Graz 10. april 97

Lieber freund, Da kehrt der Frischlin zu Ihnen zurück, nehmen Sie ihn nachsichtig auf. Ich habe ihn nicht so zurechtstutzen können, dass er mir gefällt. Nur bin ich froh, dass nun doch zwei litterarhistorische sächelchen drinnen sind, nicht blos localbiographie, die mich immer anödet. Sie haben alle vollmacht, zusammenzustreichen.
Dass Sie die anmerkungen zu dem Wielandianum aufnehmen, danke ich Ihnen. Ich fand mein schlechtes gewissen sehr erleichtert, als ich endlich auf die darstellende partie kam, auf die ich ganz vergessen hatte. Selbstverständlich bin ich gerne bereit eine zweite korrektur zu lesen, wenn es Ihnen gut erscheint.
Mit Ihrem wunsche betr. der Sophie treiben Sie mich in die enge; daran hatte ich nicht gedacht. Ich wollte nicht über sie schreiben. Ich stellte mir gerade vor, dass einer, der nicht andauernd ihr diener war, unbefangenere worte sprechen könnte, die auch mehr gewicht hätten; und ich hielt diese aufgabe recht eigentlich für die des herausgebers und bitte Sie zu bedenken, ob Sie diese empfindung nicht doch teilen. Und sei es nur ½ seite.
Da Sie aber die aufgabe mir als liebesdienst abfordern, so will ich einstweilen überlegen, ob ich den ton zu finden glaube. Versprechen kann ich nichts, es kommt auf ein paar gute stunden an. Und ich werde sofort Ihnen weichen, sowie Sie sich noch dazu entschliessen.
Ich möchte jetzt noch zu Wielands Sonnenhymne kommen, wovon ich Ihnen schon schrieb. Die voraussetzung ist, dass das decanat keine arbeit kostet. Dabei kommt mir zu bewusstsein, dass ich sehr gegen meine absicht Ihre facultät geärgert zu haben scheine durch die ablehnung, die adresskosten amtlich einzusammeln. Ich war äusserst verblüfft über die zuschrift, die Ihr h. decan mir zu senden beauftragt wurde. Sie wissen nicht in Prag, wie stark die gegenerschaft gegen die aufhebung des kollegiengeldes hier ist und wie vorsichtig ein decan sein muss, um unparteiisch zu bleiben. Ich glaube aber, ich bin nur der sündenbock Ihren collegen geworden, gemeint sind ein paar hiesige collegen, die privatissime eine schroffe ablehnung nach Prag geschickt zu haben scheinen: ich kenne diese nicht und als ich nachträglich davon hörte, habe ich diesen schritt gleich misbilligt. Sie haben in Prag sich so viel erfolgreiche mühe mit der sache gemacht, dass es sehr ungerechtfertigt ist, darauf unhöflich zu sein. Ich schreibe Ihnen das, weil ich in Ihren*) Augen nicht als pascha darstehen will.
Leben Sie wol und halten Sie gute ostern.
Ihr
sehr ergebener
BSeuffert.
*) Singular!

Graz 10. april 97

Lieber freund, Da kehrt der Frischlin zu Ihnen zurück, nehmen Sie ihn nachsichtig auf. Ich habe ihn nicht so zurechtstutzen können, dass er mir gefällt. Nur bin ich froh, dass nun doch zwei litterarhistorische sächelchen drinnen sind, nicht blos localbiographie, die mich immer anödet. Sie haben alle vollmacht, zusammenzustreichen.
Dass Sie die anmerkungen zu dem Wielandianum aufnehmen, danke ich Ihnen. Ich fand mein schlechtes gewissen sehr erleichtert, als ich endlich auf die darstellende partie kam, auf die ich ganz vergessen hatte. Selbstverständlich bin ich gerne bereit eine zweite korrektur zu lesen, wenn es Ihnen gut erscheint.
Mit Ihrem wunsche betr. der Sophie treiben Sie mich in die enge; daran hatte ich nicht gedacht. Ich wollte nicht über sie schreiben. Ich stellte mir gerade vor, dass einer, der nicht andauernd ihr diener war, unbefangenere worte sprechen könnte, die auch mehr gewicht hätten; und ich hielt diese aufgabe recht eigentlich für die des herausgebers und bitte Sie zu bedenken, ob Sie diese empfindung nicht doch teilen. Und sei es nur ½ seite.
Da Sie aber die aufgabe mir als liebesdienst abfordern, so will ich einstweilen überlegen, ob ich den ton zu finden glaube. Versprechen kann ich nichts, es kommt auf ein paar gute stunden an. Und ich werde sofort Ihnen weichen, sowie Sie sich noch dazu entschliessen.
Ich möchte jetzt noch zu Wielands Sonnenhymne kommen, wovon ich Ihnen schon schrieb. Die voraussetzung ist, dass das decanat keine arbeit kostet. Dabei kommt mir zu bewusstsein, dass ich sehr gegen meine absicht Ihre facultät geärgert zu haben scheine durch die ablehnung, die adresskosten amtlich einzusammeln. Ich war äusserst verblüfft über die zuschrift, die Ihr h. decan mir zu senden beauftragt wurde. Sie wissen nicht in Prag, wie stark die gegenerschaft gegen die aufhebung des kollegiengeldes hier ist und wie vorsichtig ein decan sein muss, um unparteiisch zu bleiben. Ich glaube aber, ich bin nur der sündenbock Ihren collegen geworden, gemeint sind ein paar hiesige collegen, die privatissime eine schroffe ablehnung nach Prag geschickt zu haben scheinen: ich kenne diese nicht und als ich nachträglich davon hörte, habe ich diesen schritt gleich misbilligt. Sie haben in Prag sich so viel erfolgreiche mühe mit der sache gemacht, dass es sehr ungerechtfertigt ist, darauf unhöflich zu sein. Ich schreibe Ihnen das, weil ich in Ihren*) Augen nicht als pascha darstehen will.
Leben Sie wol und halten Sie gute ostern.
Ihr
sehr ergebener
BSeuffert.
*) Singular!

Briefdaten

Schreibort: Graz
Empfangsort: Prag
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 4 Seite(n)

Status

Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8840 [Druckausgabe Nr. 164]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8840/methods/sdef:TEI/get

Lizenzhinweis

Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

LinksInformation

Das Bildmaterial dieser Webseite sind Reproduktionen aus den Sammlungen der Österreichischen Nationalbibliothek und des Staatsarchivs Würzburg. Für jede weitere Verwendung wenden Sie sich bitte an die jeweilige Institution.