Prag 24/10 94.
L. F. Daß Sie auf Grund des Minorschen Artikels über KFischer meiner Zeit[schr]ift fast die Mitarbeiterschaft kündigen wollen ist nicht hübsch von Ihnen. Daß ich nicht einseitig philologisch vorgehen werde, mußten Sie von Anfang an wissen; das sagte Ihnen mein Prospect, meine Briefe und auch die bisherige Haltung der Zeitschrift. An Minors Artikel finde ich nichts auszusetzen. Es ist eine Reverenz vor einem alten verdienten Mann, von dem wir Alle Anregungen empfangen haben und noch immer empfangen. Ich habe manches gegen ihn auf dem Herzen: aber ich lerne von ihm. Und ich sage mir, da die Philosophen über sich selbst nicht einig sind, so lasse ich sie alle miteinander gelten. Sehen Sie doch zu, wie Elster seinen Wundt ausspielt (nicht blos gegen Minor). Brentano – Marty erklären Wundt für den unklarsten Kopf d. Erde. Spitzer in seiner Recension von Alt setzt Zimmermann die Krone auf, den andre für einen [Sch]afskopf halten u. s. fort. – Daß ich nicht mit fliegenden Fahnen ins Lager der Philosophen und Aesthetiker übergehen werde: das wissen Sie wohl. Aber ich lasse sie zu Worte kommen; wegen meiner alle der Reihe nach. Das wird zur Klärung mehr beitragen als schroffe Abweisung. Was Minors andre Beiträge betrifft, so können Sie gegen die Kleiststudien nichts vorbringen. Bleibt sein Einleitungsaufsatz. Der, lieber Freund, ist ebenso einseitig, wie der Schönbachs nach andrer Richtung einseitig ist. Erweckte der herben Widerspruch, warum nicht auch der Minors? Abgesehen davon, daß ich Minor nicht vor den Kopf stoßen kann, so wenig wie Schmidt. Auch in der Viertelj. hat er manchmal überflüssige Dinge vorgebracht, Studien zu Grillparzer als neu aufgetischt, wo die betreff[en]den Dinge von mir längst ins Reine gebracht und in der Ausgabe sauber verbucht waren. Das ist nicht zu vermeiden. – Wegen Creizenachs haben Sie Recht. Ich wollte ursprünglich sogar eine Anmerkung ähnlichen Inhalts hinzufügen. Unterließ es dann aber. Wertvoll ist mir s. Beitrag wegen des öst. Ministeriums; die Subvention ist noch nicht bewilligt. Es ist jetzt wenigstens documentirt, daß der früher ausgeschlossene jetzt mitarbei[te]t, unter einem polnischen Minister jetzt von doppelter Wichtigkeit. Darum hab ich den Artikel auch noch ins 4. Heft gestellt, obgleich er erst vor kurzem eingetroffen ist. –
Daß Sie wenigstens mit dem Übrigen nicht ganz unzufrieden sind, ist wenigstens ein Trost. Ich höre wenig Zustimmendes u. wenig Ablehnendes über die einzelnen Hefte. Also vielen Dank für Ihre A[u]frichtigkeit und Ihren Rath. – Das Heften der Bogen wird nun hoffentlich nicht mehr unterbleiben. Der Verleger behauptet von dem Bayreuther Buchbinder betrogen worden zu sein.
Gestern habe ich Sie wegen des Registers gebeten. Vielleicht können Sie meine Bitte bald erfüllen. – Vom künfti[ge]n Band sende ich Ihnen bald etwas. Ich will Ihnen nur nicht erste Correcturen senden, weil man von diesen doch nichts hat.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr
AS
Prag 24/10 94.
L. F. Daß Sie auf Grund des Minorschen Artikels über KFischer meiner Zeit[schr]ift fast die Mitarbeiterschaft kündigen wollen ist nicht hübsch von Ihnen. Daß ich nicht einseitig philologisch vorgehen werde, mußten Sie von Anfang an wissen; das sagte Ihnen mein Prospect, meine Briefe und auch die bisherige Haltung der Zeitschrift. An Minors Artikel finde ich nichts auszusetzen. Es ist eine Reverenz vor einem alten verdienten Mann, von dem wir Alle Anregungen empfangen haben und noch immer empfangen. Ich habe manches gegen ihn auf dem Herzen: aber ich lerne von ihm. Und ich sage mir, da die Philosophen über sich selbst nicht einig sind, so lasse ich sie alle miteinander gelten. Sehen Sie doch zu, wie Elster seinen Wundt ausspielt (nicht blos gegen Minor). Brentano – Marty erklären Wundt für den unklarsten Kopf d. Erde. Spitzer in seiner Recension von Alt setzt Zimmermann die Krone auf, den andre für einen [Sch]afskopf halten u. s. fort. – Daß ich nicht mit fliegenden Fahnen ins Lager der Philosophen und Aesthetiker übergehen werde: das wissen Sie wohl. Aber ich lasse sie zu Worte kommen; wegen meiner alle der Reihe nach. Das wird zur Klärung mehr beitragen als schroffe Abweisung. Was Minors andre Beiträge betrifft, so können Sie gegen die Kleiststudien nichts vorbringen. Bleibt sein Einleitungsaufsatz. Der, lieber Freund, ist ebenso einseitig, wie der Schönbachs nach andrer Richtung einseitig ist. Erweckte der herben Widerspruch, warum nicht auch der Minors? Abgesehen davon, daß ich Minor nicht vor den Kopf stoßen kann, so wenig wie Schmidt. Auch in der Viertelj. hat er manchmal überflüssige Dinge vorgebracht, Studien zu Grillparzer als neu aufgetischt, wo die betreff[en]den Dinge von mir längst ins Reine gebracht und in der Ausgabe sauber verbucht waren. Das ist nicht zu vermeiden. – Wegen Creizenachs haben Sie Recht. Ich wollte ursprünglich sogar eine Anmerkung ähnlichen Inhalts hinzufügen. Unterließ es dann aber. Wertvoll ist mir s. Beitrag wegen des öst. Ministeriums; die Subvention ist noch nicht bewilligt. Es ist jetzt wenigstens documentirt, daß der früher ausgeschlossene jetzt mitarbei[te]t, unter einem polnischen Minister jetzt von doppelter Wichtigkeit. Darum hab ich den Artikel auch noch ins 4. Heft gestellt, obgleich er erst vor kurzem eingetroffen ist. –
Daß Sie wenigstens mit dem Übrigen nicht ganz unzufrieden sind, ist wenigstens ein Trost. Ich höre wenig Zustimmendes u. wenig Ablehnendes über die einzelnen Hefte. Also vielen Dank für Ihre A[u]frichtigkeit und Ihren Rath. – Das Heften der Bogen wird nun hoffentlich nicht mehr unterbleiben. Der Verleger behauptet von dem Bayreuther Buchbinder betrogen worden zu sein.
Gestern habe ich Sie wegen des Registers gebeten. Vielleicht können Sie meine Bitte bald erfüllen. – Vom künfti[ge]n Band sende ich Ihnen bald etwas. Ich will Ihnen nur nicht erste Correcturen senden, weil man von diesen doch nichts hat.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr
AS
Schreibort: Prag
Empfangsort: Graz
Archiv: Österreichische Nationalbibliothek
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand, allerdings kleinräumige Textverluste durch nachträgliche Lochung
Signatur:
Autogr. 422/1-273
Umfang: 4 Seite(n)
Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt
ZitiervorschlagBrief ID-8723 [Druckausgabe Nr. 147]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8723/methods/sdef:TEI/get
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