Graz 15 I 94

Lieber Freund Dass ichs nicht vergesse stelle ich an die spitze:
1) Pawel schickte mir einen Rabener-Gleimbrief, ich sandte ihn zurück u. zeigte ihm ihren Euphorion an, habe aber nicht gesagt, dass er Ihnen das mscpt. senden solle, denn es ist nicht bedeutend.
2) Quidde fragt auf einer halb gedruckten karte, warum die VJS eingegangen sei u. was weiter geschehen werde. Auch ihm habe ich Ihr unternehmen gemeldet, gab ihm aber über die gründe des einganges keine antwort: was geht ihn das an?
Es ist doch hübsch und wunderlich zugleich, dass nicht nur die sich folgenden redacteure sondern auch die sich ablösenden verleger freunde sind: Böhlau schrieb mir das. Er mag wol dem jüngeren collegen gründlich abgeraten haben, als dieser ihn um aufklärungen bat. Desto besser für Sie: so geht er nicht mit illusionen ans werk und mit desto mehr energie.
Ihren prospekt erwarte ich mit ungeduld, möchte aber um die erlaubnis bitten, darüber schweigen zu dürfen gegen Sie: denn beifall brauchen Sie nicht und wenn ich etwas – mit unrecht oder vielleicht mit etwas recht – anders wünschte, so würde es Ihnen unnötig kopfzerbrechen machen. Je subjektiver Sie’s anpacken, desto besser wird das werk. Sie werden ohnehin zu früh meine erfahrung machen, dass das wenigste einem ganz entspricht, dass man aus äusseren und inneren, sachlichen und persönlichen, geschäftlichen und hundert gründen sich von seinem wege mit vollem wissen abdrängen lässt. Jetzt scheint mir nur eines not: dass der prospekt bald kommt, damit Felber-Koch nicht gar im ärger ihre Zs. umgestalten. Sie haben doch für eine notiz bei Behaghel und in allen blättern mit denen Sie verkehren gesorgt? DLZ? Österr. gymn.-zs.? Gehen Sie doch Muncker um eine notiz in den Bll. f. bair. gymn. an! Solche notizen sind besser als annoncen. Schicken Sie mir prospekte, so kann ich, falls Sie es wünschen, die Preuss. jahrbb., die Vossische ztg., Dtsche rundschau u. vielleicht noch ein oder das andere blatt darauf aufmerksam machen. Und auch personen.
Sie fragen mich um den kritischen teil. Ich möchte Ihnen auch hiefür möglichste freiheit der beweglichkeit als princip raten. Richtig ist Ihr grundsatz: die leser müssen die meinung bekommen, dass sie ausreichend orientiert seien durch Ihr blatt. Ausreichend ist ein dehnbarer begriff u. das ist das gute daran. Vollständig sein geht nicht, das würde Sie erdrücken, zu teuer kommen u. s. f. Der grad der vollständigkeit ist zufallssache. Sie erreichen nicht einmal alles, was Sie wollen, geschweige dass Sie allein im stande wären – nach meiner meinung – die wünsche aller leser zu erraten u. zu treffen. Es handelt sich also darum, dass Sie vielerlei bringen u. dadurch den lesern sand in die augen streuen über das was fehlt. Ich würde mich für den anfang, wo Sie noch keinen sicher arbeitenden recensentenstab um sich versammeln können, an gar kein princip binden. Ich würde sehen, was ich kriege, und dann lücken selbst zustopfen. Lücken in rubriken meine ich. Also etwa Ihr verleger fordert die verleger zu einsendungen auf, verspricht die besprechung oder erwähnung aller arbeiten, verbittet sich schöne litteratur (die Sie doch bei seite lassen wollen?) und erklärt, nichts zurückzuschicken; nur so kann er die verleger erziehen, nicht zu viel unbrauchbares zu senden. Denn auch die VJS., obwol sie nie recensionen brachte, erhielt immer wider gedichte u. dgl. zur besprechung: das rücksenden war lästig.
Sie lesen den wochen-Hinrichs, streichen an, was Ihr verleger Ihnen als rec.-ex. besorgen soll u. suchen auch hiefür den recensenten.
Sie fordern auf dem umschlag jedes heftes die verff. von progr. u. diss. undzeitschriftartikeln zur einsendung auf. Ebenso zu berichten aus gesellschaften.
Sie verzeichnen jeden einlauf, den freiwilligen und den erpressten, auf dem umschlag. Sie erklären dabei, dass das verzeichnis nur in bezug auf das vollständig sei, was Ihnen vorlag (dadurch erpressen Sie zusendungen und decken Sie sich gegen Lücken) und erwähnen aber gleichwohl was Ihnen irgend bekannt wird, auch zss.
Sie fordern auch zu mitteilungen über vorbereitete bücher auf (das zieht an) und bringen diese am schlusse der zs. selbst (nicht auf dem umschlag).
Sie geben grosse oder kleine recensionen, wie sie einlaufen, nicht nach dem umfang geordnet, sondern womöglich nach der chronologie des inhalt. Sie geben darnach unvollständige bibliographische übersichten (unvollständiger als die umschlaganzeigen) über bücher, progr., diss., ephemerides mit allgemeinster inhaltsangabe (kürzer als Geiger), mit oder ohne kritik. Ich würde dabei wie Sybels Zs. verfahren, allgemeine citate nicht scheuen; es liest sich besser als das zahlenwerk und es ist doch auffindbar was gemeint ist. Quidde ist zu geordnet, das ist jahresberichtstil. Wenn Sie einen zeitungsleser kennen, der ich nicht bin, so gewinnen Sie ihn für sich: er soll bedeutende feuilletons erwähnen.
Recensionen würde ich nicht verzeichnen, ausser wenn sie neues beweisen (nicht blos behaupten).
Behaghel ist mir bequem. Ich finde da, was ich brauche und muss es nicht erst aus anderm wuste auslesen wie in der DLZ oder im Centrbl. Ich bin der meinung, dass derlei auch in vierteljährigen pausen noch sehr erwünscht und bequem ist.

