Graz 27.9.01.

Lieber freund, Vielen dank für Ihren freundschaftlichen brief. Wenn ich die zeilen recht verstehe, so finden Sie die Björnsoniade doch nicht geeignet für den Euphorion. Sie meinen gewiss mit recht, dass sie dafür nicht wissenschaftlich genug ist und ich weiss selbst, dass sie eine unglückliche mischung aus empfindender und philologischer analyse ist; allerdings ist es nicht zufällig so geraten, sondern für meinen jetzigen arbeitstrieb ist es eine art ideal. Wenn ich die mischung unglücklich heisse, so geschieht es also nicht, weil ich sie an sich für verfehlt halte, sondern weil der aufsatz dadurch für keinen der rubricierten leserkreise langt. Für die gelehrten ist er zu einfach, für die ungelehrten zu gründlich. Ich sehe ja auch ein, dass seine drucklegung einigermassen eilt: denn das thema ist vielleicht noch diesen winter aktuell und dann nicht mehr. Und ich will dem Euphorion nichts antiquiertes zumuten, da ich selbstverständlich ältere und besser für das organ geeignete aufsätze nicht verdrängen kann und darf. Mögen Sie mir raten, wohin nach Ihrer Meinung die blätter besser langen? Mir fallen jetzt nur die Preussischen Jahrbücher ein, in die ich allerdings seit Delbrücks wunderlichem politischem verhalten nicht mehr geschrieben habe. Oder die Neuen Jahrbücher für Philologie? Für die Rundschau oder Westermann oder Nord u. Süd ist der artikel zu schwer, auch bin ich ohne alle fühlung, mit professor Rodenberg in bruch. Bei Brandls Archiv mag ich nicht um einlass betteln. Für eine wochenschrift ist er zu lang. Soll ich nach Amerika flüchten? Oder meinen Sie, dass er als brochure möglich wäre? Ich müsste überlegen, ob er dazu die form hat. Sie sind in solchen und vielen dingen erfahrner als ich, ich bitte Sie um Ihren rat.
Für meine Wielandbriefe habe ich keinen verleger. Ich habe einmal daran gedacht, den Stuttg. lit. verein dafür zu interessieren, habe aber noch keinen schritt getan; überhaupt bei niemand. Denn mir ist die form noch nicht klar. Eine vollständige Sammlung kann ich auch heute noch nicht geben; dazu bin ich zweifelhaft, ob man alle schon gedruckten neu drucken soll. Ich halte das für überflüssig, wenigstens für weniger nötig als eine kritische ausgabe. Ursprünglich wollte ich ein vollständiges verzeichnis aller briefe an und von, die ich kenne, mit ergänzungen der gedruckten, grösseren oder kleineren regesten aus den ungedruckten an W., vollständig im abdruck der von W. Dann bereitete ich einmal die sehr inhaltreiche correspondenz mit Böttinger als selbständiges corpus vor und blieb stecken. Es wäre ein glück, wenn ich eine veranlassung hätte, schlüssig zu werden. Und so erfreut mich Schüddekopfs anfrage sehr; ich danke ihm einstweilen dafür u. grüsse ihn herzlich. Das eine muss ich aber gleich sagen: verträge mit lieferungstermin kann ich nicht schliessen, das gespenst der fristeinhaltung macht mich krank.

Vieles gute für die weitere arbeit in Weimar und befreiung von der häuslichen sorge wünscht
Ihr
herzlich ergebener
BSfft.

je mehr ich mirs überlege, desto lieber wird mir der an sich meiner art fremde einfall einer brochure. Ich könnte ja dem verleger des schauspiels selbst es anbieten. Bitte, schicken Sie mir das ding dazu.

Graz 27.9.01.

Lieber freund, Vielen dank für Ihren freundschaftlichen brief. Wenn ich die zeilen recht verstehe, so finden Sie die Björnsoniade doch nicht geeignet für den Euphorion. Sie meinen gewiss mit recht, dass sie dafür nicht wissenschaftlich genug ist und ich weiss selbst, dass sie eine unglückliche mischung aus empfindender und philologischer analyse ist; allerdings ist es nicht zufällig so geraten, sondern für meinen jetzigen arbeitstrieb ist es eine art ideal. Wenn ich die mischung unglücklich heisse, so geschieht es also nicht, weil ich sie an sich für verfehlt halte, sondern weil der aufsatz dadurch für keinen der rubricierten leserkreise langt. Für die gelehrten ist er zu einfach, für die ungelehrten zu gründlich. Ich sehe ja auch ein, dass seine drucklegung einigermassen eilt: denn das thema ist vielleicht noch diesen winter aktuell und dann nicht mehr. Und ich will dem Euphorion nichts antiquiertes zumuten, da ich selbstverständlich ältere und besser für das organ geeignete aufsätze nicht verdrängen kann und darf. Mögen Sie mir raten, wohin nach Ihrer Meinung die blätter besser langen? Mir fallen jetzt nur die Preussischen Jahrbücher ein, in die ich allerdings seit Delbrücks wunderlichem politischem verhalten nicht mehr geschrieben habe. Oder die Neuen Jahrbücher für Philologie? Für die Rundschau oder Westermann oder Nord u. Süd ist der artikel zu schwer, auch bin ich ohne alle fühlung, mit professor Rodenberg in bruch. Bei Brandls Archiv mag ich nicht um einlass betteln. Für eine wochenschrift ist er zu lang. Soll ich nach Amerika flüchten? Oder meinen Sie, dass er als brochure möglich wäre? Ich müsste überlegen, ob er dazu die form hat. Sie sind in solchen und vielen dingen erfahrner als ich, ich bitte Sie um Ihren rat.
Für meine Wielandbriefe habe ich keinen verleger. Ich habe einmal daran gedacht, den Stuttg. lit. verein dafür zu interessieren, habe aber noch keinen schritt getan; überhaupt bei niemand. Denn mir ist die form noch nicht klar. Eine vollständige Sammlung kann ich auch heute noch nicht geben; dazu bin ich zweifelhaft, ob man alle schon gedruckten neu drucken soll. Ich halte das für überflüssig, wenigstens für weniger nötig als eine kritische ausgabe. Ursprünglich wollte ich ein vollständiges verzeichnis aller briefe an und von, die ich kenne, mit ergänzungen der gedruckten, grösseren oder kleineren regesten aus den ungedruckten an W., vollständig im abdruck der von W. Dann bereitete ich einmal die sehr inhaltreiche correspondenz mit Böttinger als selbständiges corpus vor und blieb stecken. Es wäre ein glück, wenn ich eine veranlassung hätte, schlüssig zu werden. Und so erfreut mich Schüddekopfs anfrage sehr; ich danke ihm einstweilen dafür u. grüsse ihn herzlich. Das eine muss ich aber gleich sagen: verträge mit lieferungstermin kann ich nicht schliessen, das gespenst der fristeinhaltung macht mich krank.

Vieles gute für die weitere arbeit in Weimar und befreiung von der häuslichen sorge wünscht
Ihr
herzlich ergebener
BSfft.

je mehr ich mirs überlege, desto lieber wird mir der an sich meiner art fremde einfall einer brochure. Ich könnte ja dem verleger des schauspiels selbst es anbieten. Bitte, schicken Sie mir das ding dazu.

Briefdaten

Schreibort: Graz
Empfangsort: Prag
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 4 Seite(n)

Status

Rohtranskription, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-9008. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.9008/methods/sdef:TEI/get

Lizenzhinweis

Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

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