Prag 19/7 94
Smichow 586

Lieber Freund! Es gieng in den letzten Wochen heiß bei mir zu. In jeder Hinsicht. [Vie]l Ärger, Verdruß im Großen und im Kleinen. Ich will Sie nicht mit allem belästigen; aber das kann ich sagen, daß ich mir keinen zweiten ähnlichen Sommer wünsche. Nun ist ja bald alles wieder im Gleis. Ich fahre Samstag nach Nürnberg bei Schrag Romantikerbriefe zu heben und auch meinen Verleger zu sprechen, fahre über München u. Würzb nach St. Johann in Tirol, wo meine Frau mich erwartet und von dort gleich weiter über Salzburg nach
Kammer a/Attersee Oberösterreich
wo wir vom 25/26 an bis gegen Mitte Spt. bleiben. Ob ich dann noch nach Wien komme weiß ich nicht. Minor und Heinzel sind in der Nähe. – Über den Euphorion hab ich wenig Gutes zu berichten. Er geht gar nicht. Noch nicht 200 Abonne[n]ten; das preuß. Minist. hat ablehnend geantwortet; ich krieg mancherlei schmeichelhafte Briefe; aber Geld wär meinem Verleger lieber. Er ist aber sehr vernünftig und hofft aufs nächste Jahr, wo wir rechtzeitig erscheinen werden. – Leider ist die Druckerei unzuverlässig. Zweite Hälfte Juni arbeitete sie sehr pro[mp]t. Als ich am 28. nach Melk und Wien fuhr war das 2. Heft fertig!! Und dann scheint man rasch Schulprogramme gedruckt und mich liegen gelassen zu haben. Ich bin wütend. So kommt die Bibliographie wieder um 14 Tage zu spät, in Öst. ist schon alles auf Ferien, das Interesse pfutsch. – Das 3. Heft ist im Druck. Sie müssen nächster Tage Correctur [kr]iegen. Bitte, senden Sie sie gleich nach Kammer. Es enthält Hebler Schluß. Dann die Aufsätze von Steig und Jan, die ich aus der Erbschaft der Vierteljahrschrift übernommen habe: Herders Antheil an Lavaters physiognomischen Fragmenten und Ein Modell zu Goethes Stella; Minor: 5 Aufsätze über H. v. Kleist; Blümner, der bildliche Ausdruck in den Briefen des Fürsten Bismarck I. Miscellen von Jonas, Minor, Weilen, Kleemann; eine große Recension Witkowskis über Schröer, Valentino, Baumgart; Kawerau (Murner); RMMeyer (Filtsch); Fürst (Widmann Heller); Schlößer (Litzmann Schröder). Die letzteren alle mehr in der Art der Recensionen des 1. Hefts. Witkowski anders. – Fürs 4 Heft bleiben mir alles in allem für Titel, Inhalt und Register circa 11 Bogen. Es wird mir daher nichts anderes übrig bleiben, als die Bibliographie beim 4. Heft ganz ausfallen zu lassen und sie im 5. nachzuholen, das noch im Dezember erscheint. Im nächsten Jahr werd ich [d]ann öconomischer sein und die 13 Bogen niemals überschreiten. Wegen des Registers möcht ich Sie fragen: ob Sie meinen, daß ich es über die Bibliographie ausdehnen müßte. Ich will das nemlich nicht thun. Das würde das Register ungeheuer anschwellen. Vielleicht läßt man wie Quidde (auch Geiger: Goethejahrbuch) nach einer Reihe von Jahren ein eigenes Register für die Bibliograp[h]ie ausarbeiten. Oder denken Sie anders darüber? Ihre Antwort wäre mir sehr wertvoll. Wo gehen Sie hin, wie gehts Ihnen, wie geht’s zu Hause? Könnt ich ein paar Tage mit Ihnen zusammensein; ich hätte so viel mit Ihnen zu reden. Schreiben läßt sich das alles nicht. Oder vielleicht doch einmal. Herzlich grüßend Ihr treulich Ergeb.
AS.