16 I

Gestern abends wurde ich durch Bauer unterbrochen. Ich fragte ihn nach seinem eindruck von Sybel u. Quidde; er bevorzugt, wie Sie u. ich, Sybel.
Ich würde es durchaus nicht scheuen, bücher und zeitungsartikel und alles was dazwischen liegt, gelegentlich nur mit titel und urteil, ohne genauere inhaltsangabe, zu geben; ich meine so: Die ‚Studien zur Littgeschichte, M. Bernays gewidmet‘ Hambg u. Lpz 1893 M.8 [keine seitenzahlen u. kein format , aber preis] enthalten vier aufsätze über übersetzgen (Homer spanisch 15 jh., Terenz (15 jh.), Milton (18 jh.) und Shakespeare (19 jh. diese drei identisch); einen unbedeutenden über englische aufführungen u. übersetzgen von dramen Lessings, Schillers u. aa.; schöne briefe von G R Weckherlin, von Bodmer, P. A. Wolff (dabei einer von Goethe an Wolffs Mutter, der im entwurf schon bekannt ist); einen wichtigen nachweis zu Goethes Falconetaufsatz von Witkowski; wenig fruchtbare artikel über Wackenroders kunstansicht, Schillers ästhetik (im anschluss an die Künstler); eine einseitig psychologische erklärung und sachlich ungerechte verurteilung der Herderschen metakritik; allzu allgemeine ausführungen über das enjambement von Aristoteles bis ins 19 jh. Beziehungen des Nürnberger humanismus zu C. Fedele, erörterungen über die Gaungu-Hrólfs-Saga und über Coquillartische monologe kommen für uns weniger in betracht.
So weiss jedermann was er hier zu suchen hat besser als aus dem inhaltsverzeichnis. Mehr braucht über ein im ganzen schales buch nicht gesagt zu werden. (Ich wähle das beispiel, weil es mir gerade nahe liegt.)
Das ideal bleibt die zuweisung von gruppen (nicht zu kleinen) an bestimmte mitarbeiter. Nur dadurch erreichen Sie einheitlichkeit. Ich denke dabei mehr an das Centrbl. als an den Jahresbericht. Aber woher wollen Sie die leute nehmen? solche leute, die verlässig alle vierteljahr das wesentliche aufarbeiten? Ich selbst möchte mich dazu nicht verpflichten.
Feuilletons würde ich nicht suchen, nur verzeichnen was Ihnen zugeschickt oder zugetragen wird. Beil. zur Allg. ztg, Sonntagsbeil. der Voss., Beil. der Lpzer allenfalls u. ähnliches würde ich aber mit hilfe des Centrbl. excerpieren lassen. Ebenso die zss, aber nicht die f. höhere töchterschulen (Teubner) u. auch aus Sanders u. Lyon nur wesentliches.
Zu grosse recensionen (mehrere bogen) würde ich nicht suchen, aber nicht abweisen.
Eine dringliche bitte ist, nicht zu viele titel-abkürzungen zu gebrauchen; es ist hässlich u. hält auf.
Personalia halte ich für unnötig; andere sehen sich gerne gedruckt wenn sie vom gymnasiallehrer zum oberlehrer avancieren oder irgend einen stern 4. klasse ins knopfloch kriegen. Jedenfalls wäre ich gegen rein akademische personalia.
Wollen Sie den berichtteil eigens paginieren wie der Anzeiger selbstständig ist? Schön ists, aber für Sie unbequem. Das verhältnis, gelegentlich aus not misverhältnis zwischen produktivem u. kritischem teil wird durch getrennte paginierung sinnfälliger.
Auch ich meine, dass Sie mit dem recensionsteil sich eine grosse last aufbürden; aber auch Steinmeyer ist der ansicht, dass nur ein solcher eine zs. lebensfähig macht. Ich bitte Sie sehr, sich nicht durch überschriften, abteilungen, rubriken von vorn herein in Ihrem anzeigeteil zu binden. Lassen Sie ihn sich entwickeln. Fürs erste gilt es mit den lesern fühlung zu bekommen. Geben Sie nach, auch gegen Ihr besseres wissen; steht erst die zs. auf festen füssen, dann tyrannisieren Sie das publikum nach gutdünken.
Mit Schönbach habe ich über diese sache nicht gesprochen. Früher aber wol über das was ich schrieb. Ich enthalte Ihnen nicht vor, dass er sagte: ich gebe Ihnen ratschläge, die ich selbst nicht befolgt hätte u. nicht befolgen möchte. Ich meine, ich kann den vorwurf ertragen. Nicht nur weil ich eben jetzt erfahrungen habe, die ich damals als ich anfing nicht hatte, also anderes raten kann u. muss. Ich habe ausserdem immer, wenn auch vielleicht nicht mit der deutlichkeit wie jetzt, gewusst, dass ich einseitig bin und ich komme aus der einseitigkeit nicht hinaus; zum teil vielleicht weil ich nicht mag, um Schönbachs ‚möchte‘ zu gebrauchen. Warum soll ich Ihnen nicht raten, vielseitiger zu sein, und auch nachgiebiger gegen das liebe dumme publikum? Sie sind eine beweglichere natur; Sie müssen auch schliesslich mehr auf den äusseren erfolg sehen: Sie haben den Euphorion gegründet; ich habe die VJSchrift nicht gegründet; ich habe die übernahme der redaction schliesslich zugesagt, als die gründung von andern bis auf diese personenfrage beschlossen war. Ich habe überdies nicht alles einrichten können, was ich wollte; gerade den kritischen teil nicht. Seien Sie versichert, dass wenn ich auf Ihr gütiges vertrauen antworte, es immer nach meinem besten wissen geschieht und das auch da, wo ich mir sage: ich könnte das nicht und nicht so leisten.
Den brief überlesend fürchte ich, dass er Ihnen wenig nützt. Probieren! heisst es für Sie.
Treu ergeben
Ihr
BSfft.

