Graz Harrachg. 1
14.7.04.

Lieber freund, Es ist ein misverständnis, dass ich I. kollegen Gross W.s habilitation neuerdings ans herz gelegt habe. Es widerspricht mir durchaus, wo ich persönlich kenntnis u. persönliches urteil vorhanden weiss, mich oder gar einen nichtfachmann einzuschieben. Die sache liegt so. Wuk. bat mich, wenn ich in G. etwas für ihn tun könne, es zu tun. Hiervon hab ich Sie in knappster form in kenntnis gesetzt. Ich hatte an Z. geschrieben. Ich habe nach besprechung mit Schönbach an Gross geschrieben, weil dieser die G. verhältnisse u. Z. kennt. Gr. hat sich in dankenswertester weise eingesetzt, mit welchem erfolg wissen Sie. Würde ich Z. sachverständnis zutrauen in neuer litteratur, würde ich wissen, dass er von der existenz des W. eine ahnung hat, so würde ich nicht an Gross mich gewendet haben. So aber und da ich gar kein recht habe, bei Z. ein hören auf meine meinung vorauszusetzen, hielt ich es für erlaubt.
Nun spielt Z. als haupt- oder einzigen grund aus, W. sei nicht habilitiert. Ich habe W. wiederholt gesagt, schon als er noch hier war, dass er von allen meinen zuhörern der einzige sei, den ich für eine akademische laufbahn geeignet halte. Gross, der das weiss, in seiner warmen auffassung der sache, forderte mich auch, ihn zur habilitation neuerdings zu ermuntern. Das lehnte ich ab, ebenso wie eine empfehlung bei Ihnen. Das erste, weil ich W. kenne: was er nicht selbst will, lässt er sich nicht abringen. Das andere nicht, weil Sie W. länger kennen als ich, mehr für ihn getan haben als ich, sein buch zum verlag brachten, es also schätzen: mir schien jede einmischung hier unerlaubt. Darnacha hat mir W. geschrieben, dass er eingereicht habe. Ich habe ihm geantwortet: wenn aus der G.sache nicht herausspringe als dies, hielte ich sie doch schon für einen segen; ferner: wenn er bei Kraus, der ihn nicht kenne, empfohlen sein wolle, möge er sich an Schönbach wenden; ob ers getan hat, weiss ich nicht.
Das ist alles. Ich hoffe, Sie sehen, dass ich peinlich korrekt vorgegangen bin, und dass ich in gar keiner weise mich in die Prager angelegenheit einmische. Ich wünsche herzlich, dass die sache für Sie und W. erfreulich verläuft; denn ich habe die feste überzeugung, dass W. ein sachlich leistungsfähiger und tüchtiger forscher ist, der einer hochschule ehre macht. Ich habe auch gar keinen grund an seinem charakter zu zweifeln.
Sollte er an mich wegen des Deutschtums schreiben, so werde ich ihm in Ihrem sinne antworten. Ebenso werde ich Schönbach Ihren auftrag betr. Pogatscher schreiben, bezweifle aber im vorhinein, dass er gelegenheit und lust hat: denn obwohl er W.s buch geradezu enthusiastisch aufgenommen hat, wird auch er die habilitation als Ihre sache nicht anrühren wollen. –
Ihre karte vom 5. mit dem bösen horoskop für den euphorion betrübte mich. Hoffentlich kommen Gl.s persönliche verhältnisse bald in eine ihm erwünschte neue ordnung, so dass er dann auch wieder ordnung in den verhältnissen hält, in die er sich gesetzt hat.
Ich bitte Gross, des vortrefflichen menschen fürsprache nicht übel zu deuten. Er tut so viel, weil er überhaupt gern allen leuten hilft, weil er von Schönbach u. mir weiss, dass wir auf W. viel halten u. ihn zur privatdocentur geeignet finden. Möglich ist, dass er meine bemerkung in einer antwort, Sie hätten mir über die habilitation nicht geschrieben, als stimulus nahm. Daran dacht ich nicht.
Herzlich u. treulich
Ihr ergebner
BSfft.

Graz Harrachg. 1
14.7.04.

