Graz 19. VI 00
Lieber freund, Meine frau u. ich danken der verehrten dichterin und Ihnen sehr für das stimmungsvolle büchlein. Die hervorragende kunst, den eindruck einer situation dem hörer so aufzudrängen, wie er der im tiefsten berührten beschauerin sich darbot, beherrscht es ganz. Der farbenzauber gleitet in tonzauber hinüber und die empfindung ist ausgelöst. Meiner nüchternheit ist manchmal ein die stimmung vermittelndes bildwort zu grell: aber das ist das vorrecht der jugend, der heutigen jugend, und meine frau und ich kommen vom altmodischen geschmack nicht recht los. So wie uns auch das manchfaltige formvermögen da am liebsten ist, wo es in schlichten strophen sich ausdrückt. Wie viel reale bestimmtheit bei einer phantasie, die auch das traumleben umspannt! Lieber noch folge ich den bewegten scenen als den ruhenden situationen. Und bei den parallelstrophen der sinneseindrücke und der seelischen empfindungen weile ich.
Wie ernst, wie ernst! auch wo die sonne glüht und der frühlung webt. Das fällt auf uns, wenn wir bedenken, dass die sängerin Ihre frau ist. Oder ist alle tiefe ernst? Möge der schalkhafte traumgott, der lady Ethel besucht, sie noch lustiger wecken!

Herzlich
Ihr
sehr ergebener
BSeuffert.

Graz 19. VI 00
Lieber freund, Meine frau u. ich danken der verehrten dichterin und Ihnen sehr für das stimmungsvolle büchlein. Die hervorragende kunst, den eindruck einer situation dem hörer so aufzudrängen, wie er der im tiefsten berührten beschauerin sich darbot, beherrscht es ganz. Der farbenzauber gleitet in tonzauber hinüber und die empfindung ist ausgelöst. Meiner nüchternheit ist manchmal ein die stimmung vermittelndes bildwort zu grell: aber das ist das vorrecht der jugend, der heutigen jugend, und meine frau und ich kommen vom altmodischen geschmack nicht recht los. So wie uns auch das manchfaltige formvermögen da am liebsten ist, wo es in schlichten strophen sich ausdrückt. Wie viel reale bestimmtheit bei einer phantasie, die auch das traumleben umspannt! Lieber noch folge ich den bewegten scenen als den ruhenden situationen. Und bei den parallelstrophen der sinneseindrücke und der seelischen empfindungen weile ich.
Wie ernst, wie ernst! auch wo die sonne glüht und der frühlung webt. Das fällt auf uns, wenn wir bedenken, dass die sängerin Ihre frau ist. Oder ist alle tiefe ernst? Möge der schalkhafte traumgott, der lady Ethel besucht, sie noch lustiger wecken!

Herzlich
Ihr
sehr ergebener
BSeuffert.

Briefdaten

Schreibort: Graz
Empfangsort: Prag
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 2 Seite(n)

Status

Rohtranskription, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8971. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8971/methods/sdef:TEI/get

Lizenzhinweis

Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

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