Lieber Freund! Ihr ausführlicher Brief war ein echter Beweis Ihrer aufrichtigen Freundschaft, den [i]ch wohl zu schätzen weiss. Wenn ich Ihnen nicht sofort gedankt habe, so war die täglich wiederkehrende Flut der rasch zu erledigenden Geschäfte daran Schuld. Nun danke ich Ihnen dafür aufs Herzlichste und theile Ihnen mit, dass ich Ihnen auch in allen Ihren Ratschlägen folgen werde. Ich werde schweigen; nur im Jahresbericht, wo ich auch über meinen § berichten muss werde ich ohne Polemik darauf hinweisen, dass – abgesehen von einer engeren öst. Lit. Gesch. – doch manches für die Geschichte der Lyrik darin enthalten ist. Dagegen w[er]de ich nun mein geplantes Buch: Gesch. d. d. Litt. in Österreich seit der Errichtg. des Kaisertums (1804) ernstlich in Angriff nehmen und habe schon für nächsten Winter ein so betiteltes Colleg (übrigens auf Bitte meiner Studenten) angekündigt. – Nur mit Schrö[der] werde ich den – allerdings sehr seltenen – freundschaftlichen Verkehr nicht aufrecht erhalten können. Er hätte dahin wirken müssen, dass der Ton der Rec. gemildert worden wäre. Aber auch in diesem Punkt werde ich mich zunächst nur passiv verhalten.
Über den Faust schreibe ich Ihnen demnächst; ich denke nicht ganz wie Sie über den Wert des Fragments. Man braucht es doch noch immer, grade weil der Urfaust da ist und so viele Auflagen erlebt. Eile hat aber die Sache gewiss nicht.
Während des Druckes vom 13II der Goethe-Ausgabe (Apparat zum Theatergötz) habe ich mich doch sehr ärgern müssen. Wahle wirtschaftete in meinem Manuscript und dann noch mehr in den Correcturbogen ganz äusserlich und handwerksmässig herum, strich weg u. änderte was ihm nicht gleich verständlich war und schrieb höchst hochmütige Belehrungen an den Rand, bis ich energisch mein Recht als Herausgeber [w]ahrte; aber alles liess sich nicht wieder gut machen. Ich begreife nicht, warum man dann nicht lieber selber alles in Weimar macht. So rücksichtsvoll geht man übrigens dort gegen die Leute, die so dumm sind für die Goetheges. zu arbeiten, vor, dass ich heute nach mehr als 3 Wochen noch nicht weiss, was der Vorstand wegen des von [m]ir zu liefernden Bandes beschlossen hat. Es scheint dass nur Geheimräthe und Excellenzen in diesem Kreis ein Recht auf höfliche Behandlung haben. Es reut mich schon dreifach, dass ich mich mit der Bande eingelassen habe.
Herzlichst Ihr AS.

Lieber Freund! Ihr ausführlicher Brief war ein echter Beweis Ihrer aufrichtigen Freundschaft, den [i]ch wohl zu schätzen weiss. Wenn ich Ihnen nicht sofort gedankt habe, so war die täglich wiederkehrende Flut der rasch zu erledigenden Geschäfte daran Schuld. Nun danke ich Ihnen dafür aufs Herzlichste und theile Ihnen mit, dass ich Ihnen auch in allen Ihren Ratschlägen folgen werde. Ich werde schweigen; nur im Jahresbericht, wo ich auch über meinen § berichten muss werde ich ohne Polemik darauf hinweisen, dass – abgesehen von einer engeren öst. Lit. Gesch. – doch manches für die Geschichte der Lyrik darin enthalten ist. Dagegen w[er]de ich nun mein geplantes Buch: Gesch. d. d. Litt. in Österreich seit der Errichtg. des Kaisertums (1804) ernstlich in Angriff nehmen und habe schon für nächsten Winter ein so betiteltes Colleg (übrigens auf Bitte meiner Studenten) angekündigt. – Nur mit Schrö[der] werde ich den – allerdings sehr seltenen – freundschaftlichen Verkehr nicht aufrecht erhalten können. Er hätte dahin wirken müssen, dass der Ton der Rec. gemildert worden wäre. Aber auch in diesem Punkt werde ich mich zunächst nur passiv verhalten.
Über den Faust schreibe ich Ihnen demnächst; ich denke nicht ganz wie Sie über den Wert des Fragments. Man braucht es doch noch immer, grade weil der Urfaust da ist und so viele Auflagen erlebt. Eile hat aber die Sache gewiss nicht.
Während des Druckes vom 13II der Goethe-Ausgabe (Apparat zum Theatergötz) habe ich mich doch sehr ärgern müssen. Wahle wirtschaftete in meinem Manuscript und dann noch mehr in den Correcturbogen ganz äusserlich und handwerksmässig herum, strich weg u. änderte was ihm nicht gleich verständlich war und schrieb höchst hochmütige Belehrungen an den Rand, bis ich energisch mein Recht als Herausgeber [w]ahrte; aber alles liess sich nicht wieder gut machen. Ich begreife nicht, warum man dann nicht lieber selber alles in Weimar macht. So rücksichtsvoll geht man übrigens dort gegen die Leute, die so dumm sind für die Goetheges. zu arbeiten, vor, dass ich heute nach mehr als 3 Wochen noch nicht weiss, was der Vorstand wegen des von [m]ir zu liefernden Bandes beschlossen hat. Es scheint dass nur Geheimräthe und Excellenzen in diesem Kreis ein Recht auf höfliche Behandlung haben. Es reut mich schon dreifach, dass ich mich mit der Bande eingelassen habe.
Herzlichst Ihr AS.

Briefdaten

Schreibort: Prag
Empfangsort: Graz
Archiv: Österreichische Nationalbibliothek
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand, allerdings kleinräumige Textverluste durch nachträgliche Lochung
Signatur: Autogr. 423/1-413
Umfang: 4 Seite(n)

Status

Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8999 [Druckausgabe Nr. 199]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8999/methods/sdef:TEI/get

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