Prag 5/9 03
Smichow 586

Lieber Freund! Gestern Abends bin ich nach Hause gekommen. Das erste was ich zu mei[ner] grossen Freude vorfand war Ihre Rezension u. das Versprechen einer zweiten. Vielen, vielen Dank dafür. Sie ist sehr lehrreich und wertvoll. Mehr, mehr dergleichen. Anzengruber! Hebbel!!
Dass ich so lange nicht geschrieben habe, nehmen Sie mir nicht übel. Meine Ferien waren kurz und ich vermeide es in dieser Zeit, die Feder zur Hand zu nehmen. – Anfang Juli kam ein junger amerikan. Freund, Dr. Lessing z[u] mir, der mich auch nach Weimar begleitete; ein ausserord. sympathischer junger Gelehrter, der sich nah an mich angeschlossen hat und vom Herbst ab voraussichtlich in Prag leben wird. So angenehm die mit ihm verbrachten Stunden für mich waren: so gieng mir doch viel Zeit für die Arbeit verloren. In Weimar erledigte ich die Correcturen des ganzen Textes von Schriften XVIII. Suphan war erträglich; dennoch athmete ich auf, als ich fertig war. Schüddekopf war verreist. Anfangs war Creizenach dort: [e]in wüster Anekdotenerzähler; ein americ. Prof. aus Philadelphia Learned; zuletzt ein gedrückter aber sonst netter Franzose aus Toulouse: Loiseaux. Vom 4. August ab war ich mit meiner Frau in Bad Elster, einem netten, stillen Örtchen, wir waren ganz allein; nur einmal trafen wir RMMeyers in Franzensbad; jetzt bleibe ich 4 Wochen hier, gehe dann noch auf 10-12 Tage nach Wien. Die Arbeit liegt berghoch; da meine Frau nicht hier ist und auch sonst völlige Ruhe herrscht, so hoffe ich Vieles zu erledigen, wenn nur die grosse Hitze nicht anhält.
Schmidt schrieb mir, dass die Ak. das Geld für die Wielandausgabe bewilligt habe. Seit Jahren habe ich mich über nichts so gefreut wie über diese Nachricht. Nun erreichen Sie [Ihr] Lebensziel und in so ehrenvoller Weise. Ich wünsche Ihnen umso herzlicher Glück dazu, als meine Hoffnungen auf die Grillparzerausgabe stark gefallen sind. Hartel ist unzuverlässig, Glossy schwach und müde; zum Glück habe ich keinen Schritt gethan, der mir irgendwie schaden könnte; auch meine sanguinischen Hoffnungen habe ich Niemandem mitgeteilt als Ihnen. Haben Sie den Brief bei der Hand, so, [bi]tte, verbrennen Sie ihn. – Von den Neudrucken habe ich Ihnen noch von Weimar aus das Heft von Moritz übersandt. Es war wieder ein Leidensheft. Der Herausgeber, ein Schüler Kluges, hat nicht nur den Text schlecht collationiert; er lieferte mir Einleitg. u. Anmerkg. in völlig unverwendbarer Form, gieng auf meine Verbesserungsvorschläge nicht ein u. da ich mit dem (übrigens sehr dankbaren) Stoff ganz unvertraut war, so konnte ich nur die ärgsten Auswüchse beseitigen. Hoffentlich macht Ihnen das Heft [Gers]tenberg, mit dem ich abschliesse, grössere Freude. Es ist nach langem wieder eine wirkliche Bereicherung d. Litt. d. 18. Jh. –
Frau Kürschner hat die Autographensamml. durch den Leipziger Händler Schultz schätzen lassen; er setzte Autographenpreise an, um die er selbst die Sachen zu kaufen bereit ist, Maler Müller & Götz kosten zusammen 14.000 M!! Schmidt ist [ent]rüstet darüber. Niemand kann sie kaufen; nun werden sie zerstreut. Den Stifter hat sie mir um 3000 M. überlassen, obwol er auch auf mehr als das doppelte geschätzt war; aber ich habe das Geld dafür noch nicht ganz beisammen. Erwerben müssen wir es aber. –
Ich freue mich herzlich über die ????? Besserung im Befinden Ihrer lieben Frau. Schreiben Sie bald, wenn E.S. weg ist. In treuer Freundschaft Ihr
AS.

