Graz 27 IX 94

Lieber freund Ihr vorwort zur neuen folge beschämt mich. Ich leugne nicht, dass ich oft die empfindung hatte, dass nur die wenigen mitarbeiter wussten, wie viel arbeit ich an die DLD setzte; ich weiss auch sehr wol, dass ich leider manche mitarbeiter verdriesslich machte, weil ich die sammlung so behandelt wissen wollte, wie ichs für recht hielt, wobei ich gewiss manchmal unrecht hatte. Nun gönnen Sie mir ein öffentliches zeugnis, wie ich es schöner nicht wünschen kann und so schön nicht verdiene. Ihr schlusssatz ist die größte ehrung, die mir je erwiesen wurde. Mein dank kann nur darin bestehen, dass ich Ihnen behilflich bin, wo Sie es wünschen und wie ich kann. Möge der erfolg der neuen reihe auch dauerlich günstiger sein als der der alten. Die schrift mit der Sie eröffnen, trifft gewiss ins schwarze wie das heft, mit der die alte geschlossen wird. Für beide danke ich bestens. Bei einer anzeige von Götz’ briefen habe ich mein bedauern ausgesprochen, dass aus buchhändlerischen bedenken, die gedichtsammlung zeitlich beschränkt worden ist; ich halte es für gut, Sie in dieser richtung gegen den ängstlichen Nast zu unterstützen; und nur so darf und kann es aufgefasst werden.
Auch für die nachsichtige aufnahme meines briefes schulde ich Ihnen dank. Ich weiss nur zu wol, wie sehr man in der zusammenstellung eines heftes gebunden ist und wie schwer, ja gelegentlich unmöglich es ist, einen mitarbeiter zu zügeln. Dass Sie reichlich material haben, gewährt Ihnen die mög- lichkeit der auslese. Gewiss brauchen Sie Kögel nicht besprechen zu lassen, der inhalt liegt ja eigentlich vor der zeit des Euphorion; mir schwebte nur vor, die parteilose gerechtigkeit müsse auch ihn (für den persönlich ich gar keine neigung (weder zu- noch abneigung) habe) ! vorführen, damit es nicht aussieht, als ob Ihre nachbarn ein vorrecht hätten. Ums cliquenwesen können Sie sich so wenig kümmern wie ich es tat. Ich liess alle zu worte kommen, die einlass begehrten mit einer sache, die einlass verdiente nach meiner meinung. Ich habe mich selbst um ansichten der mitherausgeber dabei nicht gekümmert und ihren einspruch nicht gehört. Ich weiss nicht, ob Sie mich auch zu einer clique rechnen. Mit willen gehöre ich keiner an. Und die DLD und die VJS zeugen, dünkt mich, nicht für cliquenwesen.
Auch das programm Ihrer übersetzungsbibliothek ist reich. Auf Lucian u. Shakespeare freue ich mich besonders, weil ich sie besonders bedarf. Bodmers Milton*, Wielands Johannisnachttraum könnte ich einem schüler übertragen. Auch für die DLD kann ich aus meinem oder der hiesigen Bibliothek besitz vorlagen liefern u. vielleicht einzelne bearbeiter empfehlen (ohne irgend einen aufdrängen zu wollen): so für Canitz Nebenstunden, Gottsched CDK 1730, Breitinger, CDK 1740, Schönaich u. a. m. Denken Sie nicht auch an dramen von Chr. Weise?
Alles gute ins haus!
Ihr
treu ergebener
BSeuffert.

* Es müssten wol aus den späteren auflagen einige proben dazu kommen, denn sie illustrieren wirklich, was Bodmer sagt, dass er darin zeige, wie er aus dem Schweizerischen Deutsch zum Schriftdeutschen sich durcharbeitete. In diesem betracht, f. die gesch. der deutschen sprache, sind die übersetzungen wertvoller als rein litterarhistorisch.

