Herrn Professor Dr. August Sauer
Prag
Weinberge 450
Hawlitschekg. 62
Lieber freund Wir reichen uns brüderlich die hand wie bisher so in zukunft. Schönbach hatte mir schon gesagt, Sie befänden sich übel, Hauffen aber schrieb später Sie seien ganz wol. U. so wollte ich Ihre arbeit nicht mit fragen stören und nicht mit klagen. Ich bin, hoff ich für Sie, schlimmer daran. Seit mein kind tot ist, bin ich wie gebrochen. Mühsam warf ich mich ins semester hinein. Da kam eine neurasthenische attaque, die mich aufs bett warf. Beim oder durchs impfen kams zum ausbruch. Ich erholte mich, fing wider an zu arbeiten und kolleg zu lesen, da musste ichs aufs neue einhalt tun. Der arzt rühmt die gesundheit meiner organe über die massen, nur den nerven müsse ich absolute ruhe gönnen. Ich habe also alle arbeit eingestellt u. meine monatelangen vorarbeiten zum Wieland § des Goedeke Goetze anheimgegeben, auf dass sie ein anderer abschliesse; es ist noch genug daran zu tun u. ich muss jetzt sehen, dass ich wenigstens vorlesungen halten kann. Gelingt mir dies – und ich hoffe es, weil mir die täglichen kalten abreibungen besserung gaben – so will ich zufrieden sein. Man wird ungeheuer bescheiden. Es ist ekelhaft früh u. mittag spazierengehen zu müssen. Wie viel lieber sässe ich am schreibtisch! Sie haben wenigstens den trost, sich Ihr übel durch arbeit zugezogen zu haben, ich habe meines durch verlust. Asch ! – erde und schnee liegen friedlich darüber, ich darf sie nicht aufwühlen.
Ihr aufrichtig getreuer
BSfft.
1.1.91.
Herrn Professor Dr. August Sauer
Prag
Weinberge 450
Hawlitschekg. 62
Lieber freund Wir reichen uns brüderlich die hand wie bisher so in zukunft. Schönbach hatte mir schon gesagt, Sie befänden sich übel, Hauffen aber schrieb später Sie seien ganz wol. U. so wollte ich Ihre arbeit nicht mit fragen stören und nicht mit klagen. Ich bin, hoff ich für Sie, schlimmer daran. Seit mein kind tot ist, bin ich wie gebrochen. Mühsam warf ich mich ins semester hinein. Da kam eine neurasthenische attaque, die mich aufs bett warf. Beim oder durchs impfen kams zum ausbruch. Ich erholte mich, fing wider an zu arbeiten und kolleg zu lesen, da musste ichs aufs neue einhalt tun. Der arzt rühmt die gesundheit meiner organe über die massen, nur den nerven müsse ich absolute ruhe gönnen. Ich habe also alle arbeit eingestellt u. meine monatelangen vorarbeiten zum Wieland § des Goedeke Goetze anheimgegeben, auf dass sie ein anderer abschliesse; es ist noch genug daran zu tun u. ich muss jetzt sehen, dass ich wenigstens vorlesungen halten kann. Gelingt mir dies – und ich hoffe es, weil mir die täglichen kalten abreibungen besserung gaben – so will ich zufrieden sein. Man wird ungeheuer bescheiden. Es ist ekelhaft früh u. mittag spazierengehen zu müssen. Wie viel lieber sässe ich am schreibtisch! Sie haben wenigstens den trost, sich Ihr übel durch arbeit zugezogen zu haben, ich habe meines durch verlust. Asch ! – erde und schnee liegen friedlich darüber, ich darf sie nicht aufwühlen.
Ihr aufrichtig getreuer
BSfft.
1.1.91.
Schreibort: Graz
Empfangsort: Prag
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: Postkarte
Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt
ZitiervorschlagBrief ID-8558 [Druckausgabe Nr. 105]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8558/methods/sdef:TEI/get
LizenzhinweisDie Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.
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