Graz 11 X 93

Lieber freund Ihren brief begrüsse ich mit grossen freuden: das ist ja das allerbeste, was ich wünschen kann für die sache, dass Sie die neugründung übernehmen und führen. Sie können recht haben, dass RM Meyers judentum anstössig sein möchte, auch ist er wol schlaudrig; Fresenius ist mit anderm beladen u. nicht beweglich genug, allein zu stehen; von Köster weiss ich nichts. Aber auch wenn alle diese geeignet u. geneigt wären, so sind doch Sie erfahrner mann mit Ihrer gewandtheit weitaus besser. Sie sind mit Schmidt u. Minor verbunden genug, um ihre und der ihren mitarbeit zu gewinnen und ihre hilfe zu materiellen gaben der ministerien und unabhängig genug sie als berater nicht ertragen zu müssen.* Sie sind überhaupt nicht verfehdet und können also jedermann einladen und beherbergen. Sie haben verlegerverbindungen mit Cotta u. Göschen, Sie wissen neue anzuknüpfen, wie Sie es mit Felber taten, kurz es wird Ihnen nicht fehlen. – –
Von Minors Sturzanzeige wusste ich nichts oder habs vergessen. Ich meinte die Schillerreferate Kochs für das Fr. deutsche hochstift. Wissen Sie nichts nachteiliges über Koch, so will ichs auch nicht zu seinem schaden verbreiten. Ich entsinne mich nur liebenswürdiges von ihm erfahren zu haben, aber ich kann doch nicht an seiner hand gehen. Parteimann würde auch ich ihn nicht nennen, ich kenne seine partei nicht, und bin principiell für parteilosigkeit in wissenschaftlichen dingen, glaube auch in der VJSchrift herren aus allen richtungen zu worte gebracht zu haben. Doch das ist alles nebensache.
Die hauptsache ist, dass Sie aus Ihrer „lust“ eine zs. zu gründen die tat machen. Ihnen gelingt das viel besser als mir es gelungen ist: ich bin zu schwerfällig für alles periodische wesen. Glück auf also!
Zum schluss Ihres briefes haben Sie das subjekt verwechselt; Sie schrieben: rechnen Sie auf meine mithilfe bei einer neugründung. Ich nehme den satz als mir in den mund gelegt und zu Ihnen gesprochen und füge bei: ich will ein bescheidner mitarbeiter sein.
Treu grüsst
Ihr
ergebner
BSeuffert.

Indem ich mein geschmiere überlese, sehe ich, dass es alles titulare blöde behandelt. Mög es Ihnen eine warnung sein, wo man titel nicht sucht. Oder sind titel überhaupt nicht zu suchen, nur zu finden? Jedesfalls sind die formalsten die besten; die ideenreichsten die schlechtesten. Ein gespreizter titel verdirbt alles, ein leerer erlaubt alles. – – Ich kann diesmal nicht taufen. – –
Ich sehe dass ich Ihre dissertationenfrage nicht beantwortete. Ich glaube nicht, dass so kurze excerpte möglich sind; schon das zusammenpressen verdirbt, wie ich an Sittenbergers Com. erzählgen. erkenne. Und ausserdem – Schönbach wird Ihnen darüber schreiben. Was er schreibt, wollte er schon 1888 oder gar 87. Dass ichs damals nicht wollte, gab verdruss. Auch dies vertraulichst.
Nochmals
Ihr
BSfft.

* NB mir hat sich übrigens Schmidt nie als solcher aufgedrängt.

Graz 11 X 93

Lieber freund Ihren brief begrüsse ich mit grossen freuden: das ist ja das allerbeste, was ich wünschen kann für die sache, dass Sie die neugründung übernehmen und führen. Sie können recht haben, dass RM Meyers judentum anstössig sein möchte, auch ist er wol schlaudrig; Fresenius ist mit anderm beladen u. nicht beweglich genug, allein zu stehen; von Köster weiss ich nichts. Aber auch wenn alle diese geeignet u. geneigt wären, so sind doch Sie erfahrner mann mit Ihrer gewandtheit weitaus besser. Sie sind mit Schmidt u. Minor verbunden genug, um ihre und der ihren mitarbeit zu gewinnen und ihre hilfe zu materiellen gaben der ministerien und unabhängig genug sie als berater nicht ertragen zu müssen.* Sie sind überhaupt nicht verfehdet und können also jedermann einladen und beherbergen. Sie haben verlegerverbindungen mit Cotta u. Göschen, Sie wissen neue anzuknüpfen, wie Sie es mit Felber taten, kurz es wird Ihnen nicht fehlen. – –
Von Minors Sturzanzeige wusste ich nichts oder habs vergessen. Ich meinte die Schillerreferate Kochs für das Fr. deutsche hochstift. Wissen Sie nichts nachteiliges über Koch, so will ichs auch nicht zu seinem schaden verbreiten. Ich entsinne mich nur liebenswürdiges von ihm erfahren zu haben, aber ich kann doch nicht an seiner hand gehen. Parteimann würde auch ich ihn nicht nennen, ich kenne seine partei nicht, und bin principiell für parteilosigkeit in wissenschaftlichen dingen, glaube auch in der VJSchrift herren aus allen richtungen zu worte gebracht zu haben. Doch das ist alles nebensache.
Die hauptsache ist, dass Sie aus Ihrer „lust“ eine zs. zu gründen die tat machen. Ihnen gelingt das viel besser als mir es gelungen ist: ich bin zu schwerfällig für alles periodische wesen. Glück auf also!
Zum schluss Ihres briefes haben Sie das subjekt verwechselt; Sie schrieben: rechnen Sie auf meine mithilfe bei einer neugründung. Ich nehme den satz als mir in den mund gelegt und zu Ihnen gesprochen und füge bei: ich will ein bescheidner mitarbeiter sein.
Treu grüsst
Ihr
ergebner
BSeuffert.

Indem ich mein geschmiere überlese, sehe ich, dass es alles titulare blöde behandelt. Mög es Ihnen eine warnung sein, wo man titel nicht sucht. Oder sind titel überhaupt nicht zu suchen, nur zu finden? Jedesfalls sind die formalsten die besten; die ideenreichsten die schlechtesten. Ein gespreizter titel verdirbt alles, ein leerer erlaubt alles. – – Ich kann diesmal nicht taufen. – –
Ich sehe dass ich Ihre dissertationenfrage nicht beantwortete. Ich glaube nicht, dass so kurze excerpte möglich sind; schon das zusammenpressen verdirbt, wie ich an Sittenbergers Com. erzählgen. erkenne. Und ausserdem – Schönbach wird Ihnen darüber schreiben. Was er schreibt, wollte er schon 1888 oder gar 87. Dass ichs damals nicht wollte, gab verdruss. Auch dies vertraulichst.
Nochmals
Ihr
BSfft.

* NB mir hat sich übrigens Schmidt nie als solcher aufgedrängt.

Die hauptsache ist, dass Sie aus Ihrer „lust“ eine zs. zu gründen die tat machen. Ihnen gelingt das viel besser als mir es gelungen ist: ich bin zu schwerfällig für alles periodische wesen. Glück auf also!

Als Bernhard Seuffert 1893 seine Vierteljahrschrift für Litteraturgeschichte einstellte, begann August Sauer, Überlegungen über die Neugründung einer literaturgeschichtlichen Zeitschrift anzustellen.

Briefdaten

Schreibort: Graz
Empfangsort: Prag
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 4 Seite(n)

Status

Rohtranskription, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8629. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8629/methods/sdef:TEI/get

Lizenzhinweis

Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

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