Graz 27 IX 94

Lieber freund Ihr vorwort zur neuen folge beschämt mich. Ich leugne nicht, dass ich oft die empfindung hatte, dass nur die wenigen mitarbeiter wussten, wie viel arbeit ich an die DLD setzte; ich weiss auch sehr wol, dass ich leider manche mitarbeiter verdriesslich machte, weil ich die sammlung so behandelt wissen wollte, wie ichs für recht hielt, wobei ich gewiss manchmal unrecht hatte. Nun gönnen Sie mir ein öffentliches zeugnis, wie ich es schöner nicht wünschen kann und so schön nicht verdiene. Ihr schlusssatz ist die größte ehrung, die mir je erwiesen wurde. Mein dank kann nur darin bestehen, dass ich Ihnen behilflich bin, wo Sie es wünschen und wie ich kann. Möge der erfolg der neuen reihe auch dauerlich günstiger sein als der der alten. Die schrift mit der Sie eröffnen, trifft gewiss ins schwarze wie das heft, mit der die alte geschlossen wird. Für beide danke ich bestens. Bei einer anzeige von Götz’ briefen habe ich mein bedauern ausgesprochen, dass aus buchhändlerischen bedenken, die gedichtsammlung zeitlich beschränkt worden ist; ich halte es für gut, Sie in dieser richtung gegen den ängstlichen Nast zu unterstützen; und nur so darf und kann es aufgefasst werden.
Auch für die nachsichtige aufnahme meines briefes schulde ich Ihnen dank. Ich weiss nur zu wol, wie sehr man in der zusammenstellung eines heftes gebunden ist und wie schwer, ja gelegentlich unmöglich es ist, einen mitarbeiter zu zügeln. Dass Sie reichlich material haben, gewährt Ihnen die mög- lichkeit der auslese. Gewiss brauchen Sie Kögel nicht besprechen zu lassen, der inhalt liegt ja eigentlich vor der zeit des Euphorion; mir schwebte nur vor, die parteilose gerechtigkeit müsse auch ihn (für den persönlich ich gar keine neigung (weder zu- noch abneigung) habe) ! vorführen, damit es nicht aussieht, als ob Ihre nachbarn ein vorrecht hätten. Ums cliquenwesen können Sie sich so wenig kümmern wie ich es tat. Ich liess alle zu worte kommen, die einlass begehrten mit einer sache, die einlass verdiente nach meiner meinung. Ich habe mich selbst um ansichten der mitherausgeber dabei nicht gekümmert und ihren einspruch nicht gehört. Ich weiss nicht, ob Sie mich auch zu einer clique rechnen. Mit willen gehöre ich keiner an. Und die DLD und die VJS zeugen, dünkt mich, nicht für cliquenwesen.
Auch das programm Ihrer übersetzungsbibliothek ist reich. Auf Lucian u. Shakespeare freue ich mich besonders, weil ich sie besonders bedarf. Bodmers Milton*, Wielands Johannisnachttraum könnte ich einem schüler übertragen. Auch für die DLD kann ich aus meinem oder der hiesigen Bibliothek besitz vorlagen liefern u. vielleicht einzelne bearbeiter empfehlen (ohne irgend einen aufdrängen zu wollen): so für Canitz Nebenstunden, Gottsched CDK 1730, Breitinger, CDK 1740, Schönaich u. a. m. Denken Sie nicht auch an dramen von Chr. Weise?
Alles gute ins haus!
Ihr
treu ergebener
BSeuffert.

* Es müssten wol aus den späteren auflagen einige proben dazu kommen, denn sie illustrieren wirklich, was Bodmer sagt, dass er darin zeige, wie er aus dem Schweizerischen Deutsch zum Schriftdeutschen sich durcharbeitete. In diesem betracht, f. die gesch. der deutschen sprache, sind die übersetzungen wertvoller als rein litterarhistorisch.

Briefdaten

Schreibort: Graz
Empfangsort: Prag
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 4 Seite(n)

Status

Rohtranskription, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8715. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8715/methods/sdef:TEI/get

Lizenzhinweis

Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

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