Prag 3/5 98
Smichow 586
Lieber Freund!
Ich bin Ihnen für Ihren aufrichtigen Brief in Betreff Ws. sehr dankbar. Wenn ich Ihnen nicht vorher drauf geantwortet habe, so ist die Ursache die, daß W. auf meinen Brief auch nicht antwortete; eine Woche später Hauffen zu mir schickte, um die Angelegenheit zu ordnen u. endlich vorgestern erst bei mir war, ohne mich zu treffen. Aber wir sind durch Hauffen so weit einig geworden, daß er vom 1. Mai ab seinen Verpflichtungen gegen mich ledig ist; was er von der Bibliographie für N. 3 fertig gebracht hat, weiß ich noch nicht; viel erwarte ich mir nicht. – Ich bin sehr froh, daß ich ihn los bin, denn er taugt zu einer solchen Beschäftigung gar nicht. Nur für gewissenhafter und pflichtgetreuer hätte ich ihn gehalten als er sich in der ganzen Sache bewiesen hat. Denn die Verabredung mit mir hat er einfach als[e]ine Last aufgefasst, die er gelegener Zeit wieder abschütteln wird.
Ob wir in freundschaftlichem Contact bleiben können, wird wesentlich von seinem weiteren Verhalten gegen mich abhängen. Persönlich braucht er den Bruch mit mir nicht zu bedauern; denn ich bin ziemlich verschlossen geworden, spreche von meinen Arbeiten und Plänen zu niemandem u. höre höchstens aufmerksam zu, wenn mir jemand etwas erzählt. Pekuniär ist er gedeckt, da er vom 1. Mai ab durch ein halbes Jahr 50 fl von der Lesehalle der deutschen Studenten bezieht für die Neuordnung ihrer Bibliothek. Bis dahin wird er vielleicht ernannt. Nur ist das Urtheil des Bibliothekars über ihn auch keineswegs günstig.
Ich habe nun wieder alle Lasten auf mir u. weiß nicht, was daraus werden soll. Es ist aber heut ein so schöner Frühlingstag, daß ich lieber nicht klagen will.
Machen Sie was zu Schönbachs 50. Geburtstag? Eine Kneipe etc.? Ich würde eine Adresse oder was sonst geplant ist, gern unterzeichnen u. unterstützen.
Ihr Novalisschüler hat mir auf meinen Brief leider nicht geantwortet. Ich konnte ihm daher auch Busses Buch, das ich ihm zur Rec. angetragen hatte, nicht m[e]hr länger reservieren, weil es von andren Seiten dringlich verlangt wurde. Dagegen ist Kerrs Godwi frei; glauben Sie, daß er zu dieser Rec. tauglich ist.
Viel Glück zum Werther. Wenn Sie fertig sind, denken Sie auch an die Rec. für den Euphorion, die uns natürlich auch in Aufsatzform willkommen sind. Die Verleger sind schwer zu befriedigen.
weiter auf S. 1 Lipsius & Tischer haben d. 2. Bd. Wolff-Gottsched trotz unfreundlicher Reclamation nicht gesandt. Was soll ich thun? Herzlichst Ihr AS
Prag 3/5 98
Smichow 586
Lieber Freund!
Ich bin Ihnen für Ihren aufrichtigen Brief in Betreff Ws. sehr dankbar. Wenn ich Ihnen nicht vorher drauf geantwortet habe, so ist die Ursache die, daß W. auf meinen Brief auch nicht antwortete; eine Woche später Hauffen zu mir schickte, um die Angelegenheit zu ordnen u. endlich vorgestern erst bei mir war, ohne mich zu treffen. Aber wir sind durch Hauffen so weit einig geworden, daß er vom 1. Mai ab seinen Verpflichtungen gegen mich ledig ist; was er von der Bibliographie für N. 3 fertig gebracht hat, weiß ich noch nicht; viel erwarte ich mir nicht. – Ich bin sehr froh, daß ich ihn los bin, denn er taugt zu einer solchen Beschäftigung gar nicht. Nur für gewissenhafter und pflichtgetreuer hätte ich ihn gehalten als er sich in der ganzen Sache bewiesen hat. Denn die Verabredung mit mir hat er einfach als[e]ine Last aufgefasst, die er gelegener Zeit wieder abschütteln wird.
Ob wir in freundschaftlichem Contact bleiben können, wird wesentlich von seinem weiteren Verhalten gegen mich abhängen. Persönlich braucht er den Bruch mit mir nicht zu bedauern; denn ich bin ziemlich verschlossen geworden, spreche von meinen Arbeiten und Plänen zu niemandem u. höre höchstens aufmerksam zu, wenn mir jemand etwas erzählt. Pekuniär ist er gedeckt, da er vom 1. Mai ab durch ein halbes Jahr 50 fl von der Lesehalle der deutschen Studenten bezieht für die Neuordnung ihrer Bibliothek. Bis dahin wird er vielleicht ernannt. Nur ist das Urtheil des Bibliothekars über ihn auch keineswegs günstig.
Ich habe nun wieder alle Lasten auf mir u. weiß nicht, was daraus werden soll. Es ist aber heut ein so schöner Frühlingstag, daß ich lieber nicht klagen will.
Machen Sie was zu Schönbachs 50. Geburtstag? Eine Kneipe etc.? Ich würde eine Adresse oder was sonst geplant ist, gern unterzeichnen u. unterstützen.
Ihr Novalisschüler hat mir auf meinen Brief leider nicht geantwortet. Ich konnte ihm daher auch Busses Buch, das ich ihm zur Rec. angetragen hatte, nicht m[e]hr länger reservieren, weil es von andren Seiten dringlich verlangt wurde. Dagegen ist Kerrs Godwi frei; glauben Sie, daß er zu dieser Rec. tauglich ist.
Viel Glück zum Werther. Wenn Sie fertig sind, denken Sie auch an die Rec. für den Euphorion, die uns natürlich auch in Aufsatzform willkommen sind. Die Verleger sind schwer zu befriedigen.
weiter auf S. 1 Lipsius & Tischer haben d. 2. Bd. Wolff-Gottsched trotz unfreundlicher Reclamation nicht gesandt. Was soll ich thun? Herzlichst Ihr AS
Schreibort: Prag
Empfangsort: Graz
Archiv: Österreichische Nationalbibliothek
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand, allerdings kleinräumige Textverluste durch nachträgliche Lochung
Signatur:
Autogr. 422/1-354
Umfang: 4 Seite(n)
Rohtranskription, Text teilweise getaggt
ZitiervorschlagBrief ID-8882. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8882/methods/sdef:TEI/get
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