8. Oct. 93
Smichow 586

Lieber Freund! Ich benutze die Ruhe und Stimmung des Sonntagnachmittags – des letzten vor Beginn der Vorlesungen – um mich mit Ihnen etwas ausführlicher wegen der Zeitschrift zu benehmen. Zunächst muß ich etwas vorausschicken was ich mir in Ihren letzten Karten nicht völlig erklären kann. Ich weiß nemlich über Koch eigentlich nichts Böses und wüßte nichts was mich abhalten könnte an seiner Zeitschrift mitzuarbeiten. Ich stehe ganz gut mit ihm; als ich vor etwa zehn Jahren – als ich bei Ihnen in Würzburg war – durch München durchkam, war er sehr liebenswürdig mit mir und hat mir nie was gethan. Was seine Stellung zu Minor betrifft, so hat Minor damals als er die perfide Recension des Sturz für die NfPresse schrieb, jede Schonung verwirkt. Ich werde wol auch nicht leicht die Kochische Ztschrft umgehen können außer ich gründe selber eine neue, wozu ich nicht übel Lust hätte, wenn ich einen Verleger wüßte und wenn ich selber mit Minor besser stünde als ich ste[he] (d. h. wir verkehren; aber das Speculum vitae das meine Wiener Neudrucke hätte retten können gab er an Braune u. für die DLD hat er mir nicht einmal Hoffnung auf etwas gemacht; ich habe also keine Garantie, ob er mir für eine Zs. etwas giebt); mit Fresenius würde ich mich gut vertragen; aber ganz ohne Entg[el]t könnte ich es nicht machen. An R. M. Meyer – den preisgekrönten! – kann ich wohl direct schwer schreiben, weil ich ihn nicht kenne, auch nie mit ihm in Verbindung stand. Oder meinen Sie, daß das gerade Eindruck auf ihn machte, wenn ich als Fremder ihm dieses Ansinnen vortrüge. Ich dachte – als ich in meiner letzten Karte diese Wendung gebrauchte – mehr d[a]ran, durch Schmidt oder durch einen an[de]rn der Berliner auf ihn einzuwirken; und das will ich gerne thun, wenn Sie in Ihrer Antwort noch derselben Meinung sind. Glauben Sie nicht, daß es der neuen Zs. schadet, wenn Sie von einem Juden redigirt wird? Die Strömung dagegen ist doch so allgemein und so arg, daß man sich manche Kreise gleich von vornherein fernhält. Weil Sie Fresenius er[w]ähnten, so ist mir der Gedanke gekommen, ob er es nicht allein thun könnte, etwa so daß Schmidt sich auf den Titel schreiben ließe wie bei der Weimarer Zeitschrift. Viel würde er nicht verlangen und er macht es gewiß genauer als alle andern. Oder Köster, der ein reicher Mann sein soll, den ich aber gar nicht kenne, der vielleicht Schröders und der Zs. wegen nicht darf. Um zum Anfang zurückzukehren, so denke ich mir, daß der Parteistandpunkt so wenig als [mö]glich bei einer Neugründung in Betracht kommen sollte. Koch braucht ja seiner eigenen Zs. wegen nicht eingeladen zu werden; aber eine Spitze gegen ihn und die Seinigen, wenn es solche giebt, sollte das neue Organ doch nicht erhalten. Vielleicht seh ich zu unschuldig in die Welt; aber mir will es scheinen, als ob es in der neueren Litt. Geschichte Parteien wie einst in der Germani[sti]k gar nicht mehr giebt. Wenn Sie mich des Gegentheils belehren, dann will ich mich Ihren Ansichten gerne fügen. Wenden Sie eine Viertelstunde darauf und rechnen Sie auf meine Mithilfe bei einer Neugründung in jeder Beziehung. Herzlich grüßend Ihr treulichst Ergeb.
AS.

