgaben berücksichtige ich nicht principiell, ausser wo sie eine sinnesänderung veranlasste u. die ältere interpunktion zweifellos den sinn richtiger traf.
Loeper u. Schmidt verfahren anders. Jener hat grossen respekt vor der historischen interpunktion, wenn ich bei dem erklärten ausdruck beharre; Schmidt schwört auf C auch wo es nachlässig ist; Wahle hat mich darüber bei bd. 15 befragt, ich habe normalisieren geraten, u. so viel ich weiss, besorgt das nun Wahle bei der generalkorrektur. auf eine differenz der normalisierenden parteien will ich speciell aufmerksam machen: 2 attributive adjectiva sind in der 1. serie nie durch komma getrennt, ausser wo dasselbe adjektiv doppelt steht, wenigstens in der theorie. Burdach hat das adoptiert. Ich in bd. 7 nicht, weil da das – allerdings nicht streng durchgeführte – bestreben herrscht, adjektive die das gleiche verhältnis zum subst. haben durch kommata zu trennen, nur die ohne , zu lassen, die ein verschieden nahes verhältnis zum subst. haben. Ich verhehle mir nicht, dass dabei spitzfindigkeiten mit unterlaufen, aber das ist nun so. Änderungen des (der) texte(s) in solchen fällen habe ich im apparat angemerkt. Auch sonst interpunktionsproben gegeben. Burdach merkt jede an im einverständnis mit Schmidt (der an meiner stelle als redactor des apparates von bd. 6 eintrat) u. zwar weil ‚in diesem fall wie kaum sonst die entwicklung von g zu E zu C in fester lückenloser kette gegeben werden könne‘. Ich fürchte Schmidt täuscht sich mit diesem entschuldigungsgrund seines abweichens von §. 16 der Grundsätze (wo in ‚Orthographie‘ interpktion eingeschlossen ist) und Zu den grundsätzen s. 7 oben; der fall wird nicht so vereinzelt stehen. Aber er ist ein guter redaktor, besonders gegen Burdach. Wenn Werner dasselbe täte, wie würde er fluchen! Ich entschuldige ihn nur damit, dass wir endlich mit Burdachs eigenwillen uns abfinden müssen, ein ende not tut. Ich habe mich nicht dazu hergegeben, die unnützen abweichungen von der uniform der ausgabe mit meinem redactornamen zu decken; Schmidt kann sich erlauben, dies und noch mehr mit seinem namen und seiner stellung zuzudecken.
In Ihrem falle würde ich doch die für E charakteristische interpunktion verzeichnen, und dabei natürlich wie lange E fortlebt; von den neubildungen der interpktion zwischen E und C aber höchstens charakteristische beispiele geben; es lässt sich das ja allerdings nur vor welcher, daß u dgl. präcisieren, aber man darf auch sagen: ‚weh!] weh, in ähnlichen Fällen öfters so‘ und die sache ist abgemacht. Eigentlich müsste man ja, wie Sie, sagen: entweder vollständig oder das wenigste; aber ich habe doch einen mittelweg eingeschlagen, weil mich dünkte, dass auch die interpunktion zur charakteristik des wertes des betr. druckes beitrage. Ich leugne nicht, dass das der standpunkt des philol. liebhabers ist, der wissen will, was jeder text wert ist. U. ich glaube, dass Ihnen Ihr redaktor nichts mehr dankt, als wenn Sie recht kürzen.
Sie haben ein richtiges gefühl, dass von Suphan etwas schwer verlangen ist. Er ist gleich mit seinem väterlichen ‚wozu das‘ bei der hand. Wäre ich nicht so hartnäckig, so hätte er mir z. b. das korr.-exempl. zu bd. 7 nicht geschickt u. doch ist dies, dessen benützung er ganz überflüssig fand, der einzige wertvolle teil meines apparates. Oder er schickt mir eine abschrift aus dem archiv, ich verlange angabe, wo die ss. beginnen u. schliessen: darüber wundert er sich höllisch. U. doch hätte ich ohne das die fragmente nicht ordnen können. Also wenn Sie ihn ungeschoren lassen, ists ihm am liebsten; er ist ein freund der ruhe und vor seiner philologischen genauigkeit hab ich leider wenig respekt; es ist ein kindischer scherz einem der über ein paar interpunktionen der hs. rat erholte vorzurechnen: kostet das komma der ausgabe 15 ₰ porto oder dgl. Ich sag Ihnen das, um Sie vorzubereiten, damit Sie sich dann nicht ärgern. Müsste ich so wenig rücksicht auf Suphan haben wie Sie, so schriebe ich allzeit curialiter ans Goethearchiv kurz u. bündig und liesse mich auf gar keine auseinandersetzungen ein. Man schreibt mir: ‚mit Suphan ist geschäftlich nicht zu verkehren.‘
Zu auskünften über archivalia ist Suphan quod partem editionis editori verpflichtet: ‚bei geringem material‘ §. 21 der Grundsätze kann auch hieher bezogen werden. Tagebücherexcerpte hat er bisher machen lassen, von nun an nicht mehr: ich hab für diese weigerung eine bedauerungswendung ad acta gegeben, aber seit die ‚geschichte des werkes‘ aufgegeben ist, wird das nicht nötig sein. Überhaupt aber stützen Sie sich auf §. 21 der Grundsätze: auch die theaterzettel gehören zu den unentbehrlichen einzeldrucken. Schreiben Sie einfach: ich bitte mir zuzustellen ... die ich zum abschluss meines bdes. bedarf. punctum.