Graz 15 I 94

Lieber Freund Dass ichs nicht vergesse stelle ich an die spitze:
1) Pawel schickte mir einen Rabener-Gleimbrief, ich sandte ihn zurück u. zeigte ihm ihren Euphorion an, habe aber nicht gesagt, dass er Ihnen das mscpt. senden solle, denn es ist nicht bedeutend.
2) Quidde fragt auf einer halb gedruckten karte, warum die VJS eingegangen sei u. was weiter geschehen werde. Auch ihm habe ich Ihr unternehmen gemeldet, gab ihm aber über die gründe des einganges keine antwort: was geht ihn das an?
Es ist doch hübsch und wunderlich zugleich, dass nicht nur die sich folgenden redacteure sondern auch die sich ablösenden verleger freunde sind: Böhlau schrieb mir das. Er mag wol dem jüngeren collegen gründlich abgeraten haben, als dieser ihn um aufklärungen bat. Desto besser für Sie: so geht er nicht mit illusionen ans werk und mit desto mehr energie.
Ihren prospekt erwarte ich mit ungeduld, möchte aber um die erlaubnis bitten, darüber schweigen zu dürfen gegen Sie: denn beifall brauchen Sie nicht und wenn ich etwas – mit unrecht oder vielleicht mit etwas recht – anders wünschte, so würde es Ihnen unnötig kopfzerbrechen machen. Je subjektiver Sie’s anpacken, desto besser wird das werk. Sie werden ohnehin zu früh meine erfahrung machen, dass das wenigste einem ganz entspricht, dass man aus äusseren und inneren, sachlichen und persönlichen, geschäftlichen und hundert gründen sich von seinem wege mit vollem wissen abdrängen lässt. Jetzt scheint mir nur eines not: dass der prospekt bald kommt, damit Felber-Koch nicht gar im ärger ihre Zs. umgestalten. Sie haben doch für eine notiz bei Behaghel und in allen blättern mit denen Sie verkehren gesorgt? DLZ? Österr. gymn.-zs.? Gehen Sie doch Muncker um eine notiz in den Bll. f. bair. gymn. an! Solche notizen sind besser als annoncen. Schicken Sie mir prospekte, so kann ich, falls Sie es wünschen, die Preuss. jahrbb., die Vossische ztg., Dtsche rundschau u. vielleicht noch ein oder das andere blatt darauf aufmerksam machen. Und auch personen.
Sie fragen mich um den kritischen teil. Ich möchte Ihnen auch hiefür möglichste freiheit der beweglichkeit als princip raten. Richtig ist Ihr grundsatz: die leser müssen die meinung bekommen, dass sie ausreichend orientiert seien durch Ihr blatt. Ausreichend ist ein dehnbarer begriff u. das ist das gute daran. Vollständig sein geht nicht, das würde Sie erdrücken, zu teuer kommen u. s. f. Der grad der vollständigkeit ist zufallssache. Sie erreichen nicht einmal alles, was Sie wollen, geschweige dass Sie allein im stande wären – nach meiner meinung – die wünsche aller leser zu erraten u. zu