Prag 5/9 03
Smichow 586

Lieber Freund! Gestern Abends bin ich nach Hause gekommen. Das erste was ich zu mei[ner] grossen Freude vorfand war Ihre Rezension u. das Versprechen einer zweiten. Vielen, vielen Dank dafür. Sie ist sehr lehrreich und wertvoll. Mehr, mehr dergleichen. Anzengruber! Hebbel!!
Dass ich so lange nicht geschrieben habe, nehmen Sie mir nicht übel. Meine Ferien waren kurz und ich vermeide es in dieser Zeit, die Feder zur Hand zu nehmen. – Anfang Juli kam ein junger amerikan. Freund, Dr. Lessing z[u] mir, der mich auch nach Weimar begleitete; ein ausserord. sympathischer junger Gelehrter, der sich nah an mich angeschlossen hat und vom Herbst ab voraussichtlich in Prag leben wird. So angenehm die mit ihm verbrachten Stunden für mich waren: so gieng mir doch viel Zeit für die Arbeit verloren. In Weimar erledigte ich die Correcturen des ganzen Textes von Schriften XVIII. Suphan war erträglich; dennoch athmete ich auf, als ich fertig war. Schüddekopf war verreist. Anfangs war Creizenach dort: [e]in wüster Anekdotenerzähler; ein americ. Prof. aus Philadelphia Learned; zuletzt ein gedrückter aber sonst netter Franzose aus Toulouse: Loiseaux. Vom 4. August ab war ich mit meiner Frau in Bad Elster, einem netten, stillen Örtchen, wir waren ganz allein; nur einmal trafen wir RMMeyers in Franzensbad; jetzt bleibe ich 4 Wochen hier, gehe dann noch auf 10-12 Tage nach Wien. Die Arbeit liegt berghoch; da meine Frau nicht hier ist und auch sonst völlige Ruhe herrscht, so hoffe ich Vieles zu erledigen, wenn nur die grosse Hitze nicht anhält.
Schmidt schrieb mir, dass die Ak. das Geld für die Wielandausgabe bewilligt habe. Seit Jahren habe ich mich über nichts so gefreut wie über diese Nachricht. Nun erreichen Sie [Ihr] Lebensziel und in so ehrenvoller Weise. Ich wünsche Ihnen umso herzlicher Glück dazu, als meine Hoffnungen auf die Grillparzerausgabe stark gefallen sind. Hartel ist unzuverlässig, Glossy schwach und müde; zum Glück habe ich keinen Schritt gethan, der mir irgendwie schaden könnte; auch meine sanguinischen Hoffnungen habe ich Niemandem mitgeteilt als Ihnen. Haben Sie den Brief bei der Hand, so, [bi]tte, verbrennen Sie ihn. – Von den Neudrucken habe ich Ihnen noch von Weimar aus das Heft von Moritz übersandt. Es war wieder ein Leidensheft. Der Herausgeber, ein Schüler Kluges, hat nicht nur den Text schlecht collationiert; er lieferte mir Einleitg. u. Anmerkg. in völlig unverwendbarer Form, gieng auf meine Verbesserungsvorschläge nicht ein u. da ich mit dem (übrigens sehr dankbaren) Stoff ganz unvertraut war, so konnte ich nur die ärgsten Auswüchse beseitigen. Hoffentlich macht Ihnen das Heft [Gers]tenberg, mit dem ich abschliesse, grössere Freude. Es ist nach langem wieder eine wirkliche Bereicherung d. Litt. d. 18. Jh. –
Frau Kürschner hat die Autographensamml. durch den Leipziger Händler Schultz schätzen lassen; er setzte Autographenpreise an, um die er selbst die Sachen zu kaufen bereit ist, Maler Müller & Götz kosten zusammen 14.000 M!! Schmidt ist [ent]rüstet darüber. Niemand kann sie kaufen; nun werden sie zerstreut. Den Stifter hat sie mir um 3000 M. überlassen, obwol er auch auf mehr als das doppelte geschätzt war; aber ich habe das Geld dafür noch nicht ganz beisammen. Erwerben müssen wir es aber. –
Ich freue mich herzlich über die ????? Besserung im Befinden Ihrer lieben Frau. Schreiben Sie bald, wenn E.S. weg ist. In treuer Freundschaft Ihr
AS.

Schmidt schrieb mir, dass die Ak. das Geld für die Wielandausgabe bewilligt habe. Seit Jahren habe ich mich über nichts so gefreut wie über diese Nachricht. Nun erreichen Sie [Ihr] Lebensziel und in so ehrenvoller Weise. Ich wünsche Ihnen umso herzlicher Glück dazu, als meine Hoffnungen auf die Grillparzerausgabe stark gefallen sind.

Sauer beglückwünschte Seuffert zur Bewilligung der historisch-kritischen Wielandausgabe, während seine eigenen Hoffnungen auf eine historisch-kritische Grillparzerausgabe schwanden.

Schmidt schrieb mir, dass die Ak. das Geld für die Wielandausgabe bewilligt habe. Seit Jahren habe ich mich über nichts so gefreut wie über diese Nachricht. Nun erreichen Sie [Ihr] Lebensziel und in so ehrenvoller Weise. Ich wünsche Ihnen umso herzlicher Glück dazu, als meine Hoffnungen auf die Grillparzerausgabe stark gefallen sind.

Sauer beglückwünschte Seuffert zur Bewilligung der historisch-kritischen Wielandausgabe, während seine eigenen Hoffnungen auf eine historisch-kritische Grillparzerausgabe schwanden.

Briefdaten

Schreibort: Prag
Empfangsort: Graz
Archiv: Österreichische Nationalbibliothek
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand, allerdings kleinräumige Textverluste durch nachträgliche Lochung
Signatur: Autogr. 423/1-462
Umfang: 8 Seite(n)

Status

Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-9091 [Druckausgabe Nr. 213]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.9091/methods/sdef:TEI/get

Lizenzhinweis

Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

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