Graz 26.6 89
Lieber freund
Ich sitze in erwartung Ihres artikels da, den Ihre karte gestern, Ihr ‚nachträglicher‘ brief heute ankündigte. Muss er geteilt werden, so kann er nicht ins 4. heft kommen, da ich dort nicht ihn in 2 bände zerlegen darf. Inzwischen:
Was mit Uz ist, weiss der liebe himmel. Ich habe von den Henningern keine silbe gehört. Sie werden bummelig: heute hab ich noch keine freiexemplare vom Leisewitz obwol er im handel ist. Übrigens haben sie seiner zeit sofortige drucklegung und drängelung der Piererschen druckerei versprochen. Die druckerei ist bei Werners heft – gefällt es Ihnen besser als mir? – unglaublich langsam geworden. Auch die verleger waren damit unzufrieden. Aber ein abermaliger wechsel der druckerei hätte auch bedenken. Ich habe übrigens die Henninger an den Uz gemahnt u. erwarte ihre antwort. Haben Sie geduld! Mir ists leid, ich bin aber unschuldig.
Vom Götzapparat hat mir Suphan in Weimar nicht gesprochen. Die herren dort sind meiner überdrüssig, sie begreifen nicht, dass ich so viel zeit habe, so ausführlich meine meinung zu sagen. Offenbar ists ihnen lästig, man will stimmvieh. Ich werde das zwar nicht abgeben, aber ich kann auch schweigen. Suphan sonnt sich in der jetzt völlig erlangten hofgunst u. ist behaglich. Der netteste ist Wahle. E Schmidt ging mir im Trubel mehr verloren als ich und er wollten, war herzlich, menschlich, verlässlich und tritt, wie mich dünkt, nun auch nur noch in der Goethegesellschaft, nicht mehr als redactor heraus. Grimm u. Loeper waren nicht da. Wenn ich die weite reise der redactorensitzung wegen tue, hätten sie ihre kurze vielleicht doch auch wagen können. Doch so wenig fröhlich ich über die „geschäftslage“ denke – denn Suphan hat Ihre untersuchungen über den text nicht verstanden; sein a und o ist schimpfen auf Göttling –, so hübsch war es, Schmidt, Strauch – seit 1876 zum 1. male –, den vorzüglichen Elster wider zu sprechen; und Köhler zu ehren blieb ich einen halben tag länger. Auch alte freunde aus Würzburg, die nun in Jena leben, kamen mir zu lieb herüber. Waldberg war recht angenehm. Witkowski und Elias sind mir um keine spur sympathischer geworden. Und Otto Francke sah ich nur betroffen – das ist accusativ! Der besuch war schwächer als sonst, die mitgliederzahl der gesellschaft ist durch todesfälle u. austrittserklärungen gesunken, während sie durch kaiser Wilhelms beitritt höfischen glanz mehr erhielt. Simson wird recht alt. Bernays ist noch jugendlich gross in tönenden worten; neues hat er kaum jemand gesagt; aber es klang, ich will nicht sagen gut, nur es klang. Der eitle mensch mit seinen phrasen und freundesküssen ist mir nun einmal unverdaulich. Kalischer, Öttingen – den sehr jugendlichen –, den weichen Küffer kennen zu lernen, freute mich. Geiger sass im winkel schweigsam wie immer, ein sechstes rad am wagen. Litzmann fängt wahrhaftig an, männlich zu werden und war ein ganz brauchbarer tischnachbar. Und so weiter; ich will keine liste schreiben. Das schwatzen mit fachleuten ist doch reizvoll; hier hab ich nur den einen Schönbach und abwechslung ist gesund. Noch den Otto Hoffmann will ich nennen, ein rechter Berliner schulmeister und zungenfertiger kleinmeister, wie mich dünkt. –
Was Sie zu Minors jungem journalisten Schiller sagen werden? mich kostete es viel, die VJSchrift dafür zu öffnen, obwol sachlich mehr drin ist, als im Conrad. Ein wort erbitt ich mir über mein Kleistfündchen; ists sauber gemacht? Meinen ersten schüler Eichler lass ich im nächsten hefte den 2., Lunzer, folgen u. bald einen 3. Einen 4. führ ich in den DLD ein, sobald der Uz fertig ist. Dann steck ich mein schwert ein, das heisst den lehrerstock und räume Schönbach das feld der dressur. Es ist wegen der möglichen eifersucht.
