Graz 10.2.91

Lieber freund Sie haben inzwischen auch einen brief von mir erhalten. Ich eile, Ihre fragen zu beantworten und hoffe, dass Sie die antwort noch in Wien trifft.
1) Über meine einkünfte als herausgeber habe ich schon bescheid gesagt: 5 m. pro bogen, in den letzten jahren 7 m.
2) Die redaktion wurde noch niemand angetragen. Ich habe Göschen sofort ehe er mit Henningern abschloss Sie in 1. linie empfohlen. Göschen hat mir 2 andere namen genannt, liess sie aber auf meinen widerspruch hin sofort fallen: ich glaube nicht, dass er mit den herren schon in unterhandlung war, zumal damals sein absehen sich noch ganz auf meine person zuspitzte. Jetzt, da ich ernst machte mit dem rücktritte, habe ich nur Sie genannt u. Göschen hat sofort Sie berufen. Lediglich mit Fresenius habe ich einmal ein privatissimum über meine nachfolge gehabt: es schien mir dies der einzige weg seine damals längst fertige krit. ausg. von Wielands Heilbronner erzählungen flott zu kriegen; auch meinte ich, die DLZ werde zu neujahr eingehen u. Fresenius also frei werden. Er hat mir nicht einmal darauf geantwortet. Göschen weiss von der vorfrage nichts. Ich habe Fresenius nachdem Göschen Ihre person endgültig acceptirt hatte sofort mitgeteilt: dass ich aus seinem halbjährigen schweigen seine ablehnung geschlossen hätte und den verleger nicht auf ihn aufmerksam gemacht hätte. Ich gestehe Ihnen, dass mich der schritt gegen Fresenius reut: es war eine plötzliche anwandlung von gutmütigkeit, den mann in bewegung zu bringen, denn es liegt so viel in ihm brach. Aber ich versichere aufs ehrlichste: ich habe ihn nur gefragt; wäre meine frage ein bindender antrag gewesen, so hätte selbst Fresenius sie beantwortet.
Dass Göschen nicht auf Sie allein sich beschränkte bei seinen jahralten vorbesprechungen mit mir hat nicht in irgend einer abneigung gegen Sie seinen grund, sondern lediglich darin, dass er leute nannte die schon in geschäftsbeziehung zu ihm stehen und die er billiger zu haben hoffte als Sie: denn ich habe für Sie gleich mein honorar gefordert. Er liess sich aber sofort die billigeren herrn aus dem kopf bringen.
Sie erhalten ausser dem honorar 4 freiex. geh. und 1 in aushängebogen.
Die mitarbeiterverhältnisse sind bei dem übergange des verlages an Göschen etwas gedrückt worden:
1) 15 freiex. + 1 in aushängebogen.
2) für die einleitung 18 m. pro bogen.
3) für den textkritischen apparat erhöhung des texthonorars um 3 m. pr. b.
4) für den text 10–15 m. je nachdem er aus kurzzeiligen versen oder aus prosa besteht, ein glatter abdruck oder eine sammlung ist; auch die berühmtheit des namens des herausgebers kann preisschwankungen nötig machen.
Ihre 3) frage: Manuscript steht zunächst zu erwarten von Schüddekopf, Götz Zerstreute gedd. Er ist der einzige mit dem eine bindende abrede getroffen ist.
In druck ist nichts.
Aus alter zeit rührt die vereinbarung mit Fresenius betr. Wlds 1752er Erzählgen. Sie wird aber nicht drücken.
Ferner ist mit Jul. Elias eine ältere abmachung da wegen eines hist.-krit. neudruckes von Wernicke 1704. Ich habe dem herrn vor jahren 2 proben seines krit. appar. als ungenügend zurückgeschickt u. nach dem ende der Henninger die zusage ihm gegenüber nicht erneuert. Von mir besitzt er kein bindendes versprechen. Ob aber nicht von Göschen? dem war er empfohlen u. dem bot er verzicht auf honorar an, worauf Nast hereinfiel; ich antwortete: durch ein so grosses heft binde ich meinen nachfolger nicht.
Dann möchte ich bitten, dass mein schüler Hans Sittenberger mit einer vorbereiteten ausg. von Wielands Kom. erz. mit krit. appar. zugelassen werde: bindende zusage besitzt er nicht.
Die möglichkeiten eines neudruckes aller schriften der Neuberin ist mit Fritz Winter besprochen, eine vereinbarung nicht getroffen.
Vorgestern erhielt ich ein angebot von Szamatólski den Christl. Meynenden Faust zu edieren: ich habe ihm geantwortet, ich würde dies heft dem verleger dringend empfehlen (was geschah), könne aber keine zusage geben.
Ebenso habe ich Leitzmann mit seinen wünschen betr. Forster (Ansichten vom Niederrhein wären teilweise wirklich nicht übel, oder auch kleine aufsätze) und Eugen Wolff betr. El. Schlegelscher dramen und excerpten aus Gottscheds Tadlerinnen in eine unbekannte zukunft verwiesen. Ich hatte Ihnen seit 1½ jahren weder mit ablehnungen (ausser wo die sache zweifellos war) noch mit zusagen nicht vorgreifen wollen u. nicht vorgegriffen.
Aufmerksam mache ich Sie auf ein heft Novalis Blütenstaub, das Minor während seines Schlegeldruckes einreichte u. dann zurückzog. Vielleicht können Sie es loseisen.
Sollten Sie es wünschen, so notire ich Ihnen, was ich mit Scherer zusammen als neudruckenswert beriet, es ist noch genug selbst von dem auf den umschlägen verhiessenen nicht erschienen. Doch ist es gescheuter, Sie gehen Ihre wege selbständig und schlagen neue ein.
Sie wissen nicht, wie freudig ich Ihre vorläufige zusage begrüsste. Lassen Sie sich nicht irre machen. Ich rechne darauf.
Mein befinden ist glücklicherweise viel besser, als Sie meinen.
In treuen
BSeuffert

