L. F. Ich dank Ihnen vielmals für die ausführliche Skizze. So ähnlich hab ich mirs allerdings vorgestellt; aber diese [Ü]bersicht erleichtert mir doch alles sehr u. ich will künftigen Sommer etwas ähnliches versuchen. Die Studenten brauchens sehr notwendig. Auch für einen selber nutzt es. Es ist ein heilsamer Zwang sich Rechenschaft zu geben.
Auch Ihre Nachricht wegen Weimar genügt mir völlig. Ich hab mit Suphan bereits ausgemacht, daß ich in der zweiten Hälfte Juli hinfahre, wollte aber doch wissen, ob ich auf eigene Kosten werde leben müssen. Sie sollen – nach Gurlitts Andeutung, wenig erbaut, aus Weimar zurückgekommen sein.
Zur ‚Wilhelmine‘ hätt ich aus dem alten Grund wenig Lust. Mein Schüler Rosenbaum hat sich aber damit beschäftigt. Auch soll die erste Fassung seltener sein als ich glaubte. Das Ganze giebt auch nur 4 Bogen u. Göschen [li]ebt die kleinen Hefte. Borcks Caesar macht Hauffen. Aber wann ist noch unbestimmt u. sogar das ist nicht sicher, ob er in den DLD erscheinen wird. Göschen ist nemlich bei allem vortrefflichen Eigenschaften sehr zaghaft und vorsichtig. Er will über die jährlichen 20 Bogen nicht hinausgehen und wie wenig sich damit leisten läßt, wissen Sie selbst. Da ist für Übersetzungen leider wenig Raum. Und das hat mir einen Plan eingegeben, der knapp vor der Durchführung steht. Mit Göschens Erlaubnis begründe ich in einem jüngeren Berliner Verlag eine ‚Bibliothek älterer deutscher Übersetzungen‘. Der Contract soll in den nächsten Tagen perfect werden. Ich habe noch Niemandem etwas gesagt als Bernays u[nd] ich bitte Sie nichts zu erwähnen (auch gegen Schönbach) nicht. Allerdings hat sich der Plan allmälig verschoben. Der Schwerpunkt wird, für den Anfang wenigstens, nicht auf das 18. Jh. verlegt werden, sondern auf das 15–17. Auch soll die Bibl. nicht so sehr den Charakter der Neudrucke tragen. Ungedrucktes wird zunächst bevorzugt. Ich denke an Beatus Rhenanus speculum aistheticum u. ähnliches. Zum Anfang hoff ich Hartfelder zu gewinnen. Scheidenreissers Homer, die il[???] ?? Terenz & Plautus übersetz. Werders Ariost, Lobwassers Psalmen, die älteren Milton & später die Shakespeareübersetz. Das wären einige feststehende Punkte. Es wird sich gewiß vieles mit der Zeit zusammenfinden. Anmerk., Wortverzeichnisse, wenn notwendig: Quellenabdrucke etc. Auch Paralleltexte sind vorgesehen. Die Volksbücher, die Dramatik des 16. Jh. soweit beides Übersetzungen sind, steht uns offen. Ob die Sammlung buchhändlerisch einschlagen wird, ist freilich fraglich. Aber ich hoffe, daß der Fortgang für eine Zeit gesichert ist, weil wir mit geringem Honorar ([o]der womöglich mit keinem!) beginnen wollen. Es giebt genug Leute, die froh sind, wenn ihre Arbeiten gedruckt werden. Die Einleitungen sind daher auch ausführlicher geplant. Die bei den DLD. gemachten Erfahrungen kommen mir wol dabei zu Gute und ich hoffe Erfreuliches.
Sie sind freundlichst zur Mitarbeiterschaft eingeladen. Gibts keine ungedruckten Übersetzungen Wielands? Dafür wäre hier Raum? Wenn Sie junge Leute [a]uf diesem Gebiet arbeiten lassen, so weisen Sie mir die Arbeiten zu. Nur werden Arbeiten von jüngeren principiell nicht honoriert werden. – Von Wien ist alles entzückt. Kelle in den allerhöchsten spirits. Sievers Vortrag soll glänzend gewesen sein. Frech und reclameartig Szamatolski, der ganz abfiel. Minor soll empört gewesen sein über unsere Abwesenheit. Sei’s!
weiter auf S. 1 Alles Gute & Schöne an die Ihrigen. Bestens grüßend Ihr aufrichtig Ergeb.
AS.