Im Wiener ministerio machte ich einen knix vor Kleemann, und traf ich niemand. Ich erfuhr zur freude, dass sie wirklich keine 160 fl. mehr für die VJSchrift übrig gehabt hätten, dass kein sachlicher grund dagegen da sei; und revociere also feierlich meinen ungerechten verdacht auf Werner (den ich leider in Gerings arme treiben musste). Übrigens: Werners galizische arbeit wird von mancher seite so aufgefasst, als habe er sich damit in Lemberg unmöglich machen wollen, um versetzt zu werden. Ich traute ihm das nicht zu. Sie? Über das ordinariat sprach Kleemann seufzend: er wisse davon und wir wollten hoffen, später einmal. – Das ist recht tröstlich. – – Ich suchte nur Heinzel und ihn nur im Kolleg auf.
Die abwesenheit büsste ich mit korrektur – u. manuscriptstössen. Noch hab ich nicht aufgearbeitet. Hätt ich doch meine zeit für mich! Am ende könnte ich doch etwas tüchtiges einmal leisten. So aber – nugae.
Frau u. kind haben ist schön, ja, Sie haben recht. Aber auch jetzt, wo ich sorgenfrei mich ihrer freuen kann, sag ich: für den arbeiter ists ein verführerischer luxus, der zum behagen u. genuss lockt. Ich hab zu viel familiensinn oder –simpelei im leibe. Das kostet mich zeit und schädigt die leistungsfähigkeit. Wer ein gelehrter bleiben oder sein will, soll junggeselle bleiben.
_____
Heute endlich, den 29. kommt Ihr pack. Ich hab ihn gleich überflogen, mich wider an dem kräftigen Bürger erbaut u. bedauert, dass der lappige Göckingk zuletzt die oberhand behält u. so die leser mit ermüdung entlässt. Aber ich begreife Ihre zwangslage, und will also nicht davon reden, dass familienklatsch zugunsten des ganzen gestrichen sein könnte.
Für den druck möcht ich um die erlaubnis bitten noch etliche kürzungen zu lösen u. bei den ganz zweifellosen lösungen die überflüssigen [ ] wegzulassen; falls dies nicht gegen Ihre grundsätze geht. Mich dünken sie philologischer ballast.
Den umfang schätz ich auf 8 bogen. Da die umfanggrenze eines heftes 10 bogen ist, doppelhefte bei der Vierteljahrschrift vermieden werden sollen – im ersten jahre machte die späte erscheinung des 1. heftes das doppelheft nötig, sonst hätt ich meinen Wieland geteilt –, kann ich allerdings den beitrag nicht auf einmal bringen. Das 3. heft ist zu weit im satz vorgerückt, einen einschub zu ermöglichen. Die veröffentlichung auf bd. 2 u. 3 zu verteilen, wird Ihnen so wenig passen wie mir. Wenn Böhlau mich nicht im stich lässt, wird auch das 1. heft des 3. bd. noch dies jahr gedruckt, um anfang januar zu erscheinen. Es soll dann den anfang bringen. U. so sag ich Ihnen dank als redacteur.
Als freund komm ich wider und muss Ihnen sagen, dass ich es für unklug halte, dies material in einer zeitschrift zu verzetteln. Ihrem litterarischen rufe würde ein buch besseren vorschub leisten. Schreiben Sie ja eine biograpisch-litterarische einleitung Göckingk u. Bürger, charakterisieren die 2 Musenalmanache, geben Sie mit hilfe Strodtmanns mehr darstellung zwischen den briefen und ein buch von 15 bogen ist fertig. Das wird Ihnen nützen. Sie ris- kieren dabei nur die 160 mark honorar, denn honoriren wird Ihnen allerdings kaum ein verleger das werk. Ich glaube, dass biographische in einem buche besser zur geltung kommt als in einer zeitschrift. Aber dies schreib ich nur als ehrlicher freund. denken Sie ja nicht, dass ich den beitrag abschütteln wollte und schreiben Sie mir bald ein wort im guten, dass Sie meine selbstlosigkeit glauben.
Und damit leben Sie wol!
Ihr
BSeuffert.
Mit Steinmeyer verschwatzte ich in Erlangen 3 gute stunden, in alter treue.
