Graz 7.2.91 Harrachg. 1

Lieber freund
Endlich darf man an Sie wider einmal schreiben. Vor dem jubiläumstag getraute ich michs wirklich nicht. Nun aber leben Sie wider in normalen verhältnissen. Wie geht es Ihnen denn? der winter war abscheulich. Ich bin auch auf die nase gefallen, wozu das impfen den anlass, der andauernde kummer und überarbeitung die ursache gaben. Jetzt bin wider frischer, nur soll ich mich noch grösserer arbeit enthalten. Und da man als ehemann sein leben besser hüten muss denn als junggeselle so muss ich mich in diese halbe musse fügen. Ich habe darum auch meine Wielandbibliographie an Goetze abgegeben, der die 911 zettel allerdings nicht nur ordnen sondern auch noch ergänzen muss. Doch konnte ich ihn nicht länger warten lassen.
Das hohe ministerium hat mein im oktober v. j. erneutes gesuch um subvention der VJS wider abgeschlagen: geldmangel, bedauern u. s. w. Die höflichkeit der ablehnung hilft dem verleger nichts.
Und nun lieber freund kommt eine herzliche bitte. Er- weisen Sie mir die ehre und die freundschaft, sie reiflich zu überlegen und ihr womöglich zu willfahren.
Ich glaube, ich habe Ihnen schon vor jahren einmal gesagt, dass ich die redaction der DLDenkm. ablegen wolle; seit ich Goethem Vimariensem teilweise und die ganze VJS. mit auf mich geladen habe, kann ich nicht mehr allem gerecht werden. Ich habe Henningers zwei oder gar dreimal meinen rücktritt angetragen, ich habe ihn auch beim wechsel des verlages verlangt. Göschen meinte wol, es sei für die continuität der sammlung besser, wenn nicht ausser der neuen handelsfirma auch eine neue redaction sofort erscheine und so liess ich mich auf ein übergangsjahr ein. Ich gestehe, weniger Göschen zu liebe, als weil ich füchtete vor januar 1891 von Ihnen einen korb zu erhalten. Und auf Sie als nachfolger habe ich es abgesehen. Ich möchte nicht, dass die sammlung in schlechte hände gerät. Sie haben die grösste herausgebererfahrung; Sie kennen speciell die bisherige führung der DLD genau genug um zu wissen, wo sie zu bessern wo sie beizubehalten ist; Sie können Ihre Wiener neudrucke damit verbinden, die doch an Konegen keinen förderer haben; in jedem betracht würde es der sache am nützlichsten und mir am tröstlichsten sein, wenn Sie die sammlung übernehmen. Man hat doch eine gewisse liebe zu so einem langjährigen pflegling und möchte ihn nur dem besten vater übergeben. Sie sind von allen redactionspflichten frei, Ihr Grillparzer drückt Sie nicht schwerer als mich der Wieland neben meinen sonstigen zersplitterungen. Sie erhalten die sammlung uns Österreichern, was doch auch einigen wert für die anerkennung unserer arbeit im Reiche hat. Hauffen ist zu jung, Weilen zu fahrig wie mir dünkt und unser Richard M. dürfte leicht zu weitherzig in der auswahl sein.
Ich glaube nicht, dass Göschen Ihnen viel arbeit auflädt: er will zunächst nicht viele bogen ediren; ich meine, er mutet Ihnen auch weniger korrektur zu als ich mir auflud; u. ich hoffe, dass er Ihnen 7 m. pro bogen anbietet, ein honorar mit dem Sie als re- dactor leidlich zufrieden sein können: ich habe weitaus die grössere zahl meiner jahre mich mit 5 begnügt. Über den verlag brauche ich nichts zu sagen. Der name ist gut.
An mitarbeitern wird es Ihnen nicht fehlen: ich habe genug angebote interessanter sachen von guten leuten aufs künftige verschoben, Sie können da bequem ernten. Was soll ich weiter sagen? bitte, bitte, sagen Sie nicht nein. Ich denke, Sie empfangen zu gleicher zeit einen brief von Göschen. Sollte er Ihnen schreiben, mein name als der des begründers solle auf der sammlung bleiben, so sei ausdrücklich betont: dass ich dies bei Ihrer nachfolge für ganz überflüssig halte, dass dies überhaupt nur ein verlangen Göschens ist, mit dem er mich belastete bevor er mit den älteren verlegern abschloss.
Sagen Sie mir bald ein tröstlich wort, die sache beunruhigt mich, Sie können mich rasch befreien.
Herzlich Ihr
BSeuffert

