Prag Weinberge 450.
22.3.91.

Lieber Freund!

Ich habe meine Vorlesungen früh geschlossen und war bereits 14 Tage auf dem Lande bei meinen Verwandten, von wo ich gestern zurück kam. Ich habe diese Art Erholung einer Grazer Reise vorziehen müssen, weil ich mich auf einer solchen zuviel angestrengt u. aufgeregt hätte. Ich komme bald einmal in besserer Laune, als sie mir jetzt zu Gebote steht.
Gestern habe ich auch den Contract mit Göschen unterschrieben. Indem ich Ihnen für Ihre Recommandation noch einmal herzlich danke, will ich Ihnen über unsere Vereinbarungen kurz berichten. Er zahlt mir 10 M. pro Bg. als Herausgeber. Die Honorarliste haben wir beibehalten, wie Sie sie aufstellten. Die wichtigste Änderung betrifft die Einleitungen, die in der Regel ganz kurz sein sollen, nach Art der Brauneschen Sammlung. Ich will hauptsächlich mit jüngeren L[eu]ten arbeiten und ein festes Programm durchführen, ohne mich durch zufällige Anerbietungen davon ablenken zu lassen. Zunächst soll das Faustbuch erscheinen, dann d Bl. v. deutscher Art und Kunst (ich habe Lambel gefragt, ob ers machen will). Göschen will die erste Auflage des Münchhausen reproduciren; darüber sind wir noch nicht im Reinen. Dann sollen folgen: die ersten Göttinger M A.; die Schillerschen. Die Gözeschen Schriften gegen Lessing. Die Gegenschriften gegen Friedrich d. Große de la litt. all. ‚Shakespeareübersetzungen des 18. Jahrh.: 1. Borcks Julius Caesar‘. –
Dann will ich die wichtigsten in der Hamb. Dramaturgie besprochenen Dramen in einzelnen Heften vorlegen. Selbst werde ich die erste Aufl. von Canitzmachen (wenn mir die Berliner nicht zuvor kommen) u. die erste Aufl. der Hagedornschen Fabeln u. Erzhlg. – An Schüddekopf und Leitzmann habe ich vorläufig geschrieben; auch an Minor wegen des Blüthenstaubs; mich heute auch bei Schmidt, Werner u. Waldberg als Hrsg. vorgestellt. Sittenbergers Manuskript könnte ich in diesem Jahre nicht mehr zum Druck bringen, weil [Gö]schen heuer überhaupt wenig drucken will, um den Schaden des Uz halbwegs gut zu machen. Wird er im Laufe des Jahres 1892 fertig, so werde ich trachten, es unterzubringen. Wenn sich Termin u. Umfang des Heftes berechnen läßt, so lassen Sie mir beides mittheilen.
Für die gütige Aufnahme meiner Rede schönen Dank. Ich werde Sie zu Grillp. wohl niemals bekehren. Was den Stammescharacter anbelangt, so glaube ich, [daß] er sich wissenschaftlich einmal ganz genau wird analysiren lassen, nur sind unsere Methoden dazu noch nicht genügend ausgebildet. Auch ich tappe vielfach im Dunkeln, weiß auch daß meine Begabung nicht nach dieser Seite liegt; von einem einzelnen aus, sei es nun Schiller, Thukydides oder Grillparzer, wird sich die Frage überhaupt nicht lösen lassen. Ich habe bei Gelegenheit von Scalas Buch [m]it Swoboda viel darüber gesprochen, wie Sie mit Bauer und mündlich kämpfte ich das Thema gerne mit Ihnen durch. – Pfingsten liegt für mich noch im Dunkeln. Einstweil steht allerdings München auf meinem Programm. Empfehlen Sie mich Ihrer lieben Frau u. bleiben mir gut. Herzlichst
Ihr AS.

Prag Weinberge 450.
22.3.91.

Lieber Freund!