treffen. Es handelt sich also darum, dass Sie vielerlei bringen u. dadurch den lesern sand in die augen streuen über das was fehlt. Ich würde mich für den anfang, wo Sie noch keinen sicher arbeitenden recensentenstab um sich versammeln können, an gar kein princip binden. Ich würde sehen, was ich kriege, und dann lücken selbst zustopfen. Lücken in rubriken meine ich. Also etwa Ihr verleger fordert die verleger zu einsendungen auf, verspricht die besprechung oder erwähnung aller arbeiten, verbittet sich schöne litteratur (die Sie doch bei seite lassen wollen?) und erklärt, nichts zurückzuschicken; nur so kann er die verleger erziehen, nicht zu viel unbrauchbares zu senden. Denn auch die VJS., obwol sie nie recensionen brachte, erhielt immer wider gedichte u. dgl. zur besprechung: das rücksenden war lästig.
Sie lesen den wochen-Hinrichs, streichen an, was Ihr verleger Ihnen als rec.-ex. besorgen soll u. suchen auch hiefür den recensenten.
Sie fordern auf dem umschlag jedes heftes die verff. von progr. u. diss. undzeitschriftartikeln zur einsendung auf. Ebenso zu berichten aus gesellschaften.
Sie verzeichnen jeden einlauf, den freiwilligen und den erpressten, auf dem umschlag. Sie erklären dabei, dass das verzeichnis nur in bezug auf das vollständig sei, was Ihnen vorlag (dadurch erpressen Sie zusendungen und decken Sie sich gegen Lücken) und erwähnen aber gleichwohl was Ihnen irgend bekannt wird, auch zss.
Sie fordern auch zu mitteilungen über vorbereitete bücher auf (das zieht an) und bringen diese am schlusse der zs. selbst (nicht auf dem umschlag).
Sie geben grosse oder kleine recensionen, wie sie einlaufen, nicht nach dem umfang geordnet, sondern womöglich nach der chronologie des inhalt. Sie geben darnach unvollständige bibliographische übersichten (unvollständiger als die umschlaganzeigen) über bücher, progr., diss., ephemerides mit allgemeinster inhaltsangabe (kürzer als Geiger), mit oder ohne kritik. Ich würde dabei wie Sybels Zs. verfahren, allgemeine citate nicht scheuen; es liest sich besser als das zahlenwerk und es ist doch auffindbar was gemeint ist. Quidde ist zu geordnet, das ist jahresberichtstil. Wenn Sie einen zeitungsleser kennen, der ich nicht bin, so gewinnen Sie ihn für sich: er soll bedeutende feuilletons erwähnen.
Recensionen würde ich nicht verzeichnen, ausser wenn sie neues beweisen (nicht blos behaupten).
Behaghel ist mir bequem. Ich finde da, was ich brauche und muss es nicht erst aus anderm wuste auslesen wie in der DLZ oder im Centrbl. Ich bin der meinung, dass derlei auch in vierteljährigen pausen noch sehr erwünscht und bequem ist.