8. Oct. 93
Smichow 586

Lieber Freund! Ich benutze die Ruhe und Stimmung des Sonntagnachmittags – des letzten vor Beginn der Vorlesungen – um mich mit Ihnen etwas ausführlicher wegen der Zeitschrift zu benehmen. Zunächst muß ich etwas vorausschicken was ich mir in Ihren letzten Karten nicht völlig erklären kann. Ich weiß nemlich über Koch eigentlich nichts Böses und wüßte nichts was mich abhalten könnte an seiner Zeitschrift mitzuarbeiten. Ich stehe ganz gut mit ihm; als ich vor etwa zehn Jahren – als ich bei Ihnen in Würzburg war – durch München durchkam, war er sehr liebenswürdig mit mir und hat mir nie was gethan. Was seine Stellung zu Minor betrifft, so hat Minor damals als er die perfide Recension des Sturz für die NfPresse schrieb, jede Schonung verwirkt. Ich werde wol auch nicht leicht die Kochische Ztschrft umgehen können außer ich gründe selber eine neue, wozu ich nicht übel Lust hätte, wenn ich einen Verleger wüßte und wenn ich selber mit Minor besser stünde als ich ste[he] (d. h. wir verkehren; aber das Speculum vitae das meine Wiener Neudrucke hätte retten können gab er an Braune u. für die DLD hat er mir nicht einmal Hoffnung auf etwas gemacht; ich habe also keine Garantie, ob er mir für eine Zs. etwas giebt); mit Fresenius würde ich mich gut vertragen; aber ganz ohne Entg[el]t könnte ich es nicht machen. An R. M. Meyer – den preisgekrönten! – kann ich wohl direct schwer schreiben, weil ich ihn nicht kenne, auch nie mit ihm in Verbindung stand. Oder meinen Sie, daß das gerade Eindruck auf ihn machte, wenn ich als Fremder ihm dieses Ansinnen vortrüge. Ich dachte – als ich in meiner letzten Karte diese Wendung gebrauchte – mehr d[a]ran, durch Schmidt oder durch einen an[de]rn der Berliner auf ihn einzuwirken; und das will ich gerne thun, wenn Sie in Ihrer Antwort noch derselben Meinung sind. Glauben Sie nicht, daß es der neuen Zs. schadet, wenn Sie von einem Juden redigirt wird? Die Strömung dagegen ist doch so allgemein und so arg, daß man sich manche Kreise gleich von vornherein fernhält. Weil Sie Fresenius er[w]ähnten, so ist mir der Gedanke gekommen, ob er es nicht allein thun könnte, etwa so daß Schmidt sich auf den Titel schreiben ließe wie bei der Weimarer Zeitschrift. Viel würde er nicht verlangen und er macht es gewiß genauer als alle andern. Oder Köster, der ein reicher Mann sein soll, den ich aber gar nicht kenne, der vielleicht Schröders und der Zs. wegen nicht darf. Um zum Anfang zurückzukehren, so denke ich mir, daß der Parteistandpunkt so wenig als [mö]glich bei einer Neugründung in Betracht kommen sollte. Koch braucht ja seiner eigenen Zs. wegen nicht eingeladen zu werden; aber eine Spitze gegen ihn und die Seinigen, wenn es solche giebt, sollte das neue Organ doch nicht erhalten. Vielleicht seh ich zu unschuldig in die Welt; aber mir will es scheinen, als ob es in der neueren Litt. Geschichte Parteien wie einst in der Germani[sti]k gar nicht mehr giebt. Wenn Sie mich des Gegentheils belehren, dann will ich mich Ihren Ansichten gerne fügen. Wenden Sie eine Viertelstunde darauf und rechnen Sie auf meine Mithilfe bei einer Neugründung in jeder Beziehung. Herzlich grüßend Ihr treulichst Ergeb.
AS.

Briefdaten

Schreibort: Prag
Empfangsort: Graz
Archiv: Österreichische Nationalbibliothek
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand, allerdings kleinräumige Textverluste durch nachträgliche Lochung
Signatur: Autogr. 422/1-225
Umfang: 4 Seite(n)

Status

Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8628 [Druckausgabe Nr. 125]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8628/methods/sdef:TEI/get

Lizenzhinweis

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