Graz 26.6 89
Lieber freund
Ich sitze in erwartung Ihres artikels da, den Ihre karte gestern, Ihr ‚nachträglicher‘ brief heute ankündigte. Muss er geteilt werden, so kann er nicht ins 4. heft kommen, da ich dort nicht ihn in 2 bände zerlegen darf. Inzwischen:
Was mit Uz ist, weiss der liebe himmel. Ich habe von den Henningern keine silbe gehört. Sie werden bummelig: heute hab ich noch keine freiexemplare vom Leisewitz obwol er im handel ist. Übrigens haben sie seiner zeit sofortige drucklegung und drängelung der Piererschen druckerei versprochen. Die druckerei ist bei Werners heft – gefällt es Ihnen besser als mir? – unglaublich langsam geworden. Auch die verleger waren damit unzufrieden. Aber ein abermaliger wechsel der druckerei hätte auch bedenken. Ich habe übrigens die Henninger an den Uz gemahnt u. erwarte ihre antwort. Haben Sie geduld! Mir ists leid, ich bin aber unschuldig.
Vom Götzapparat hat mir Suphan in Weimar nicht gesprochen. Die herren dort sind meiner überdrüssig, sie begreifen nicht, dass ich so viel zeit habe, so ausführlich meine meinung zu sagen. Offenbar ists ihnen lästig, man will stimmvieh. Ich werde das zwar nicht abgeben, aber ich kann auch schweigen. Suphan sonnt sich in der jetzt völlig erlangten hofgunst u. ist behaglich. Der netteste ist Wahle. E Schmidt ging mir im Trubel mehr verloren als ich und er wollten, war herzlich, menschlich, verlässlich und tritt, wie mich dünkt, nun auch nur noch in der Goethegesellschaft, nicht mehr als redactor heraus. Grimm u. Loeper waren nicht da. Wenn ich die weite reise der redactorensitzung wegen tue, hätten sie ihre kurze vielleicht doch auch wagen können. Doch so wenig fröhlich ich über die „geschäftslage“ denke – denn Suphan hat Ihre untersuchungen über den text nicht verstanden; sein a und o ist schimpfen auf Göttling –, so hübsch war es, Schmidt, Strauch – seit 1876 zum 1. male –, den vorzüglichen Elster wider zu sprechen; und Köhler zu ehren blieb ich einen halben tag länger. Auch alte freunde aus Würzburg, die nun in Jena leben, kamen mir zu lieb herüber. Waldberg war recht angenehm. Witkowski und Elias sind mir um keine spur sympathischer geworden. Und Otto Francke sah ich nur betroffen – das ist accusativ! Der besuch war schwächer als sonst, die mitgliederzahl der gesellschaft ist durch todesfälle u. austrittserklärungen gesunken, während sie durch kaiser Wilhelms beitritt höfischen glanz mehr erhielt. Simson wird recht alt. Bernays ist noch jugendlich gross in tönenden worten; neues hat er kaum jemand gesagt; aber es klang, ich will nicht sagen gut, nur es klang. Der eitle mensch mit seinen phrasen und freundesküssen ist mir nun einmal unverdaulich. Kalischer, Öttingen – den sehr jugendlichen –, den weichen Küffer kennen zu lernen, freute mich. Geiger sass im winkel schweigsam wie immer, ein sechstes rad am wagen. Litzmann fängt wahrhaftig an, männlich zu werden und war ein ganz brauchbarer tischnachbar. Und so weiter; ich will keine liste schreiben. Das schwatzen mit fachleuten ist doch reizvoll; hier hab ich nur den einen Schönbach und abwechslung ist gesund. Noch den Otto Hoffmann will ich nennen, ein rechter Berliner schulmeister und zungenfertiger kleinmeister, wie mich dünkt. –
Was Sie zu Minors jungem journalisten Schiller sagen werden? mich kostete es viel, die VJSchrift dafür zu öffnen, obwol sachlich mehr drin ist, als im Conrad. Ein wort erbitt ich mir über mein Kleistfündchen; ists sauber gemacht? Meinen ersten schüler Eichler lass ich im nächsten hefte den 2., Lunzer, folgen u. bald einen 3. Einen 4. führ ich in den DLD ein, sobald der Uz fertig ist. Dann steck ich mein schwert ein, das heisst den lehrerstock und räume Schönbach das feld der dressur. Es ist wegen der möglichen eifersucht.
