Graz 1 III 89
Lieber freund
Heute da die kurze faschingspause in den vorlesungen mir etwas luft gibt kann ich Ihnen für zwei karten und den unseligen brief danken. Unselig objektiv genommen, wegen seines inhalts. Suphans wenig angenehme form in der korrespondenz mit Goethemitarbeitern ist in diesen tagen auch von anderer seite bei mir eingeklagt worden: es ist eine not, dass er weder das geschick noch die autorität zum centralleiter hat. Wir leiden alle gemeinsam darunter und ich suche mir immer wider seine vorzüge klar zu machen und zu halten, um die geduld nicht zu verlieren.
Von Ihrer sache habe ich nur mit Schönbach gesprochen. Ich wünschte sehr, dass Sie zu einem friedlichen ausgleiche kommen. Suphan hätte als Ihr redactor eben die zeit aufwenden sollen, die heikle frage zu studieren, bevor er Ihre bedenken gegen die vorschrift ablehnte. Hatten Sie nicht den eindruck, dass er das getan, so konnten Sie sich ja durch ihn mit einem promemoria ans collegium wenden. Wenn mir recht in der erinnerung ist, habe ich Ihnen allerdings diesen schritt principiell zu vermeiden geraten wegen der zusammensetzung des corpus doctissimum! aber diesmal hätte er doch vielleicht den vorzug gehabt, Ihren redactor zu einer eingehenden würdigung der sache zu zwingen und jedesfalls hätte auf einen solchen beschluss hin kein widerspruch mehr erhoben können, wenn Sie Ihre ausarbeitung darnach einrichteten. Ich bin überhaupt und war immer der meinung, wo in wichtigen fragen kein überzeugtes einverständnis zwischen redactor und herausgeber zu erzielen ist, soll die sache – gar wenn die streitfrage gegen den grundentwurf gerichtet ist – doch das collegium beschäftigen; dafür ist es da und der gegen welchen der entscheid ausfällt, hat dann doch das beruhigende gefühl, sein gelehrtes gewissen bis in die letzte instanz verteidigt zu haben und bei der umarbeitung keinen anstoss mehr zu finden, auch gegen etwaige öffentliche kritik sich auf den zwingenden beschluss berufen zu können. Dass das collegium irgend welche voreingenommenheit für ein mitglied (redactor) gegen einen herausgeber hätte, habe ich niemals bemerkt. Schmidts äusserung, der nicht Ihr redactor ist, brauchten Sie diesmal nicht so hoch einzuschätzen dünkt mich; ich glaube nicht, dass er die sache ins einzelne überlegt hat, sie ist schwierig; ich für meine person glaube mich gegen Sie schon geäussert zu haben, dass ich kein urteil ohne weiters darüber besitze. Auch ist mir Goethes einschlägige und wie Sie sagen von den andern als bindend bezeichnete äusserung gegen Rochlitz jetzt nicht bekannt. Doch – nach Ihrer späteren Karte scheint es ja glücklich, dass Suphan Ihnen zustimmen kann und damit ists zu ende. Ich würde natürlich sehr bedauern, wenn Sie zur umarbeitung veranlasst würden, deren mühe ich nicht zu klein einschätze. Andererseits erlauben Sie mir doch ganz freundschaftlich zu bekennen, dass kein derartiges unternehmen meines erachtens ohne opferwilligkeit gedeihen kann und dass die bezahlung ohnedies so gering ist, dass keiner, der gezwungen ist seine arbeitszeit nutzbringend anzulegen (was Sie übrigens doch unmöglich sind), sich wegen des einkommens engagieren lassen konnte. Nehmen Sie mir das ja nicht übel! Ich bin ein idealist in diesen dingen; der beweis dafür liegt schon hinreichend darin, dass ich die redaction der VJSchrift übernahm.
Das ministerium hat die zu deren gunsten getane vorlage, die sich –– in diesem augenblicke erhalte ich Suphans circulare in Ihrer sache, ich sollte also den brief cassieren, tue es aber nicht, weil wir zwei zu intim sind, das amtliche vom persönlichen so streng zu scheiden. Übrigens liegt Suphan an diphtheritis erkrankt im spital.
Das ministerium also hat die durch die zahlreichen unterschriften – alle german. proff. ausser Creizen. – sehr stolze eingabe mit dem ersuchen beantwortet, ihm den geschäftsstand genau darzulegen. Ob Böhlau das will?
Heft 1 des bd. 2 ist fertig, bedeutendes enthält es nicht ausser dem Netoliczka, der so reich an sachen, so dürftig in der stilisierung ist. Heft 2 ist im Satz.
Die aussicht auf Ihren Uz freut mich.
(Die Fahnen von heft 1 VJS. mögen Sie behalten.)
Ich muss enden, die mittagspost bringt einen haufen redactionsgeschäfte. Also nur noch die – ebenso wie das über Suphan geschriebene, vertrauliche – mitteilung, dass Schönbach einen antrag auf meine beförderung zum ordin. gestellt hat, über dem jetzt die fakultätskommission brütet.
Treu
Ihr
BSfft.