16 I

Gestern abends wurde ich durch Bauer unterbrochen. Ich fragte ihn nach seinem eindruck von Sybel u. Quidde; er bevorzugt, wie Sie u. ich, Sybel.
Ich würde es durchaus nicht scheuen, bücher und zeitungsartikel und alles was dazwischen liegt, gelegentlich nur mit titel und urteil, ohne genauere inhaltsangabe, zu geben; ich meine so: Die ‚Studien zur Littgeschichte, M. Bernays gewidmet‘ Hambg u. Lpz 1893 M.8 [keine seitenzahlen u. kein format , aber preis] enthalten vier aufsätze über übersetzgen (Homer spanisch 15 jh., Terenz (15 jh.), Milton (18 jh.) und Shakespeare (19 jh. diese drei identisch); einen unbedeutenden über englische aufführungen u. übersetzgen von dramen Lessings, Schillers u. aa.; schöne briefe von G R Weckherlin, von Bodmer, P. A. Wolff (dabei einer von Goethe an Wolffs Mutter, der im entwurf schon bekannt ist); einen wichtigen nachweis zu Goethes Falconetaufsatz von Witkowski; wenig fruchtbare artikel über Wackenroders kunstansicht, Schillers ästhetik (im anschluss an die Künstler); eine einseitig psychologische erklärung und sachlich ungerechte verurteilung der Herderschen metakritik; allzu allgemeine ausführungen über das enjambement von Aristoteles bis ins 19 jh. Beziehungen des Nürnberger humanismus zu C. Fedele, erörterungen über die Gaungu-Hrólfs-Saga und über Coquillartische monologe kommen für uns weniger in betracht.
So weiss jedermann was er hier zu suchen hat besser als aus dem inhaltsverzeichnis. Mehr braucht über ein im ganzen schales buch nicht gesagt zu werden. (Ich wähle das beispiel, weil es mir gerade nahe liegt.)
Das ideal bleibt die zuweisung von gruppen (nicht zu kleinen) an bestimmte mitarbeiter. Nur dadurch erreichen Sie einheitlichkeit. Ich denke dabei mehr an das Centrbl. als an den Jahresbericht. Aber woher wollen Sie die leute nehmen? solche leute, die verlässig alle vierteljahr das wesentliche aufarbeiten? Ich selbst möchte mich dazu nicht verpflichten.
Feuilletons würde ich nicht suchen, nur verzeichnen was Ihnen zugeschickt oder zugetragen wird. Beil. zur Allg. ztg, Sonntagsbeil. der Voss., Beil. der Lpzer allenfalls u. ähnliches würde ich aber mit hilfe des Centrbl. excerpieren lassen. Ebenso die zss, aber nicht die f. höhere töchterschulen (Teubner) u. auch aus Sanders u. Lyon nur wesentliches.
Zu grosse recensionen (mehrere bogen) würde ich nicht suchen, aber nicht abweisen.
Eine dringliche bitte ist, nicht zu viele titel-abkürzungen zu gebrauchen; es ist hässlich u. hält auf.
Personalia halte ich für unnötig; andere sehen sich gerne gedruckt wenn sie vom gymnasiallehrer zum oberlehrer avancieren oder irgend einen stern 4. klasse ins knopfloch kriegen. Jedenfalls wäre ich gegen rein akademische personalia.
