Graz 13 XII 94

Lieber freund, Meine absicht, Ihnen erst zu schreiben, sobald ich durch die Lektüre des II 1 Euph. meinen dank für die gütige zuwendung aussprechen könnte, lässt sich nicht erfüllen: ich bin so mit laufenden geschäften überhäuft, dass ich alles nicht drängende zurücklegen muss. Die antwort aber auf Ihren freundlichen brief und die karte drängt.
Vor allem muss ich meine höchste freude aussprechen, dass Ihr Grillparzerbuch 1895 abgeschlossen werden wird. Welch bewundernswerte arbeitskraft neben all den redactionellen sorgen, die Sie auf sich genommen haben! Wie haben Sie zur kraft nur die zeit!
Und jetzt die übrigen punkte Ihrer zuschriften nach Ihrer reihe!
Dass Pawel einen brief Wielands an Reich vom 25 VII 64 in London fand, halt ich für unmöglich, Wld. hatte damals noch keine beziehung zu Reich glaube ich. Der brief ist wol an Sal. Gessner gerichtet, identisch mit dem in den Denkwürd. briefen 1, 11 ff. gedruckten, zu dem Schüddekopf aus dem Brit. Mus. eine kollat. des originals gab. Arch. f. littgesch. 15, 255.
Meine Göttinger rec. hätte Sie eher abhalten als veranlassen können, mir recc. zu übertragen: Sie sehen doch, wie lange ich mit der lieferung rückständig bleibe! Ich habe ja überdies noch die La Rochebriefe für Sie zu besprechen. Und ich muss an mich halten, denn ich habe bestimmte verpflichtungen für 1896 eingegangen, und muss ihnen zuliebe schon die Goetheausgabe warten lassen. Ich wäre Ihnen also aufrichtig dankbar, wenn Sie von mir umgang nehmen möchten. Ich habe noch alte Schulden an den Anz., die Gött., die DLZ. und komme vor vorlesungsarbeiten u. Goetheredaction zu gar nichts. Im sommer mache ich ein neues kolleg über poetik: das kostet auch zeit.
Trotzdem erkläre ich mich bereit, Wolfs Gottsched anzuzeigen, falls Sie keinen bessern rec. (Waniek?) finden; denn dies buch muss ich Wielands wegen ja durchnehmen.
Über Elster möchte ich wie Sie schweigen. Seine programmrede gefällt mir nicht. U. ich darf ihm jetzt nicht vor den kopf stossen, da ich seine gutwilligkeit für meinen kontrakt mit dem Bibliogr. institut brauche. Es lockt mich zwar sehr, in die litthist. theorie gerade jetzt einzugreifen; aber ich habe trotzdem sogar die übernahme des einleitenden teiles der Jahresberichte abgelehnt, wo ich doch recht bequem hätte meine ansichten ungeordnet vorlegen können. Ich habe mir Ihre neue vermehrung reiflich überlegt, muss ihr aber widerstehen; nehmen Sie mir das nicht übel.
Endlich Kühnemann: wenn ich dessen Herderbiogr. überhaupt anzeige, so muss es wegen gewisser äusserungen Hinnebergs in der DLZ sein; womöglich vermeide ich aber überhaupt, diesen verf. zum 3. mal zu beurteilen.
Erlauben Sie mir dabei auch ein allgemeines wort: ich breche nicht gerne mit zss., mit denen ich länger in verbindung stehe. Nun soll ich aber für den Anz., die Gött., die DLZ immer viel mehr anzeigen als ich kann u. mag; besonders dem Anz. habe ich in den letzten jahren wiederholt körbe gegeben. Sie werden einräumen, dass ich nicht die meinung aufkommen lassen will, ich wolle die alten beziehungen lösen; u. die meinung müsste aufkommen, wenn ich bei Ihnen reichlich recensiere. Sie selbst halten es ja eben so u. bleiben wenigstens der DLZ treu, da Sie doch all das im Euph. auch besprechen könnten. Ich habe im 1. heft Ihrem wunsche so gut raum gegeben, als ich vermochte; seitdem haben Sie männer genug gefunden, die mehr kraft haben und die zeit, für Sie zu arbeiten.
Dass ich meine verstimmung über Minors auftreten nicht so weit wirken lasse, dass ich aus dem mitarbeiterkreise austrete, ersehen Sie ja aus meinem angebot über Ebert. Ich werde die ersten ferien tage benützen, die briefe zu kopieren u. einzuleiten. Ich denke, dass es mit 2–3 seiten druck getan ist. Ich bitte Sie aber nochmals inständig, mir die stücke zurückzuschicken, falls sie Ihnen unerheblich scheinen; denn ich lege keinerlei wert darauf, sie selber zu veröffentlichen u. trete sie gerne Schüddekopf ab. Ich hielt mich nur für moralisch verpflichtet, Ihnen die vorhand zu lassen. – –
Mir ist, als ob Sie Farinellis Lope de V. u. Grillparzer angezeigt hätten: aber wo? Bitte schreiben Sie mir gleich Ihr urteil über das buch: ich möchte es für eine amtliche sache bis dienstag früh spätestens hören. Ist das buch, das ich nicht sah, ausgezeichnet, so ausgezeichnet, dass sich darauf eine ausnahmsweise bevorzugende behandlung eines habilitanden gründen lässt?
Wie steht es denn mit den familiären hoffnungen, die Sie mir im sommer ankündigten? Gibts ein christkindl?
Das wünscht von herzen
Ihr
getreuer
BSeuffert.