Im Wiener ministerio machte ich einen knix vor Kleemann, und traf ich niemand. Ich erfuhr zur freude, dass sie wirklich keine 160 fl. mehr für die VJSchrift übrig gehabt hätten, dass kein sachlicher grund dagegen da sei; und revociere also feierlich meinen ungerechten verdacht auf Werner (den ich leider in Gerings arme treiben musste). Übrigens: Werners galizische arbeit wird von mancher seite so aufgefasst, als habe er sich damit in Lemberg unmöglich machen wollen, um versetzt zu werden. Ich traute ihm das nicht zu. Sie? Über das ordinariat sprach Kleemann seufzend: er wisse davon und wir wollten hoffen, später einmal. – Das ist recht tröstlich. – – Ich suchte nur Heinzel und ihn nur im Kolleg auf.
Die abwesenheit büsste ich mit korrektur – u. manuscriptstössen. Noch hab ich nicht aufgearbeitet. Hätt ich doch meine zeit für mich! Am ende könnte ich doch etwas tüchtiges einmal leisten. So aber – nugae.
Frau u. kind haben ist schön, ja, Sie haben recht. Aber auch jetzt, wo ich sorgenfrei mich ihrer freuen kann, sag ich: für den arbeiter ists ein verführerischer luxus, der zum behagen u. genuss lockt. Ich hab zu viel familiensinn oder –simpelei im leibe. Das kostet mich zeit und schädigt die leistungsfähigkeit. Wer ein gelehrter bleiben oder sein will, soll junggeselle bleiben.
_____
Heute endlich, den 29. kommt Ihr pack. Ich hab ihn gleich überflogen, mich wider an dem kräftigen Bürger erbaut u. bedauert, dass der lappige Göckingk zuletzt die oberhand behält u. so die leser mit ermüdung entlässt. Aber ich begreife Ihre zwangslage, und will also nicht davon reden, dass familienklatsch zugunsten des ganzen gestrichen sein könnte.
Für den druck möcht ich um die erlaubnis bitten noch etliche kürzungen zu lösen u. bei den ganz zweifellosen lösungen die überflüssigen [ ] wegzulassen; falls dies nicht gegen Ihre grundsätze geht. Mich dünken sie philologischer ballast.
Den umfang schätz ich auf 8 bogen. Da die umfanggrenze eines heftes 10 bogen ist, doppelhefte bei der Vierteljahrschrift vermieden werden sollen – im ersten jahre machte die späte erscheinung des 1. heftes das doppelheft nötig, sonst hätt ich meinen Wieland geteilt –, kann ich allerdings den beitrag nicht auf einmal bringen. Das 3. heft ist zu weit im satz vorgerückt, einen einschub zu ermöglichen. Die veröffentlichung auf bd. 2 u. 3 zu verteilen, wird Ihnen so wenig passen wie mir. Wenn Böhlau mich nicht im stich lässt, wird auch das 1. heft des 3. bd. noch dies jahr gedruckt, um anfang januar zu erscheinen. Es soll dann den anfang bringen. U. so sag ich Ihnen dank als redacteur.
Als freund komm ich wider und muss Ihnen sagen, dass ich es für unklug halte, dies material in einer zeitschrift zu verzetteln. Ihrem litterarischen rufe würde ein buch besseren vorschub leisten. Schreiben Sie ja eine biograpisch-litterarische einleitung Göckingk u. Bürger, charakterisieren die 2 Musenalmanache, geben Sie mit hilfe Strodtmanns mehr darstellung zwischen den briefen und ein buch von 15 bogen ist fertig. Das wird Ihnen nützen. Sie ris- kieren dabei nur die 160 mark honorar, denn honoriren wird Ihnen allerdings kaum ein verleger das werk. Ich glaube, dass biographische in einem buche besser zur geltung kommt als in einer zeitschrift. Aber dies schreib ich nur als ehrlicher freund. denken Sie ja nicht, dass ich den beitrag abschütteln wollte und schreiben Sie mir bald ein wort im guten, dass Sie meine selbstlosigkeit glauben.
Und damit leben Sie wol!
Ihr
BSeuffert.
Mit Steinmeyer verschwatzte ich in Erlangen 3 gute stunden, in alter treue.
Schreibort: Graz
Empfangsort: Prag
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 6 Seite(n)
Rohtranskription, Text teilweise getaggt
ZitiervorschlagBrief ID-8492. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8492/methods/sdef:TEI/get
LizenzhinweisDie Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.
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