Wollen Sie den berichtteil eigens paginieren wie der Anzeiger selbstständig ist? Schön ists, aber für Sie unbequem. Das verhältnis, gelegentlich aus not misverhältnis zwischen produktivem u. kritischem teil wird durch getrennte paginierung sinnfälliger.
Auch ich meine, dass Sie mit dem recensionsteil sich eine grosse last aufbürden; aber auch Steinmeyer ist der ansicht, dass nur ein solcher eine zs. lebensfähig macht. Ich bitte Sie sehr, sich nicht durch überschriften, abteilungen, rubriken von vorn herein in Ihrem anzeigeteil zu binden. Lassen Sie ihn sich entwickeln. Fürs erste gilt es mit den lesern fühlung zu bekommen. Geben Sie nach, auch gegen Ihr besseres wissen; steht erst die zs. auf festen füssen, dann tyrannisieren Sie das publikum nach gutdünken.
Mit Schönbach habe ich über diese sache nicht gesprochen. Früher aber wol über das was ich schrieb. Ich enthalte Ihnen nicht vor, dass er sagte: ich gebe Ihnen ratschläge, die ich selbst nicht befolgt hätte u. nicht befolgen möchte. Ich meine, ich kann den vorwurf ertragen. Nicht nur weil ich eben jetzt erfahrungen habe, die ich damals als ich anfing nicht hatte, also anderes raten kann u. muss. Ich habe ausserdem immer, wenn auch vielleicht nicht mit der deutlichkeit wie jetzt, gewusst, dass ich einseitig bin und ich komme aus der einseitigkeit nicht hinaus; zum teil vielleicht weil ich nicht mag, um Schönbachs ‚möchte‘ zu gebrauchen. Warum soll ich Ihnen nicht raten, vielseitiger zu sein, und auch nachgiebiger gegen das liebe dumme publikum? Sie sind eine beweglichere natur; Sie müssen auch schliesslich mehr auf den äusseren erfolg sehen: Sie haben den Euphorion gegründet; ich habe die VJSchrift nicht gegründet; ich habe die übernahme der redaction schliesslich zugesagt, als die gründung von andern bis auf diese personenfrage beschlossen war. Ich habe überdies nicht alles einrichten können, was ich wollte; gerade den kritischen teil nicht. Seien Sie versichert, dass wenn ich auf Ihr gütiges vertrauen antworte, es immer nach meinem besten wissen geschieht und das auch da, wo ich mir sage: ich könnte das nicht und nicht so leisten.
Den brief überlesend fürchte ich, dass er Ihnen wenig nützt. Probieren! heisst es für Sie.
Treu ergeben
Ihr
BSfft.

Briefdaten

Schreibort: Graz
Empfangsort: Prag
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 8 Seite(n)

Status

Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8657 [Druckausgabe Nr. 136]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8657/methods/sdef:TEI/get

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