Einleitung zur digitalen Edition

Das Projekt

Das FWF-Projekt „Andreas Okopenko: Tagebücher aus dem Nachlass (Hybridedition)“ wurde von 2015–2018 als Kooperation zwischen dem Institut für Germanistik der Universität Wien und dem Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek durchgeführt. Grundlage des Projektes war der 2012 vom Literaturarchiv erworbene Nachlass des österreichischen Schriftstellers Andreas Okopenko (1930–2010), der u. a. 1998 mit dem Großen Österreichischen Staatspreis für Literatur und 2002 mit dem Georg-Trakl-Preis ausgezeichnet wurde. Der Nachlass enthält umfangreiche Tagebuchaufzeichnungen, die Okopenko zeit seines Lebens akribisch führte und dem Archiv in einem bereits vorgeordneten Zustand hinterließ. Sie sind von Kindheit an bis ins hohe Alter, vom mit Bleistift beschriebenen Schulheft bis zum Computerausdruck, belegt. Die darin niedergeschriebenen Gedanken, Erlebnisse, Begegnungen und lyrischen Notate sind zum Teil Vorstufen seiner Werke und beinhalten zugleich aussagekräftige Kommentare zum österreichischen Literaturbetrieb und zur Zeitgeschichte. Für die Edition wurden die Tagebücher aus dem Zeitraum 1949–1954 ausgewählt, die über 3.000 Seiten umfassen.

Ziele

Hauptziel des Projektes war die Erarbeitung einer Edition, die editionswissenschaftlichen Standards gerecht wird und gleichzeitig eine inhaltliche Aufarbeitung ermöglicht, um neue Erkenntnisse zu Okopenko selbst, zu seinem Werk und zur österreichischen Literaturgeschichte der 1950er Jahre zu gewinnen. Durch die Entscheidung für eine Hybrid-Edition können sowohl die Vorteile digitaler Editionen als auch von Printeditionen genutzt werden. Während mit einer gedruckten Auswahledition ein klassisches Lesepublikum erreicht wird, ist es Ziel der digitalen Edition, die technischen Möglichkeiten aus dem Bereich der Digital Humanities zu nutzen und durch den niederschwelligen Zugang zum Material sowohl ein wissenschaftliches Fachpublikum als auch eine interessierte Öffentlichkeit zu erreichen. Die digitale Edition der Tagebücher Okopenkos ist ein Pilotprojekt der „Nachhaltigen Infrastruktur für digitale Editionen“ der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB-DE), die an der Abteilung für Forschung und Entwicklung im Rahmen des Kompetenznetzwerkes Digitale Editionen (KONDE) entwickelt wird. Dabei wird auf das am Grazer Zentrum für Informationsmodellierung – Austrian Centre for Digital Humanities entwickelte System GAMS zurückgegriffen. Die ab 12.12.2018 verfügbare digitale Edition ist Version 1.0. – für Mitte 2019 ist der Onlinegang von Version 2.0 mit weiteren Funktionen geplant.

Vorgangsweise

Das gesamte Material, das nach den Standards der Text Encoding Initiative codiert wurde (siehe Codierungsrichtlinien) ist in unterschiedlichen Präsentationsformen verfügbar (Faksimiles, diplomatische Transkription, Lesefassung, Quellcode). Alle im Tagebuchtext vorkommenden Entitäten (Personen, Orte, Institutionen und Werke) wurden in der Codierung erfasst und sind in den Registerdateien entweder durch einen Zugriff auf Normdaten (GND), die Erfassung von Koordinaten (GeoNames) oder durch inhaltliche Erläuterungen seitens der EditorInnen erschlossen. Durch die Möglichkeit der Informationsverknüpfung innerhalb der Edition reduzierte sich der Bedarf an Stellenkommentaren. Ergänzend wurden neben einem biographischen Überblick zu Okopenko drei Überblickskommentare erarbeitet: zu literarischen Netzwerken, zu Medien und den zeithistorischen Diskursen der 1950er Jahre. Diese bieten einen thematisch fokussierten Einstieg in die Tagebücher und sind mit konkreten Stellen aus den Tagebüchern verlinkt. Für die nächste Version der digitalen Edition wird als weiteres Navigationsinstrument eine Timeline entwickelt, auf der in den Tagebüchern vorkommende Personen, Orte, Institutionen und Werke angezeigt werden. Auch der Einstieg in die Edition über ausgewählte, besonders interessante Tagebuchseiten oder Beilagen wird angeboten werden. Die verschiedenen Zugänge, die sich den NutzerInnen der Digitalen Edition anbieten, dienen der leichteren und flexibleren Erschließung des Materials und entsprechen digitalen Lesegewohnheiten. Gemäß dem Konzept einer Hybridedition wird auf Basis der digitalen Gesamtedition auch eine gedruckte Auswahledition der Tagebücher erscheinen. Mit der 2019 erscheinenden Druckausgabe, die auf Grundlage der erstellten XML-Dateien erfolgt, kann zusätzlich ein Publikum angesprochen werden, das einen klassischen Zugang zum Text durch Leseausgaben bevorzugt. Die Druckausgabe berücksichtigt auch Tagebucheinträge aus dem Zeitraum von 1945–1949, die in der digitalen Edition noch nicht verfügbar sind.

