Prag 23/9 07
Smichow 586

Lieber Freund! Gestern Abends programmgemäss heimgekehrt, ist es meine erste Aufgabe Ihnen für die liebenswürdige Aufnahme in Graz aufs Herzlichste zu danken und diesem Dank auch Ihrer Gemahlin zu Füssen zu legen. Es war so nett und gemütlich bei Ihnen und so anregend und nicht zuletzt belehrend und aufklärend. Ich wollte, Prag wäre Wien und die Entfernung von Graz ermöglichte es mir, öfter in Ihrer Nähe zu weilen, ruhiger, langsamer, weniger tumultarisch als jetzt, wo ich Sie ganz in Beschlag nahm. Ich bürge nicht dafür, dass ich Sie nicht wieder einmal überfalle, wenn Sie es gestatte[n].
Ich schlief ganz gut, wurde rechtzeitig geweckt, schlief im Coupé weiter, hatte eine prachtvolle wenn auch kühle Fahrt über den Semmering u. traf noch rechtzeitig in Wien ein, um meine [G]eschäfte zu besorgen.
In der Grillparzerangelegenheit sind 2 bedeutsame Momente in den Vordergrund getreten. Man will die Ausgabe als Kaiserjubiläumsausgabe bezeichnen u. beschwört mich, dass ich den ersten Band bis Dez. 1908 fertigstelle. Den ersten Gedichtband bringe i[ch] nicht leicht oder wenigstens nicht sicher fertig. Glossy meinte aber; wie wärs, wenn ich mit der alten Einteilung bräche u. die Dramen voranstellte. Im Volk u. in der Lit. Geschichte lebt Grillparzer doch nur als Dramatiker. Dadurch, dass die Gedichte an der Spitze standen, wurde ihnen ein zu grosses Gewicht beigelegt. Also die Dramen voran! Dann umfas[ste] Bd I: Ahnfrau u. Sappho, die bringe ich leicht u. sicher fertig. Wie denken Sie darüber? Überhaupt müssen Sie sich darauf gefasst machen, dass ich Sie noch oft um Rat frage.
Meine Frau empfiehlt sich Ihnen und der Ihrigen vielmals. Grüssen Sie mir auch Ihre Jungen.
Mit herzlichem Dank und treuem Gedenken Ihr
aufrichtig erg.
ASauer.

Prag 23/9 07
Smichow 586

Lieber Freund! Gestern Abends programmgemäss heimgekehrt, ist es meine erste Aufgabe Ihnen für die liebenswürdige Aufnahme in Graz aufs Herzlichste zu danken und diesem Dank auch Ihrer Gemahlin zu Füssen zu legen. Es war so nett und gemütlich bei Ihnen und so anregend und nicht zuletzt belehrend und aufklärend. Ich wollte, Prag wäre Wien und die Entfernung von Graz ermöglichte es mir, öfter in Ihrer Nähe zu weilen, ruhiger, langsamer, weniger tumultarisch als jetzt, wo ich Sie ganz in Beschlag nahm. Ich bürge nicht dafür, dass ich Sie nicht wieder einmal überfalle, wenn Sie es gestatte[n].
Ich schlief ganz gut, wurde rechtzeitig geweckt, schlief im Coupé weiter, hatte eine prachtvolle wenn auch kühle Fahrt über den Semmering u. traf noch rechtzeitig in Wien ein, um meine [G]eschäfte zu besorgen.
In der Grillparzerangelegenheit sind 2 bedeutsame Momente in den Vordergrund getreten. Man will die Ausgabe als Kaiserjubiläumsausgabe bezeichnen u. beschwört mich, dass ich den ersten Band bis Dez. 1908 fertigstelle. Den ersten Gedichtband bringe i[ch] nicht leicht oder wenigstens nicht sicher fertig. Glossy meinte aber; wie wärs, wenn ich mit der alten Einteilung bräche u. die Dramen voranstellte. Im Volk u. in der Lit. Geschichte lebt Grillparzer doch nur als Dramatiker. Dadurch, dass die Gedichte an der Spitze standen, wurde ihnen ein zu grosses Gewicht beigelegt. Also die Dramen voran! Dann umfas[ste] Bd I: Ahnfrau u. Sappho, die bringe ich leicht u. sicher fertig. Wie denken Sie darüber? Überhaupt müssen Sie sich darauf gefasst machen, dass ich Sie noch oft um Rat frage.
Meine Frau empfiehlt sich Ihnen und der Ihrigen vielmals. Grüssen Sie mir auch Ihre Jungen.
Mit herzlichem Dank und treuem Gedenken Ihr
aufrichtig erg.
ASauer.

In der Grillparzerangelegenheit sind 2 bedeutsame Momente in den Vordergrund getreten. Man will die Ausgabe als Kaiserjubiläumsausgabe bezeichnen u. beschwört mich, dass ich den ersten Band bis Dez. 1908 fertigstelle.

Sauer verhandelte mit der Stadt Wien über die historisch-kritische Grillparzerausgabe.

Briefdaten

Schreibort: Prag
Empfangsort: Graz
Archiv: Österreichische Nationalbibliothek
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand, allerdings kleinräumige Textverluste durch nachträgliche Lochung
Signatur: Autogr. 423/1-543
Umfang: 4 Seite(n)

Status

Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-9237 [Druckausgabe Nr. 247]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.9237/methods/sdef:TEI/get

Lizenzhinweis

Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

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