L. F. Ich dank Ihnen vielmals für die ausführliche Skizze. So ähnlich hab ich mirs allerdings vorgestellt; aber diese [Ü]bersicht erleichtert mir doch alles sehr u. ich will künftigen Sommer etwas ähnliches versuchen. Die Studenten brauchens sehr notwendig. Auch für einen selber nutzt es. Es ist ein heilsamer Zwang sich Rechenschaft zu geben.
Auch Ihre Nachricht wegen Weimar genügt mir völlig. Ich hab mit Suphan bereits ausgemacht, daß ich in der zweiten Hälfte Juli hinfahre, wollte aber doch wissen, ob ich auf eigene Kosten werde leben müssen. Sie sollen – nach Gurlitts Andeutung, wenig erbaut, aus Weimar zurückgekommen sein.
Zur ‚Wilhelmine‘ hätt ich aus dem alten Grund wenig Lust. Mein Schüler Rosenbaum hat sich aber damit beschäftigt. Auch soll die erste Fassung seltener sein als ich glaubte. Das Ganze giebt auch nur 4 Bogen u. Göschen [li]ebt die kleinen Hefte. Borcks Caesar macht Hauffen. Aber wann ist noch unbestimmt u. sogar das ist nicht sicher, ob er in den DLD erscheinen wird. Göschen ist nemlich bei allem vortrefflichen Eigenschaften sehr zaghaft und vorsichtig. Er will über die jährlichen 20 Bogen nicht hinausgehen und wie wenig sich damit leisten läßt, wissen Sie selbst. Da ist für Übersetzungen leider wenig Raum. Und das hat mir einen Plan eingegeben, der knapp vor der Durchführung steht. Mit Göschens Erlaubnis begründe ich in einem jüngeren Berliner Verlag eine ‚Bibliothek älterer deutscher Übersetzungen‘. Der Contract soll in den nächsten Tagen perfect werden. Ich habe noch Niemandem etwas gesagt als Bernays u[nd] ich bitte Sie nichts zu erwähnen (auch gegen Schönbach) nicht. Allerdings hat sich der Plan allmälig verschoben. Der Schwerpunkt wird, für den Anfang wenigstens, nicht auf das 18. Jh. verlegt werden, sondern auf das 15–17. Auch soll die Bibl. nicht so sehr den Charakter der Neudrucke tragen. Ungedrucktes wird zunächst bevorzugt. Ich denke an Beatus Rhenanus speculum aistheticum u. ähnliches. Zum Anfang hoff ich Hartfelder zu gewinnen. Scheidenreissers Homer, die il[???] ?? Terenz & Plautus übersetz. Werders Ariost, Lobwassers Psalmen, die älteren Milton & später die Shakespeareübersetz. Das wären einige feststehende Punkte. Es wird sich gewiß vieles mit der Zeit zusammenfinden. Anmerk., Wortverzeichnisse, wenn notwendig: Quellenabdrucke etc. Auch Paralleltexte sind vorgesehen. Die Volksbücher, die Dramatik des 16. Jh. soweit beides Übersetzungen sind, steht uns offen. Ob die Sammlung buchhändlerisch einschlagen wird, ist freilich fraglich. Aber ich hoffe, daß der Fortgang für eine Zeit gesichert ist, weil wir mit geringem Honorar ([o]der womöglich mit keinem!) beginnen wollen. Es giebt genug Leute, die froh sind, wenn ihre Arbeiten gedruckt werden. Die Einleitungen sind daher auch ausführlicher geplant. Die bei den DLD. gemachten Erfahrungen kommen mir wol dabei zu Gute und ich hoffe Erfreuliches.
Sie sind freundlichst zur Mitarbeiterschaft eingeladen. Gibts keine ungedruckten Übersetzungen Wielands? Dafür wäre hier Raum? Wenn Sie junge Leute [a]uf diesem Gebiet arbeiten lassen, so weisen Sie mir die Arbeiten zu. Nur werden Arbeiten von jüngeren principiell nicht honoriert werden. – Von Wien ist alles entzückt. Kelle in den allerhöchsten spirits. Sievers Vortrag soll glänzend gewesen sein. Frech und reclameartig Szamatolski, der ganz abfiel. Minor soll empört gewesen sein über unsere Abwesenheit. Sei’s!
weiter auf S. 1 Alles Gute & Schöne an die Ihrigen. Bestens grüßend Ihr aufrichtig Ergeb.
AS.
Schreibort:
Empfangsort: Graz
Archiv: Österreichische Nationalbibliothek
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand, allerdings kleinräumige Textverluste durch nachträgliche Lochung
Signatur:
Autogr. 422/1-222
Umfang: 4 Seite(n)
Rohtranskription, Text teilweise getaggt
ZitiervorschlagBrief ID-8621. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8621/methods/sdef:TEI/get
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