Das Material

Die Tagebuchkonvolute bestehen teils aus gebundenen Blattverbänden (A5-Heften / Notizbücher), aus losen Blättern oder aus Mischungen davon (Verbände mit eingelegten losen Blättern). Die losen Blätter wurden von Okopenko in einer offensichtlich intendierten festen Ordnung abgelegt bzw. in die Hefte und Bücher eingelegt, es gibt jedoch keine Nummerierung der Seiten. Grundsätzliche liegt keine inhaltliche Hierarchie zwischen den Blattverbänden und den Beilagen vor, der Ausdruck „Beilage“ ist somit eigentlich irreführend. Die Beilagen wurden vom Autor offensichtlich als genuiner Teil der Tagebücher verstanden, beinhalten etwa auch über weite Strecken die Tagebucheinträge oder decken gewisse Zeitabschnitte in Form von Korrespondenzstücken ab. In einzelnen Konvoluten überwiegen die Beilagen quantitativ sogar die Heftseiten, sodass die gebundenen Hefte in manchen Fällen praktisch nur noch als Gerüst dienen. Okopenko verfasste seine Tagebücher sowohl handschriftlich als auch mit Schreibmaschine. Vereinzelt kommen stenographierte Textteile vor. Die verwendeten Schreibmaterialien reichen von Bleistift über Füllfeder und Kugelschreiber bis hin zu diversen Buntstiften. Als Beilagen finden sich neben zahlreichen Zeitungsausschnitten und Notizzetteln sowohl Briefe Dritter als auch Abschriften von Briefen Okopenkos, die tatsächlich abgesandt wurden. Auch literarische Entwürfe Okopenkos, die z.T. Vorstufen zu später publizierten Werken darstellen, sind Teil der Tagebücher. Darüber hinaus sind Filmbroschüren, Theaterprogramme und diverse andere, persönliche Dokumente Teil des Tagebuchs.

Die Objektgalerie

Der edierte Tagebuchbestand umfasst zahlreiche visuell ansprechende Objekte bzw. inhaltlich markante Textsellen, die einen alternativen Zugang zum Material eröffnen. Das EditorInnenteam hat in einem Abstimmungsprozess 12 Objekte/Textstellen ausgewählt, die auf der Startseite präsentiert werden und durch Anklicken in die einzelnen Tagebücher führen. Die Auswahl reicht dabei von collagierten Zeitungsüberschriften, die Okopenko zusammengestellt und teilweise mit Kommentaren versehen hat, bis hin zu Zeichnungen, die auf ein weniger bekanntes künstlerisches Betätigungsfeld des Autors hinweisen. Einen weiteren Fokus bei der Auswahl stellten einprägsame Textstellen oder Sentenzen dar, die einerseits von großem literaturhistorischen oder poetologischem Interesse sind oder andererseits eine starke persönliche Bedeutung für Andreas Okopenko darstellen.


Zitiervorschlag
Okopenko, Andreas: Tagebücher 1949–1954. Digitale Edition, hrsg. von Roland Innerhofer, Bernhard Fetz, Christian Zolles, Laura Tezarek, Arno Herberth, Desiree Hebenstreit, Holger Englerth, Österreichische Nationalbibliothek und Universität Wien. Wien: Version 2.0, 21.11.2019. URL: https://edition.onb.ac.at/okopenko

Ältere Versionen: siehe Archiv