Graz 13 XII 94

Lieber freund, Meine absicht, Ihnen erst zu schreiben, sobald ich durch die Lektüre des II 1 Euph. meinen dank für die gütige zuwendung aussprechen könnte, lässt sich nicht erfüllen: ich bin so mit laufenden geschäften überhäuft, dass ich alles nicht drängende zurücklegen muss. Die antwort aber auf Ihren freundlichen brief und die karte drängt.
Vor allem muss ich meine höchste freude aussprechen, dass Ihr Grillparzerbuch 1895 abgeschlossen werden wird. Welch bewundernswerte arbeitskraft neben all den redactionellen sorgen, die Sie auf sich genommen haben! Wie haben Sie zur kraft nur die zeit!
Und jetzt die übrigen punkte Ihrer zuschriften nach Ihrer reihe!
Dass Pawel einen brief Wielands an Reich vom 25 VII 64 in London fand, halt ich für unmöglich, Wld. hatte damals noch keine beziehung zu Reich glaube ich. Der brief ist wol an Sal. Gessner gerichtet, identisch mit dem in den Denkwürd. briefen 1, 11 ff. gedruckten, zu dem Schüddekopf aus dem Brit. Mus. eine kollat. des originals gab. Arch. f. littgesch. 15, 255.
Meine Göttinger rec. hätte Sie eher abhalten als veranlassen können, mir recc. zu übertragen: Sie sehen doch, wie lange ich mit der lieferung rückständig bleibe! Ich habe ja überdies noch die La Rochebriefe für Sie zu besprechen. Und ich muss an mich halten, denn ich habe bestimmte verpflichtungen für 1896 eingegangen, und muss ihnen zuliebe schon die Goetheausgabe warten lassen. Ich wäre Ihnen also aufrichtig dankbar, wenn Sie von mir umgang nehmen möchten. Ich habe noch alte Schulden an den Anz., die Gött., die DLZ. und komme vor vorlesungsarbeiten u. Goetheredaction zu gar nichts. Im sommer mache ich ein neues kolleg über poetik: das kostet auch zeit.
Trotzdem erkläre ich mich bereit, Wolfs Gottsched anzuzeigen, falls Sie keinen bessern rec. (Waniek?) finden; denn dies buch muss ich Wielands wegen ja durchnehmen.
Über Elster möchte ich wie Sie schweigen. Seine programmrede gefällt mir nicht. U. ich darf ihm jetzt nicht vor den kopf stossen, da ich seine gutwilligkeit für meinen kontrakt mit dem Bibliogr. institut brauche. Es lockt mich zwar sehr, in die litthist. theorie gerade jetzt einzugreifen; aber ich habe trotzdem sogar die übernahme des einleitenden teiles der Jahresberichte abgelehnt, wo ich doch recht bequem hätte meine ansichten ungeordnet vorlegen können. Ich habe mir Ihre neue vermehrung reiflich überlegt, muss ihr aber widerstehen; nehmen Sie mir das nicht übel.
Endlich Kühnemann: wenn ich dessen Herderbiogr. überhaupt anzeige, so muss es wegen gewisser äusserungen Hinnebergs in der DLZ sein; womöglich vermeide ich aber überhaupt, diesen verf. zum 3. mal zu beurteilen.
Erlauben Sie mir dabei auch ein allgemeines wort: ich breche nicht gerne mit zss., mit denen ich länger in verbindung stehe. Nun soll ich aber für den Anz., die Gött., die DLZ immer viel mehr anzeigen als ich kann u. mag; besonders dem Anz. habe ich in den letzten jahren wiederholt körbe gegeben. Sie werden einräumen, dass ich nicht die meinung aufkommen lassen will, ich wolle die alten beziehungen lösen; u. die meinung müsste aufkommen, wenn ich bei Ihnen reichlich recensiere. Sie selbst halten es ja eben so u. bleiben wenigstens der DLZ treu, da Sie doch all das im Euph. auch besprechen könnten. Ich habe im 1. heft Ihrem wunsche so gut raum gegeben, als ich vermochte; seitdem haben Sie männer genug gefunden, die mehr kraft haben und die zeit, für Sie zu arbeiten.
Dass ich meine verstimmung über Minors auftreten nicht so weit wirken lasse, dass ich aus dem mitarbeiterkreise austrete, ersehen Sie ja aus meinem angebot über Ebert. Ich werde die ersten ferien tage benützen, die briefe zu kopieren u. einzuleiten. Ich denke, dass es mit 2–3 seiten druck getan ist. Ich bitte Sie aber nochmals inständig, mir die stücke zurückzuschicken, falls sie Ihnen unerheblich scheinen; denn ich lege keinerlei wert darauf, sie selber zu veröffentlichen u. trete sie gerne Schüddekopf ab. Ich hielt mich nur für moralisch verpflichtet, Ihnen die vorhand zu lassen. – –
Mir ist, als ob Sie Farinellis Lope de V. u. Grillparzer angezeigt hätten: aber wo? Bitte schreiben Sie mir gleich Ihr urteil über das buch: ich möchte es für eine amtliche sache bis dienstag früh spätestens hören. Ist das buch, das ich nicht sah, ausgezeichnet, so ausgezeichnet, dass sich darauf eine ausnahmsweise bevorzugende behandlung eines habilitanden gründen lässt?
Wie steht es denn mit den familiären hoffnungen, die Sie mir im sommer ankündigten? Gibts ein christkindl?
Das wünscht von herzen
Ihr
getreuer
BSeuffert.

Briefdaten

Schreibort: Graz
Empfangsort: Prag
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 4 Seite(n)

Status

Rohtranskription, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8734. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8734/methods/sdef:TEI/get

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Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

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