Passt Ihnen eine vorschrift der Grundsätze oder Ihres redaktors nicht, so verfassen Sie einen grossquartbrief oder gar folioakt an das redaktionscollegium der Weim. G-ausgabe, zu handen des redaktors des bd. x und setzen Ihre schmerzen aus einander, so dass mit ja u. nein drauf zu stimmen ist. Es kommt aber selten was gescheutes dabei heraus. Suphan hat 2 stimmen, seine u. HGrimms; Loeper hängt im luftzug. Aber liegt Ihnen wirklich etwas ernstes an einer sache, über die Sie sich mit Ihrem redaktor nicht einigen können, so scheuen Sie sich nicht zweimal ans collegium zu gehen, wenn es auch zuerst gegen Sie entschieden hat; Burdach und Schmidt hat ! auf diese weise die majorität immer mürbe gemacht. Der herausgeber muss nur sagen: ich bestehe darauf.
Der kern meiner interpunktionsuntersuchungen ist:
Komma steht vor u. nach daßsätzen, vor u. nach kondit.-sätzen mit oder ohne konjunktion, indirekten fragesätzen, causalsätzen, absichtssätzen damit u. um, temporalsätzen. Relat-sätzen mit welcher, mit praep. vor relat. (welcher oder der), u. wenn das relat. (welcher wo oder der) von seinem bezugswort getrennt ist1), wenn das relat. sich auf einen ganzen satz bezieht, wenn der rel.satz eine koord. oder subord.periode ist2). Ausnahmen 1): Das .... was ..., alles ... was .., nichts .... was .., diejenigen ... die ..., u. dgl. wo das anfangskomma fehlen kann, aber immer schlusskomma steht (während ich sonst jedes anfangskomma ein schlusskomma nach sich ziehen liess). 2) wenn die relat.periode an ein das vorhergehende zusammenfassendes isoliertes wort anknüpft; also z. b. x + x + x, alles eigenschaften die man braucht, um .... Rel.sätze mit der was wo wozu udgl., in denen das rel. hart am bezugswort steht können komma haben oder nicht; dafür fand ich kein gesetz. Objekt- u. subjektrel.sätze können komma haben oder nicht, die statistik gibt kein gesetz (anders Burdach).
Kein komma vor infinitivsätzen (ohne um).
Vor und ist das komma oratorisch. Subjektwechsel ist kein kriterium. Appositionen mit komma.
Adverbiale erweiterungen oratorisch, unkontrolierbar. Hier soll gespart werden.
Kompar. verhältnisse, sowol attributivisch als periodisch, sind willkürlich behandelt. – –
Was mir Burdach mitteilte lege ich bei u. bitte es zurück.
Burdachs apparat, an dem gesetzt wird, erhalte ich nicht in korr-bogen da ich die redaktion niederlegte, den text allein kann ich Ihnen in korr.bogen schicken, wird Ihnen aber nichts nützen.
Meinen apparat in korr.bogen sollen Sie erhalten, so bald ich ihn entbehren kann für die revision, die in den nächsten tagen geschehen wird, wenn die gen-korrektur prompter arbeitet als bisher.
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DLD betr. Phöbus ist zu überlegen. Auch Prometheus. Gg. Jacobi möchte ich längst gerne. Aber wer machts? Canitz: auf die Berliner nehme ich keine rücksicht, aber ich weiss nicht, ob er notwendig ist. Waldberg will mir Rosts Vorspiel machen. Ich denke an Trillers Aesthetik in einer nuss?? Wüsste ich jemand verlässigen, so liesse ich den Nötigen vorrat neudrucken: aber die einleitung müsste rectificieren. Was meinen Sie zu der idee?
Gurlitt schreibt ein buch oder büchlein. Bauer ist fleissig am Calvaryschen jahresbericht. Nicht Schönbach, sondern Hörmann hat Waltharireste entdeckt. Rödiger ist unklug seine produktionslosigkeit durch neue redaktion zu decken (aber ic[h klo]pfe mich an der eignen nase.) Ehlermann hat mir Wieland übertragen u. ich habe zugesagt. Dass er kein honorar [kund tut is]t mir fatal; ich habe mich geweigert, eines zu fordern. I[ch habe ih]m gesagt, dass Wieland mindestens doppelt so gross wird. Natürlich müssen alle einzeldrucke aus zss. hinein. Schlecht bezahlen lass ich mich nicht.
Leben Sie wol. Es ist genug des geschmieres. Wenn es Ihnen nur ein bischen dienen könnte.
Treulich
Ihr
BSfft.
NB: haupths. heisst H ohne exponent. Dann folgen chronologisch die andern mit exponent 1 bis 1000. Wollen Sie eine andere sigle für hs. als H, so bedürfen Sie erlaubnis des gesammtcollegiums. Haben Sie anstände, so kann ich Ihnen vielleicht nützen, wenn Sie mich vor offiziellen schritten beim collegium darüber unterrichten.
* auch falsches z. b. Seinesgleichen , neben dem wir jetzt auch seines Gleichen zulassen müssen.
Schreibort: Graz
Empfangsort: Prag
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 8 Seite(n)
Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt
ZitiervorschlagBrief ID-8437 [Druckausgabe Nr. 87]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8437/methods/sdef:TEI/get
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