Prag 30/12 96
Smichow 586

Lieber Freund! Sie sind ein goldener [M]ensch! Auf eine Bitte um Brod schenken Sie dieses und einen Scheffel Salz dazu. Ich dank Ihnen vielmals für beides u. auch für den Frischlin. Was letzteren betrifft, so glaube ich mich zu erinnern, daß mir Hauffen einmal von einem Laibacher Programm über F. erzählte, das dann citiert werden müßte. Ich will Hauffen fragen & Ihnen dann schreiben.
Ich habe in den letzten Wochen mit der Affaire Minor-Herrmann entsetzliche Scherereien gehabt. H. ist frech bis zur Unverschämtheit. Die Geschichte der Erklärung habe ich Ihnen erzählt; als sie endlich in der DLZ erschienen war, schickte er mir einen zwischen uns vereinbarten ‚Hinweis‘ für den Euphorion in der Form, daß er sagte, er habe [in] der DLZ Minors Angriffe durch die Mitteilung der urkundlichen Belege ‚derart erläutert u. widerlegt, daß nun auch alle künftigen Auslassungen Minors dadurch widerlegt seien. Erst als ich erklärte, ich lasse mir das nicht bieten, daß man künftig erscheinende Artikel des Euphorion desavouire zog er di[es]en Hinweis zurück u. ersetzte ihn durch einen ganz farblosen. – Inzwischen hat Minor s. Untersuchungen in wirklich glänzender Weise abgeschlossen u. nachgewisen, daß nicht nur jede Behauptung u. jede Zahl Herrmanns falsch ist, sondern auch daß die ganze Grundlage s. Untersuchung eine verfehlte ist. Auch ganz ruhig & klar. E[r] hat außerdem Hs Ausstellungen durch eine ganze Reihe Leute: Sievers, Muncker, Drescher, Leitzmann, Krauß, Jellinek, Hauffen, mich nachprüfen lassen & dadurch die Unfehlbarkeit der Zschr Behauptungen gleichfalls bewiesen. Weil H. dann auch mir Parteilichkeit in der Redaction vorgeworfen hat, so hab ich mich nachträglich salvirt, indem ich mir Sievers’ Artikel gegen ihn verschafft habe, der nun mein nächstes Heft eröffnet. Die Berliner waren meiner Zs. nie grün, das weiß ich. Diesmal möchten sie dem Euph. gern ans Leben u. sprengen aus, ich beabsichtige mit der Verlegung nach Österreich die Gründung einer öst. Partei u. s. w., während ja doch jene Polemik u. die Verlagsänderung nur ganz zufällig zusammentreffen. Wegen meiner: sollen sie eine eigene Berliner Zs. gründen; ich werde in Ehren zu sterben wissen. Aber immer nur die Abschnitzel, die Misce[lle]n drucken, die Anmerkungen zu anderwärts erscheinden Aufsätzen, wie man mir jüngst zu muthete, das thue ich nicht. Und Minor ist mir 1000mal lieber als die Berliner Clique. Gott sei Dank, daß es noch unparteiische Menschen giebt, zu denen ich Sie vor allen rechne.
Sonst geht’s mir gut. Ich war die Feiertage recht fleißig. Und was das Unvermeidliche oder Unerreichbare betrifft, so hab ich mic[h] in jeder Bzhg längst hineingefunden u. denke mir, wer weiß wozu es gut ist. Und so kann ich mich auch neidlos über Ihr häusliches Glück freuen.
Bleiben Sie auch im nächsten Jahr gleichmäßig gut gestimmt gegen Ihren aufrichtig Erg. AS.

Prag 30/12 96
Smichow 586

Lieber Freund! Sie sind ein goldener [M]ensch! Auf eine Bitte um Brod schenken Sie dieses und einen Scheffel Salz dazu. Ich dank Ihnen vielmals für beides u. auch für den Frischlin. Was letzteren betrifft, so glaube ich mich zu erinnern, daß mir Hauffen einmal von einem Laibacher Programm über F. erzählte, das dann citiert werden müßte. Ich will Hauffen fragen & Ihnen dann schreiben.
Ich habe in den letzten Wochen mit der Affaire Minor-Herrmann entsetzliche Scherereien gehabt. H. ist frech bis zur Unverschämtheit. Die Geschichte der Erklärung habe ich Ihnen erzählt; als sie endlich in der DLZ erschienen war, schickte er mir einen zwischen uns vereinbarten ‚Hinweis‘ für den Euphorion in der Form, daß er sagte, er habe [in] der DLZ Minors Angriffe durch die Mitteilung der urkundlichen Belege ‚derart erläutert u. widerlegt, daß nun auch alle künftigen Auslassungen Minors dadurch widerlegt seien. Erst als ich erklärte, ich lasse mir das nicht bieten, daß man künftig erscheinende Artikel des Euphorion desavouire zog er di[es]en Hinweis zurück u. ersetzte ihn durch einen ganz farblosen. – Inzwischen hat Minor s. Untersuchungen in wirklich glänzender Weise abgeschlossen u. nachgewisen, daß nicht nur jede Behauptung u. jede Zahl Herrmanns falsch ist, sondern auch daß die ganze Grundlage s. Untersuchung eine verfehlte ist. Auch ganz ruhig & klar. E[r] hat außerdem Hs Ausstellungen durch eine ganze Reihe Leute: Sievers, Muncker, Drescher, Leitzmann, Krauß, Jellinek, Hauffen, mich nachprüfen lassen & dadurch die Unfehlbarkeit der Zschr Behauptungen gleichfalls bewiesen. Weil H. dann auch mir Parteilichkeit in der Redaction vorgeworfen hat, so hab ich mich nachträglich salvirt, indem ich mir Sievers’ Artikel gegen ihn verschafft habe, der nun mein nächstes Heft eröffnet. Die Berliner waren meiner Zs. nie grün, das weiß ich. Diesmal möchten sie dem Euph. gern ans Leben u. sprengen aus, ich beabsichtige mit der Verlegung nach Österreich die Gründung einer öst. Partei u. s. w., während ja doch jene Polemik u. die Verlagsänderung nur ganz zufällig zusammentreffen. Wegen meiner: sollen sie eine eigene Berliner Zs. gründen; ich werde in Ehren zu sterben wissen. Aber immer nur die Abschnitzel, die Misce[lle]n drucken, die Anmerkungen zu anderwärts erscheinden Aufsätzen, wie man mir jüngst zu muthete, das thue ich nicht. Und Minor ist mir 1000mal lieber als die Berliner Clique. Gott sei Dank, daß es noch unparteiische Menschen giebt, zu denen ich Sie vor allen rechne.
Sonst geht’s mir gut. Ich war die Feiertage recht fleißig. Und was das Unvermeidliche oder Unerreichbare betrifft, so hab ich mic[h] in jeder Bzhg längst hineingefunden u. denke mir, wer weiß wozu es gut ist. Und so kann ich mich auch neidlos über Ihr häusliches Glück freuen.
Bleiben Sie auch im nächsten Jahr gleichmäßig gut gestimmt gegen Ihren aufrichtig Erg. AS.

Briefdaten

Schreibort: Prag
Empfangsort: Graz
Archiv: Österreichische Nationalbibliothek
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand, allerdings kleinräumige Textverluste durch nachträgliche Lochung
Signatur: Autogr. 422/1-326
Umfang: 4 Seite(n)

Status

Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8825 [Druckausgabe Nr. 159]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8825/methods/sdef:TEI/get

Lizenzhinweis

Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

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