Würzburg 28 VII 83

Sehr verehrter herr kollege,

Da haben Sie das monstrum! denken Sie sich den mann etwas gealtert, den bart etwas grösser, den haarbusch, damals à la kgl. bayr. raupenhelm geschnitten, etwas erniedrigt und mit leichten grauen spitzen da u. dort – wie es eben bei jemand geht, der unter der last 6jährigen privatdocententums und 5jährigen brautstandes gebeugt ist. dazu die augen etwas weniger weit aufgerissen als dies in der verdammten photographier stube, atelier genannt, not tat.
Und nun freue ich mich auf Ihre einkehr bei mir.
Der Uz ist auf dem umschlag von DLD 16 angekündigt. Sie brauchen damit nicht zu eilen. vor ostern wird die drucklegung kaum angehen. Randbemerkung mit geschweifter Klammer, bezogen auf den folgenden Absatz: [vertraulich] meine verleger haben nemlich neuerdings mir auszüge aus Ihren geschäftsbüchern geschickt von so erschreckender gestalt, dass ich ihren mut nicht begreife, mit dem sie auf der fortsetzung als etwas selbstverständlichem bestehen. aber eine folge hat das doch: ich darf im nächsten jahre nicht so hausen wie in diesem, wo ich allerdings unbändig viel auf den markt werfe. also haben auch Sie nachsicht, wenn ich Sie nicht so rasch mit dem Uz zur öffentlichkeit kommen lassen kann.
Wissen Sie dass ein Wiener herr Schnürer oder wie, jetzt in Innsbruck über Uz u. Cronegk arbeitet? vielleicht ist es bequem für Sie, wenn er seine schrift so rechtzeitig ediert, dass Sie dieselbe noch nützen können.
Ich soll nach Strassbg. kommen?! wie so denn? da Hennings berufung nach Basel fehl schlug, ist ja kein platz da. und wenn er wirklich – was ich bezweifle – nach Kiel berufen werden sollte, sässe Kluge in Strassburg zur empfangnahme des Henningschen extraordinariates bereit, und Kluge hat freunde. Sie wissen ja wol, dass weder Schmidts noch Hennings berufung nach Strsbg. glatt ging. selbst wenn ich also – im falle von Hennings einstigem abgange – von einer seite dort vorgeschlagen würde, würde die opposition wider sehr stark sein und gewiss alle kräfte aufbieten, um nicht zum 3. male in dieser frage zu unterliegen. Sie sehen, das gerücht fusst lediglich auf den unmöglichsten konditionalsätzen. ich sitze hier eingepfercht und habe nichts als das wolwollen der hiesigen fakultät und einige zustimmende freunde auswärts – aber beides sind ideale werte, die ich gewiss hoch einschätze, die aber keine praktische folge haben. –
Wenn ich mir überhaupt ferien gönne – und ich bin ziemlich abgearbeitet, – so gehe ich wahrscheinlich auf zwei wochen nach Thüringen. aber s’ist noch nicht bestimmt. jedesfalls genügt meine hiesige adresse zu jeder zeit.
NB: haben Sie eigentlich Ihr extraordinäres dekret in der tasche? ich las noch nichts davon u konnte darum auch keinen rechtzeitigen glückwunsch überbringen.
Damit genug für heute: lassen Sie das bild ein unterpfand sein der treuen hochachtung

Ihres
ergebenen
BSeuffert.

Würzburg 28 VII 83

Sehr verehrter herr kollege,

Da haben Sie das monstrum! denken Sie sich den mann etwas gealtert, den bart etwas grösser, den haarbusch, damals à la kgl. bayr. raupenhelm geschnitten, etwas erniedrigt und mit leichten grauen spitzen da u. dort – wie es eben bei jemand geht, der unter der last 6jährigen privatdocententums und 5jährigen brautstandes gebeugt ist. dazu die augen etwas weniger weit aufgerissen als dies in der verdammten photographier stube, atelier genannt, not tat.
Und nun freue ich mich auf Ihre einkehr bei mir.
Der Uz ist auf dem umschlag von DLD 16 angekündigt. Sie brauchen damit nicht zu eilen. vor ostern wird die drucklegung kaum angehen. Randbemerkung mit geschweifter Klammer, bezogen auf den folgenden Absatz: [vertraulich] meine verleger haben nemlich neuerdings mir auszüge aus Ihren geschäftsbüchern geschickt von so erschreckender gestalt, dass ich ihren mut nicht begreife, mit dem sie auf der fortsetzung als etwas selbstverständlichem bestehen. aber eine folge hat das doch: ich darf im nächsten jahre nicht so hausen wie in diesem, wo ich allerdings unbändig viel auf den markt werfe. also haben auch Sie nachsicht, wenn ich Sie nicht so rasch mit dem Uz zur öffentlichkeit kommen lassen kann.
Wissen Sie dass ein Wiener herr Schnürer oder wie, jetzt in Innsbruck über Uz u. Cronegk arbeitet? vielleicht ist es bequem für Sie, wenn er seine schrift so rechtzeitig ediert, dass Sie dieselbe noch nützen können.
Ich soll nach Strassbg. kommen?! wie so denn? da Hennings berufung nach Basel fehl schlug, ist ja kein platz da. und wenn er wirklich – was ich bezweifle – nach Kiel berufen werden sollte, sässe Kluge in Strassburg zur empfangnahme des Henningschen extraordinariates bereit, und Kluge hat freunde. Sie wissen ja wol, dass weder Schmidts noch Hennings berufung nach Strsbg. glatt ging. selbst wenn ich also – im falle von Hennings einstigem abgange – von einer seite dort vorgeschlagen würde, würde die opposition wider sehr stark sein und gewiss alle kräfte aufbieten, um nicht zum 3. male in dieser frage zu unterliegen. Sie sehen, das gerücht fusst lediglich auf den unmöglichsten konditionalsätzen. ich sitze hier eingepfercht und habe nichts als das wolwollen der hiesigen fakultät und einige zustimmende freunde auswärts – aber beides sind ideale werte, die ich gewiss hoch einschätze, die aber keine praktische folge haben. –
Wenn ich mir überhaupt ferien gönne – und ich bin ziemlich abgearbeitet, – so gehe ich wahrscheinlich auf zwei wochen nach Thüringen. aber s’ist noch nicht bestimmt. jedesfalls genügt meine hiesige adresse zu jeder zeit.
NB: haben Sie eigentlich Ihr extraordinäres dekret in der tasche? ich las noch nichts davon u konnte darum auch keinen rechtzeitigen glückwunsch überbringen.
Damit genug für heute: lassen Sie das bild ein unterpfand sein der treuen hochachtung

Ihres
ergebenen
BSeuffert.

Da haben Sie das monstrum! denken Sie sich den mann etwas gealtert, den bart etwas grösser, den haarbusch, damals à la kgl. bayr. raupenhelm geschnitten, etwas erniedrigt und mit leichten grauen spitzen da u. dort – wie es eben bei jemand geht, der unter der last 6jährigen privatdocententums und 5jährigen brautstandes gebeugt ist. dazu die augen etwas weniger weit aufgerissen als dies in der verdammten photographier stube, atelier genannt, not tat.

Seuffert beschreibt seine eigene Erscheinung auf der übersandten Photographie mit einem ironischen Blick.

Briefdaten

Schreibort: Würzburg
Empfangsort: Lemberg
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 3 Seite(n)

Status

Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8269 [Druckausgabe Nr. 35]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8269/methods/sdef:TEI/get

Lizenzhinweis

Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

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