Graz 27.1.03
Lieber freund, Ihre einleitung hat mir das abenteuer meines streifzuges in das unbekannte Teplitz recht gefährlich erscheinen lassen. Wie viel gibt es da an quellen und arbeiten, von denen ich nichts weiss, nichts sah. Sie haben eine wunderbare übersicht. Dass man vor und um Goethe eine so reiche revue von Österreichern aufmarschieren lassen kann, habe ich nicht geahnt. Das kostbarste ist mir Ihre charakteristik der kaiserin und des verhältnisses Goethes zu ihr. Auch das armeekapitel wird sehr lebendig. In die staatskanzlei haben sich Hormayr u. Deinhardstein eingeschlichen, eine äußerlich berechtigte gruppierung, die doch zwischen den politikern sich befremdet und zerstreut. Die drei künstlerinnen können Ihnen für viele mühe danken; sie haben die verblassten gestalten gut ausstaffiert.
Darf ich kritisch sein, so wünschte ich s. XVIII das „absatzgebiet“ weg; vor- u. nachher ists so hoch und menschlich gestimmt, dies wort, so wahr es ist, reisst in materielle tiefe. Und in meinem liebling, dem kaiserinstücke, liegen die citate s. XLVII ff. wie steine u. machen Ihren frohen fluss stocken: zu viel respekt vor Ihro majestät. Aber sonst weiss ich wirklich nichts als mich zu freuen u. zu danken. Ich danke besonders auch für die freundlichen worte, mit denen Sie meinen anhang einführten. Dass Sie über Teplitz gesprochen u. geschrieben haben, wusst ich ja nicht! das hätte mir gewiss manche vorarbeit erspart, Sie heimlicher! Hätt ich nicht die zuversicht, dass Sie aus Ihrer kenntnis die hinfälligkeit meiner vermutung müssten erweisen können und dass Sie den freund nicht wissend herein fallen lassen, so würd ich angesichts Ihrer litteratur nachweise mich recht für mich ängstigen. Fürst Ligne ist bei Ihnen viel lebendiger als er mir wurde usf.
Übrigens hatten Sie nicht recht mir anzukündigen, der nachdruck läge bei Ihnen überall auf Österreich, nicht auf Goethe. Ich finde, dass im ersten u. zweiten abschnitt recht viel für Goethe herauskommt; und auch in dem vierten ist er führer; nur im dritten verliert er sich etwas, und das wol vielleicht nur wegen der kanzlisten.
Ich danke für die zusendung, schicke nach Ihrem wunsche die blätter zurück und beglückwünsche Sie dazu.
Ihr treu ergebener
BSeuffert.
Graz 27.1.03
Lieber freund, Ihre einleitung hat mir das abenteuer meines streifzuges in das unbekannte Teplitz recht gefährlich erscheinen lassen. Wie viel gibt es da an quellen und arbeiten, von denen ich nichts weiss, nichts sah. Sie haben eine wunderbare übersicht. Dass man vor und um Goethe eine so reiche revue von Österreichern aufmarschieren lassen kann, habe ich nicht geahnt. Das kostbarste ist mir Ihre charakteristik der kaiserin und des verhältnisses Goethes zu ihr. Auch das armeekapitel wird sehr lebendig. In die staatskanzlei haben sich Hormayr u. Deinhardstein eingeschlichen, eine äußerlich berechtigte gruppierung, die doch zwischen den politikern sich befremdet und zerstreut. Die drei künstlerinnen können Ihnen für viele mühe danken; sie haben die verblassten gestalten gut ausstaffiert.
Darf ich kritisch sein, so wünschte ich s. XVIII das „absatzgebiet“ weg; vor- u. nachher ists so hoch und menschlich gestimmt, dies wort, so wahr es ist, reisst in materielle tiefe. Und in meinem liebling, dem kaiserinstücke, liegen die citate s. XLVII ff. wie steine u. machen Ihren frohen fluss stocken: zu viel respekt vor Ihro majestät. Aber sonst weiss ich wirklich nichts als mich zu freuen u. zu danken. Ich danke besonders auch für die freundlichen worte, mit denen Sie meinen anhang einführten. Dass Sie über Teplitz gesprochen u. geschrieben haben, wusst ich ja nicht! das hätte mir gewiss manche vorarbeit erspart, Sie heimlicher! Hätt ich nicht die zuversicht, dass Sie aus Ihrer kenntnis die hinfälligkeit meiner vermutung müssten erweisen können und dass Sie den freund nicht wissend herein fallen lassen, so würd ich angesichts Ihrer litteratur nachweise mich recht für mich ängstigen. Fürst Ligne ist bei Ihnen viel lebendiger als er mir wurde usf.
Übrigens hatten Sie nicht recht mir anzukündigen, der nachdruck läge bei Ihnen überall auf Österreich, nicht auf Goethe. Ich finde, dass im ersten u. zweiten abschnitt recht viel für Goethe herauskommt; und auch in dem vierten ist er führer; nur im dritten verliert er sich etwas, und das wol vielleicht nur wegen der kanzlisten.
Ich danke für die zusendung, schicke nach Ihrem wunsche die blätter zurück und beglückwünsche Sie dazu.
Ihr treu ergebener
BSeuffert.
Schreibort: Graz
Empfangsort: Prag
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 4 Seite(n)
Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt
ZitiervorschlagBrief ID-9061 [Druckausgabe Nr. 210]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.9061/methods/sdef:TEI/get
LizenzhinweisDie Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.
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