Dass ich Sie vorschlug weiss kein mensch ausser Schönbach. Ob es Göschen geheim hielt, weiss ich nicht. Doch vermute ich es, weil E Schmidt der Nast in Berlin jüngst sprach, mir gestern Szamatólski empfahl (nachdem ich diesem schon geantwortet hatte). Ich schreibe das, damit Sie wissen, dass Sie freiherr sind in der leitung, keines kollegen gunst oder ungunst schon vor der übernahme erfuhren. Auch Schönbach meldete ich erst das geschriebene. Ich hoffe u. wünsche, dass Sie aus allem ersehen, wie viel mir an Ihrer zusage liegt und dass ich mit peinlicher korrektheit zu verfahren bestrebt war.

Graz 10.2.91

Lieber freund Sie haben inzwischen auch einen brief von mir erhalten. Ich eile, Ihre fragen zu beantworten und hoffe, dass Sie die antwort noch in Wien trifft.
1) Über meine einkünfte als herausgeber habe ich schon bescheid gesagt: 5 m. pro bogen, in den letzten jahren 7 m.
2) Die redaktion wurde noch niemand angetragen. Ich habe Göschen sofort ehe er mit Henningern abschloss Sie in 1. linie empfohlen. Göschen hat mir 2 andere namen genannt, liess sie aber auf meinen widerspruch hin sofort fallen: ich glaube nicht, dass er mit den herren schon in unterhandlung war, zumal damals sein absehen sich noch ganz auf meine person zuspitzte. Jetzt, da ich ernst machte mit dem rücktritte, habe ich nur Sie genannt u. Göschen hat sofort Sie berufen. Lediglich mit Fresenius habe ich einmal ein privatissimum über meine nachfolge gehabt: es schien mir dies der einzige weg seine damals längst fertige krit. ausg. von Wielands Heilbronner erzählungen flott zu kriegen; auch meinte ich, die DLZ werde zu neujahr eingehen u. Fresenius also frei werden. Er hat mir nicht einmal darauf geantwortet. Göschen weiss von der vorfrage nichts. Ich habe Fresenius nachdem Göschen Ihre person endgültig acceptirt hatte sofort mitgeteilt: dass ich aus seinem halbjährigen schweigen seine ablehnung geschlossen hätte und den verleger nicht auf ihn aufmerksam gemacht hätte. Ich gestehe Ihnen, dass mich der schritt gegen Fresenius reut: es war eine plötzliche anwandlung von gutmütigkeit, den mann in bewegung zu bringen, denn es liegt so viel in ihm brach. Aber ich versichere aufs ehrlichste: ich habe ihn nur gefragt; wäre meine frage ein bindender antrag gewesen, so hätte selbst Fresenius sie beantwortet.
Dass Göschen nicht auf Sie allein sich beschränkte bei seinen jahralten vorbesprechungen mit mir hat nicht in irgend einer abneigung gegen Sie seinen grund, sondern lediglich darin, dass er leute nannte die schon in geschäftsbeziehung zu ihm stehen und die er billiger zu haben hoffte als Sie: denn ich habe für Sie gleich mein honorar gefordert. Er liess sich aber sofort die billigeren herrn aus dem kopf bringen.
Sie erhalten ausser dem honorar 4 freiex. geh. und 1 in aushängebogen.
Die mitarbeiterverhältnisse sind bei dem übergange des verlages an Göschen etwas gedrückt worden:
1) 15 freiex. + 1 in aushängebogen.
2) für die einleitung 18 m. pro bogen.
3) für den textkritischen apparat erhöhung des texthonorars um 3 m. pr. b.
4) für den text 10–15 m. je nachdem er aus kurzzeiligen versen oder aus prosa besteht, ein glatter abdruck oder eine sammlung ist; auch die berühmtheit des namens des herausgebers kann preisschwankungen nötig machen.
Ihre 3) frage: Manuscript steht zunächst zu erwarten von Schüddekopf, Götz Zerstreute gedd. Er ist der einzige mit dem eine bindende abrede getroffen ist.