Ich habe meine Vorlesungen früh geschlossen und war bereits 14 Tage auf dem Lande bei meinen Verwandten, von wo ich gestern zurück kam. Ich habe diese Art Erholung einer Grazer Reise vorziehen müssen, weil ich mich auf einer solchen zuviel angestrengt u. aufgeregt hätte. Ich komme bald einmal in besserer Laune, als sie mir jetzt zu Gebote steht.
Gestern habe ich auch den Contract mit Göschen unterschrieben. Indem ich Ihnen für Ihre Recommandation noch einmal herzlich danke, will ich Ihnen über unsere Vereinbarungen kurz berichten. Er zahlt mir 10 M. pro Bg. als Herausgeber. Die Honorarliste haben wir beibehalten, wie Sie sie aufstellten. Die wichtigste Änderung betrifft die Einleitungen, die in der Regel ganz kurz sein sollen, nach Art der Brauneschen Sammlung. Ich will hauptsächlich mit jüngeren L[eu]ten arbeiten und ein festes Programm durchführen, ohne mich durch zufällige Anerbietungen davon ablenken zu lassen. Zunächst soll das Faustbuch erscheinen, dann d Bl. v. deutscher Art und Kunst (ich habe Lambel gefragt, ob ers machen will). Göschen will die erste Auflage des Münchhausen reproduciren; darüber sind wir noch nicht im Reinen. Dann sollen folgen: die ersten Göttinger M A.; die Schillerschen. Die Gözeschen Schriften gegen Lessing. Die Gegenschriften gegen Friedrich d. Große de la litt. all. ‚Shakespeareübersetzungen des 18. Jahrh.: 1. Borcks Julius Caesar‘. –
Dann will ich die wichtigsten in der Hamb. Dramaturgie besprochenen Dramen in einzelnen Heften vorlegen. Selbst werde ich die erste Aufl. von Canitzmachen (wenn mir die Berliner nicht zuvor kommen) u. die erste Aufl. der Hagedornschen Fabeln u. Erzhlg. – An Schüddekopf und Leitzmann habe ich vorläufig geschrieben; auch an Minor wegen des Blüthenstaubs; mich heute auch bei Schmidt, Werner u. Waldberg als Hrsg. vorgestellt. Sittenbergers Manuskript könnte ich in diesem Jahre nicht mehr zum Druck bringen, weil [Gö]schen heuer überhaupt wenig drucken will, um den Schaden des Uz halbwegs gut zu machen. Wird er im Laufe des Jahres 1892 fertig, so werde ich trachten, es unterzubringen. Wenn sich Termin u. Umfang des Heftes berechnen läßt, so lassen Sie mir beides mittheilen.
Für die gütige Aufnahme meiner Rede schönen Dank. Ich werde Sie zu Grillp. wohl niemals bekehren. Was den Stammescharacter anbelangt, so glaube ich, [daß] er sich wissenschaftlich einmal ganz genau wird analysiren lassen, nur sind unsere Methoden dazu noch nicht genügend ausgebildet. Auch ich tappe vielfach im Dunkeln, weiß auch daß meine Begabung nicht nach dieser Seite liegt; von einem einzelnen aus, sei es nun Schiller, Thukydides oder Grillparzer, wird sich die Frage überhaupt nicht lösen lassen. Ich habe bei Gelegenheit von Scalas Buch [m]it Swoboda viel darüber gesprochen, wie Sie mit Bauer und mündlich kämpfte ich das Thema gerne mit Ihnen durch. – Pfingsten liegt für mich noch im Dunkeln. Einstweil steht allerdings München auf meinem Programm. Empfehlen Sie mich Ihrer lieben Frau u. bleiben mir gut. Herzlichst
Ihr AS.

Briefdaten

Schreibort: Prag
Empfangsort: Graz
Archiv: Österreichische Nationalbibliothek
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand, allerdings kleinräumige Textverluste durch nachträgliche Lochung
Signatur: Autogr. 422/1-197
Umfang: 4 Seite(n)

Status

Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8568 [Druckausgabe Nr. 111]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8568/methods/sdef:TEI/get

Lizenzhinweis

Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

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