Graz 1 III 89
Lieber freund
Heute da die kurze faschingspause in den vorlesungen mir etwas luft gibt kann ich Ihnen für zwei karten und den unseligen brief danken. Unselig objektiv genommen, wegen seines inhalts. Suphans wenig angenehme form in der korrespondenz mit Goethemitarbeitern ist in diesen tagen auch von anderer seite bei mir eingeklagt worden: es ist eine not, dass er weder das geschick noch die autorität zum centralleiter hat. Wir leiden alle gemeinsam darunter und ich suche mir immer wider seine vorzüge klar zu machen und zu halten, um die geduld nicht zu verlieren.
Von Ihrer sache habe ich nur mit Schönbach gesprochen. Ich wünschte sehr, dass Sie zu einem friedlichen ausgleiche kommen. Suphan hätte als Ihr redactor eben die zeit aufwenden sollen, die heikle frage zu studieren, bevor er Ihre bedenken gegen die vorschrift ablehnte. Hatten Sie nicht den eindruck, dass er das getan, so konnten Sie sich ja durch ihn mit einem promemoria ans collegium wenden. Wenn mir recht in der erinnerung ist, habe ich Ihnen allerdings diesen schritt principiell zu vermeiden geraten wegen der zusammensetzung des corpus doctissimum! aber diesmal hätte er doch vielleicht den vorzug gehabt, Ihren redactor zu einer eingehenden würdigung der sache zu zwingen und jedesfalls hätte auf einen solchen beschluss hin kein widerspruch mehr erhoben können, wenn Sie Ihre ausarbeitung darnach einrichteten. Ich bin überhaupt und war immer der meinung, wo in wichtigen fragen kein überzeugtes einverständnis zwischen redactor und herausgeber zu erzielen ist, soll die sache – gar wenn die streitfrage gegen den grundentwurf gerichtet ist – doch das collegium beschäftigen; dafür ist es da und der gegen welchen der entscheid ausfällt, hat dann doch das beruhigende gefühl, sein gelehrtes gewissen bis in die letzte instanz verteidigt zu haben und bei der umarbeitung keinen anstoss mehr zu finden, auch gegen etwaige öffentliche kritik sich auf den zwingenden beschluss berufen zu können. Dass das collegium irgend welche voreingenommenheit für ein mitglied (redactor) gegen einen herausgeber hätte, habe ich niemals bemerkt. Schmidts äusserung, der nicht Ihr redactor ist, brauchten Sie diesmal nicht so hoch einzuschätzen dünkt mich; ich glaube nicht, dass er die sache ins einzelne überlegt hat, sie ist schwierig; ich für meine person glaube mich gegen Sie schon geäussert zu haben, dass ich kein urteil ohne weiters darüber besitze. Auch ist mir Goethes einschlägige und wie Sie sagen von den andern als bindend bezeichnete äusserung gegen Rochlitz jetzt nicht bekannt. Doch – nach Ihrer späteren Karte scheint es ja glücklich, dass Suphan Ihnen zustimmen kann und damit ists zu ende. Ich würde natürlich sehr bedauern, wenn Sie zur umarbeitung veranlasst würden, deren mühe ich nicht zu klein einschätze. Andererseits erlauben Sie mir doch ganz freundschaftlich zu bekennen, dass kein derartiges unternehmen meines erachtens ohne opferwilligkeit gedeihen kann und dass die bezahlung ohnedies so gering ist, dass keiner, der gezwungen ist seine arbeitszeit nutzbringend anzulegen (was Sie übrigens doch unmöglich sind), sich wegen des einkommens engagieren lassen konnte. Nehmen Sie mir das ja nicht übel! Ich bin ein idealist in diesen dingen; der beweis dafür liegt schon hinreichend darin, dass ich die redaction der VJSchrift übernahm.
Das ministerium hat die zu deren gunsten getane vorlage, die sich –– in diesem augenblicke erhalte ich Suphans circulare in Ihrer sache, ich sollte also den brief cassieren, tue es aber nicht, weil wir zwei zu intim sind, das amtliche vom persönlichen so streng zu scheiden. Übrigens liegt Suphan an diphtheritis erkrankt im spital.
Das ministerium also hat die durch die zahlreichen unterschriften – alle german. proff. ausser Creizen. – sehr stolze eingabe mit dem ersuchen beantwortet, ihm den geschäftsstand genau darzulegen. Ob Böhlau das will?
Heft 1 des bd. 2 ist fertig, bedeutendes enthält es nicht ausser dem Netoliczka, der so reich an sachen, so dürftig in der stilisierung ist. Heft 2 ist im Satz.
Die aussicht auf Ihren Uz freut mich.
(Die Fahnen von heft 1 VJS. mögen Sie behalten.)
Ich muss enden, die mittagspost bringt einen haufen redactionsgeschäfte. Also nur noch die – ebenso wie das über Suphan geschriebene, vertrauliche – mitteilung, dass Schönbach einen antrag auf meine beförderung zum ordin. gestellt hat, über dem jetzt die fakultätskommission brütet.
Treu
Ihr
BSfft.
Schreibort: Graz
Empfangsort: Prag
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 4 Seite(n)
Rohtranskription, Text teilweise getaggt
ZitiervorschlagBrief ID-8468. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8468/methods/sdef:TEI/get
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