In druck ist nichts.
Aus alter zeit rührt die vereinbarung mit Fresenius betr. Wlds 1752er Erzählgen. Sie wird aber nicht drücken.
Ferner ist mit Jul. Elias eine ältere abmachung da wegen eines hist.-krit. neudruckes von Wernicke 1704. Ich habe dem herrn vor jahren 2 proben seines krit. appar. als ungenügend zurückgeschickt u. nach dem ende der Henninger die zusage ihm gegenüber nicht erneuert. Von mir besitzt er kein bindendes versprechen. Ob aber nicht von Göschen? dem war er empfohlen u. dem bot er verzicht auf honorar an, worauf Nast hereinfiel; ich antwortete: durch ein so grosses heft binde ich meinen nachfolger nicht.
Dann möchte ich bitten, dass mein schüler Hans Sittenberger mit einer vorbereiteten ausg. von Wielands Kom. erz. mit krit. appar. zugelassen werde: bindende zusage besitzt er nicht.
Die möglichkeiten eines neudruckes aller schriften der Neuberin ist mit Fritz Winter besprochen, eine vereinbarung nicht getroffen.
Vorgestern erhielt ich ein angebot von Szamatólski den Christl. Meynenden Faust zu edieren: ich habe ihm geantwortet, ich würde dies heft dem verleger dringend empfehlen (was geschah), könne aber keine zusage geben.
Ebenso habe ich Leitzmann mit seinen wünschen betr. Forster (Ansichten vom Niederrhein wären teilweise wirklich nicht übel, oder auch kleine aufsätze) und Eugen Wolff betr. El. Schlegelscher dramen und excerpten aus Gottscheds Tadlerinnen in eine unbekannte zukunft verwiesen. Ich hatte Ihnen seit 1½ jahren weder mit ablehnungen (ausser wo die sache zweifellos war) noch mit zusagen nicht vorgreifen wollen u. nicht vorgegriffen.
Aufmerksam mache ich Sie auf ein heft Novalis Blütenstaub, das Minor während seines Schlegeldruckes einreichte u. dann zurückzog. Vielleicht können Sie es loseisen.
Sollten Sie es wünschen, so notire ich Ihnen, was ich mit Scherer zusammen als neudruckenswert beriet, es ist noch genug selbst von dem auf den umschlägen verhiessenen nicht erschienen. Doch ist es gescheuter, Sie gehen Ihre wege selbständig und schlagen neue ein.
Sie wissen nicht, wie freudig ich Ihre vorläufige zusage begrüsste. Lassen Sie sich nicht irre machen. Ich rechne darauf.
Mein befinden ist glücklicherweise viel besser, als Sie meinen.
In treuen
BSeuffert

Dass ich Sie vorschlug weiss kein mensch ausser Schönbach. Ob es Göschen geheim hielt, weiss ich nicht. Doch vermute ich es, weil E Schmidt der Nast in Berlin jüngst sprach, mir gestern Szamatólski empfahl (nachdem ich diesem schon geantwortet hatte). Ich schreibe das, damit Sie wissen, dass Sie freiherr sind in der leitung, keines kollegen gunst oder ungunst schon vor der übernahme erfuhren. Auch Schönbach meldete ich erst das geschriebene. Ich hoffe u. wünsche, dass Sie aus allem ersehen, wie viel mir an Ihrer zusage liegt und dass ich mit peinlicher korrektheit zu verfahren bestrebt war.

Briefdaten

Schreibort: Graz
Empfangsort: Wien
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 7 Seite(n)

Status

Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8561 [Druckausgabe Nr. 108]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8561/methods/sdef:TEI/get

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Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

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