Graz 7.2.91 Harrachg. 1

Lieber freund
Endlich darf man an Sie wider einmal schreiben. Vor dem jubiläumstag getraute ich michs wirklich nicht. Nun aber leben Sie wider in normalen verhältnissen. Wie geht es Ihnen denn? der winter war abscheulich. Ich bin auch auf die nase gefallen, wozu das impfen den anlass, der andauernde kummer und überarbeitung die ursache gaben. Jetzt bin wider frischer, nur soll ich mich noch grösserer arbeit enthalten. Und da man als ehemann sein leben besser hüten muss denn als junggeselle so muss ich mich in diese halbe musse fügen. Ich habe darum auch meine Wielandbibliographie an Goetze abgegeben, der die 911 zettel allerdings nicht nur ordnen sondern auch noch ergänzen muss. Doch konnte ich ihn nicht länger warten lassen.
Das hohe ministerium hat mein im oktober v. j. erneutes gesuch um subvention der VJS wider abgeschlagen: geldmangel, bedauern u. s. w. Die höflichkeit der ablehnung hilft dem verleger nichts.
Und nun lieber freund kommt eine herzliche bitte. Er- weisen Sie mir die ehre und die freundschaft, sie reiflich zu überlegen und ihr womöglich zu willfahren.
Ich glaube, ich habe Ihnen schon vor jahren einmal gesagt, dass ich die redaction der DLDenkm. ablegen wolle; seit ich Goethem Vimariensem teilweise und die ganze VJS. mit auf mich geladen habe, kann ich nicht mehr allem gerecht werden. Ich habe Henningers zwei oder gar dreimal meinen rücktritt angetragen, ich habe ihn auch beim wechsel des verlages verlangt. Göschen meinte wol, es sei für die continuität der sammlung besser, wenn nicht ausser der neuen handelsfirma auch eine neue redaction sofort erscheine und so liess ich mich auf ein übergangsjahr ein. Ich gestehe, weniger Göschen zu liebe, als weil ich füchtete vor januar 1891 von Ihnen einen korb zu erhalten. Und auf Sie als nachfolger habe ich es abgesehen. Ich möchte nicht, dass die sammlung in schlechte hände gerät. Sie haben die grösste herausgebererfahrung; Sie kennen speciell die bisherige führung der DLD genau genug um zu wissen, wo sie zu bessern wo sie beizubehalten ist; Sie können Ihre Wiener neudrucke damit verbinden, die doch an Konegen keinen förderer haben; in jedem betracht würde es der sache am nützlichsten und mir am tröstlichsten sein, wenn Sie die sammlung übernehmen. Man hat doch eine gewisse liebe zu so einem langjährigen pflegling und möchte ihn nur dem besten vater übergeben. Sie sind von allen redactionspflichten frei, Ihr Grillparzer drückt Sie nicht schwerer als mich der Wieland neben meinen sonstigen zersplitterungen. Sie erhalten die sammlung uns Österreichern, was doch auch einigen wert für die anerkennung unserer arbeit im Reiche hat. Hauffen ist zu jung, Weilen zu fahrig wie mir dünkt und unser Richard M. dürfte leicht zu weitherzig in der auswahl sein.
Ich glaube nicht, dass Göschen Ihnen viel arbeit auflädt: er will zunächst nicht viele bogen ediren; ich meine, er mutet Ihnen auch weniger korrektur zu als ich mir auflud; u. ich hoffe, dass er Ihnen 7 m. pro bogen anbietet, ein honorar mit dem Sie als re- dactor leidlich zufrieden sein können: ich habe weitaus die grössere zahl meiner jahre mich mit 5 begnügt. Über den verlag brauche ich nichts zu sagen. Der name ist gut.
An mitarbeitern wird es Ihnen nicht fehlen: ich habe genug angebote interessanter sachen von guten leuten aufs künftige verschoben, Sie können da bequem ernten. Was soll ich weiter sagen? bitte, bitte, sagen Sie nicht nein. Ich denke, Sie empfangen zu gleicher zeit einen brief von Göschen. Sollte er Ihnen schreiben, mein name als der des begründers solle auf der sammlung bleiben, so sei ausdrücklich betont: dass ich dies bei Ihrer nachfolge für ganz überflüssig halte, dass dies überhaupt nur ein verlangen Göschens ist, mit dem er mich belastete bevor er mit den älteren verlegern abschloss.
Sagen Sie mir bald ein tröstlich wort, die sache beunruhigt mich, Sie können mich rasch befreien.
Herzlich Ihr
BSeuffert

Das hohe ministerium hat mein im oktober v. j. erneutes gesuch um subvention der VJS wider abgeschlagen: geldmangel, bedauern u. s. w. Die höflichkeit der ablehnung hilft dem verleger nichts.

Auch ein zweites Förderansuchen, das Seuffert im Herbst 1890 eingereicht hatte, wurde im Februar des Folgejahres abschlägig beschieden.

Und auf Sie als nachfolger habe ich es abgesehen. Ich möchte nicht, dass die sammlung in schlechte hände gerät. Sie haben die grösste herausgebererfahrung; Sie kennen speciell die bisherige führung der DLD genau genug um zu wissen, wo sie zu bessern wo sie beizubehalten ist; Sie können Ihre Wiener neudrucke damit verbinden, die doch an Konegen keinen förderer haben; in jedem betracht würde es der sache am nützlichsten und mir am tröstlichsten sein, wenn Sie die sammlung übernehmen. Man hat doch eine gewisse liebe zu so einem langjährigen pflegling und möchte ihn nur dem besten vater übergeben. […] Was soll ich weiter sagen? bitte, bitte, sagen Sie nicht nein.

Seuffert wünschte sich Sauer als Nachfolger, der 1891 tatsächlich die Herausgabe der DLD übernahm. Es kam auch zu einem Verlagswechsel: Von 1891 bis 1899 erschien die Reihe im Verlag G. J. Göschen (Stuttgart und Leipzig).

Briefdaten

Schreibort: Graz
Empfangsort: Prag
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 4 Seite(n)

Status

Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8559 [Druckausgabe Nr. 106]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8559/methods/sdef:TEI/get

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