Prag 19/7 94
Smichow 586

Lieber Freund! Es gieng in den letzten Wochen heiß bei mir zu. In jeder Hinsicht. [Vie]l Ärger, Verdruß im Großen und im Kleinen. Ich will Sie nicht mit allem belästigen; aber das kann ich sagen, daß ich mir keinen zweiten ähnlichen Sommer wünsche. Nun ist ja bald alles wieder im Gleis. Ich fahre Samstag nach Nürnberg bei Schrag Romantikerbriefe zu heben und auch meinen Verleger zu sprechen, fahre über München u. Würzb nach St. Johann in Tirol, wo meine Frau mich erwartet und von dort gleich weiter über Salzburg nach
Kammer a/Attersee Oberösterreich
wo wir vom 25/26 an bis gegen Mitte Spt. bleiben. Ob ich dann noch nach Wien komme weiß ich nicht. Minor und Heinzel sind in der Nähe. – Über den Euphorion hab ich wenig Gutes zu berichten. Er geht gar nicht. Noch nicht 200 Abonne[n]ten; das preuß. Minist. hat ablehnend geantwortet; ich krieg mancherlei schmeichelhafte Briefe; aber Geld wär meinem Verleger lieber. Er ist aber sehr vernünftig und hofft aufs nächste Jahr, wo wir rechtzeitig erscheinen werden. – Leider ist die Druckerei unzuverlässig. Zweite Hälfte Juni arbeitete sie sehr pro[mp]t. Als ich am 28. nach Melk und Wien fuhr war das 2. Heft fertig!! Und dann scheint man rasch Schulprogramme gedruckt und mich liegen gelassen zu haben. Ich bin wütend. So kommt die Bibliographie wieder um 14 Tage zu spät, in Öst. ist schon alles auf Ferien, das Interesse pfutsch. – Das 3. Heft ist im Druck. Sie müssen nächster Tage Correctur [kr]iegen. Bitte, senden Sie sie gleich nach Kammer. Es enthält Hebler Schluß. Dann die Aufsätze von Steig und Jan, die ich aus der Erbschaft der Vierteljahrschrift übernommen habe: Herders Antheil an Lavaters physiognomischen Fragmenten und Ein Modell zu Goethes Stella; Minor: 5 Aufsätze über H. v. Kleist; Blümner, der bildliche Ausdruck in den Briefen des Fürsten Bismarck I. Miscellen von Jonas, Minor, Weilen, Kleemann; eine große Recension Witkowskis über Schröer, Valentino, Baumgart; Kawerau (Murner); RMMeyer (Filtsch); Fürst (Widmann Heller); Schlößer (Litzmann Schröder). Die letzteren alle mehr in der Art der Recensionen des 1. Hefts. Witkowski anders. – Fürs 4 Heft bleiben mir alles in allem für Titel, Inhalt und Register circa 11 Bogen. Es wird mir daher nichts anderes übrig bleiben, als die Bibliographie beim 4. Heft ganz ausfallen zu lassen und sie im 5. nachzuholen, das noch im Dezember erscheint. Im nächsten Jahr werd ich [d]ann öconomischer sein und die 13 Bogen niemals überschreiten. Wegen des Registers möcht ich Sie fragen: ob Sie meinen, daß ich es über die Bibliographie ausdehnen müßte. Ich will das nemlich nicht thun. Das würde das Register ungeheuer anschwellen. Vielleicht läßt man wie Quidde (auch Geiger: Goethejahrbuch) nach einer Reihe von Jahren ein eigenes Register für die Bibliograp[h]ie ausarbeiten. Oder denken Sie anders darüber? Ihre Antwort wäre mir sehr wertvoll. Wo gehen Sie hin, wie gehts Ihnen, wie geht’s zu Hause? Könnt ich ein paar Tage mit Ihnen zusammensein; ich hätte so viel mit Ihnen zu reden. Schreiben läßt sich das alles nicht. Oder vielleicht doch einmal. Herzlich grüßend Ihr treulich Ergeb.
AS.

Briefdaten

Schreibort: Prag
Empfangsort: Graz
Archiv: Österreichische Nationalbibliothek
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand, allerdings kleinräumige Textverluste durch nachträgliche Lochung
Signatur: Autogr. 422/1-266
Umfang: 4 Seite(n)

Status

Rohtranskription, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8708. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8708/methods/sdef:TEI/get

Lizenzhinweis

Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

LinksInformation

Das Bildmaterial dieser Webseite sind Reproduktionen aus den Sammlungen der Österreichischen Nationalbibliothek und des Staatsarchivs Würzburg. Für jede weitere Verwendung wenden Sie sich bitte an die jeweilige Institution.