Lieber freund, Es ist ein misverständnis, dass ich I. kollegen Gross W.s habilitation neuerdings ans herz gelegt habe. Es widerspricht mir durchaus, wo ich persönlich kenntnis u. persönliches urteil vorhanden weiss, mich oder gar einen nichtfachmann einzuschieben. Die sache liegt so. Wuk. bat mich, wenn ich in G. etwas für ihn tun könne, es zu tun. Hiervon hab ich Sie in knappster form in kenntnis gesetzt. Ich hatte an Z. geschrieben. Ich habe nach besprechung mit Schönbach an Gross geschrieben, weil dieser die G. verhältnisse u. Z. kennt. Gr. hat sich in dankenswertester weise eingesetzt, mit welchem erfolg wissen Sie. Würde ich Z. sachverständnis zutrauen in neuer litteratur, würde ich wissen, dass er von der existenz des W. eine ahnung hat, so würde ich nicht an Gross mich gewendet haben. So aber und da ich gar kein recht habe, bei Z. ein hören auf meine meinung vorauszusetzen, hielt ich es für erlaubt.
Nun spielt Z. als haupt- oder einzigen grund aus, W. sei nicht habilitiert. Ich habe W. wiederholt gesagt, schon als er noch hier war, dass er von allen meinen zuhörern der einzige sei, den ich für eine akademische laufbahn geeignet halte. Gross, der das weiss, in seiner warmen auffassung der sache, forderte mich auch, ihn zur habilitation neuerdings zu ermuntern. Das lehnte ich ab, ebenso wie eine empfehlung bei Ihnen. Das erste, weil ich W. kenne: was er nicht selbst will, lässt er sich nicht abringen. Das andere nicht, weil Sie W. länger kennen als ich, mehr für ihn getan haben als ich, sein buch zum verlag brachten, es also schätzen: mir schien jede einmischung hier unerlaubt. Darnacha hat mir W. geschrieben, dass er eingereicht habe. Ich habe ihm geantwortet: wenn aus der G.sache nicht herausspringe als dies, hielte ich sie doch schon für einen segen; ferner: wenn er bei Kraus, der ihn nicht kenne, empfohlen sein wolle, möge er sich an Schönbach wenden; ob ers getan hat, weiss ich nicht.
Das ist alles. Ich hoffe, Sie sehen, dass ich peinlich korrekt vorgegangen bin, und dass ich in gar keiner weise mich in die Prager angelegenheit einmische. Ich wünsche herzlich, dass die sache für Sie und W. erfreulich verläuft; denn ich habe die feste überzeugung, dass W. ein sachlich leistungsfähiger und tüchtiger forscher ist, der einer hochschule ehre macht. Ich habe auch gar keinen grund an seinem charakter zu zweifeln.
Sollte er an mich wegen des Deutschtums schreiben, so werde ich ihm in Ihrem sinne antworten. Ebenso werde ich Schönbach Ihren auftrag betr. Pogatscher schreiben, bezweifle aber im vorhinein, dass er gelegenheit und lust hat: denn obwohl er W.s buch geradezu enthusiastisch aufgenommen hat, wird auch er die habilitation als Ihre sache nicht anrühren wollen. –
Ihre karte vom 5. mit dem bösen horoskop für den euphorion betrübte mich. Hoffentlich kommen Gl.s persönliche verhältnisse bald in eine ihm erwünschte neue ordnung, so dass er dann auch wieder ordnung in den verhältnissen hält, in die er sich gesetzt hat.
Ich bitte Gross, des vortrefflichen menschen fürsprache nicht übel zu deuten. Er tut so viel, weil er überhaupt gern allen leuten hilft, weil er von Schönbach u. mir weiss, dass wir auf W. viel halten u. ihn zur privatdocentur geeignet finden. Möglich ist, dass er meine bemerkung in einer antwort, Sie hätten mir über die habilitation nicht geschrieben, als stimulus nahm. Daran dacht ich nicht.
Herzlich u. treulich
Ihr ergebner
BSfft.

Briefdaten

Schreibort: Graz
Empfangsort: Prag
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 4 Seite(n)

Status

Rohtranskription, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-9115. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.9115/methods/sdef:TEI/get

Lizenzhinweis

Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

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