Würzburg 23.XII 84.
Herzogeng. 5.
Lieber freund,
Auch ich freue mich, dass ich am schlusse dieses jahres mit dieser anrede zu Ihnen sprechen darf.
Auf Ihre beiden fragen über Stolberg und Voss weiss ich leider nicht bescheid zu geben.
Dass Ihre neudrucke, die Sie schon begraben wähnten, noch weiter leben freut mich; besonders froh erwarte ich die Fasnachtsspiele. Ihr versprechen von anmerkungen zu Sonnenfels lösen Sie doch bald ein? Und wie ists mit Ihrer Ahnfrau? sie spukt und spukt und lässt sich nicht sehen, ganz anders als es weisse damen sonst zu thun pflegen.
Aus Ihren worten sehe ich, dass Sie leider erst mit Pyra u. Lange auftreten als mit Uz. Und ich werde dem nicht widerstreben. Vielleicht liegt mir nur mehr an Uz, weil ich gerne Ihren unterricht über ihn genösse und weil ich ihn zum Wieland brauche.Thirsis und damon kenne ich bis zum überdruss, was freilich nicht ausschliesst, dass Sie sie mir in neuem lichte zeigen.
Sie haben ja wol die beiden drucke der Freundschaftlichen lieder vor sich. Ich kenne nur den zweiten. Aus der ersten müsste man wol die in der 2. fehlenden 2 nummern aufnehmen; denn ich setze voraus, dass Sie die vollständige 2. auflage drucken lassen wollen. Oder sollte man die erste drucken und der zweiten überschuss als anhang geben? Auch weiss ich nicht, ob varianten unter dem texte anzumerken sind. besonders auch der erste 1737er druck des Tempels wäre daraufhin
zu betrachten. Haben Sie auch die Beschäftigungen auf dem lande Halle 1777 (Wanieck 127)? Die würden auch für den anhang etwas geben. Ob man von den hsl. tragödien Pyras etwas beigeben soll?
Pyras Aeneis, seine 2 Erweise fallen weg. Oder ich habe auch schon bedacht eine gesammtausg über Pyra an stelle des neudruckes der frdschftl. ll. zu setzen. Langes dichterei ist elend, auch eigentlich nur im zusammenhange mit seinem Horaz beachtbar zu machen.
Haben Sie die güte, diese andenkungen etwas in erwägung zu ziehen, so weit es noch nicht geschehen ist.
Ein paar anmerkungen: Waniek s. 38 Angaben aus Waniek und Bernays detailliert
Bitte schreiben Sie mir, bis wann Sie mir ms. schicken können. geschieht es bald, dann kann der druck sofort beginnen. Ausserdem muss ich ein anderes heft dazwischen schieben. Die verleger sehen sehr darauf, dass die einleitung mit dem text eingeliefert wird, weil sie einmal 3, das andermal gar 8 monate mit dem text fertig waren, ehe die einleitung kam. Und bis wann ungefähr dann Uz?
Verzeihen Sie, dass ich Ihnen heute einen allzu redaktionellen brief schriebe. Aber die musse und die stimmung zu besserem fehlt. Aber wir sind ja auch so unserer gegenseitigen gesinnungen sicher.
Hat meine ‚schmerzenspfeiferei‘ vor den vor den guten frauen Sie einigermassen überzeugt?
Ich wollte, ich könnte wieder ganz in Wieland stecken, wie während der ferien. Aber – recensieren soll ich, soll recensieren. Na, so will ich denn die leute wieder ärgern, ungern zwar, aber es tut not. Ich möchte immer loben, aber – -
Kennen Sie Robert Keil? ich hab mir den herrn in Weimar angeschaut und bin mit absehen (das wort ist ein bischen übertrieben!) von ihm gegangen. Mit seinen Wiener freunden hat er Ihnen auch wenig ehre gemacht. Sie werdens doch nicht krumm nehmen? ich muss es bald einmal laut sagen.
Genug und genug! Wollen Sie gemütsspeise, so lesen Sie Leutholds gedichte, aber ja nicht alle wie ich. Der fluss und ton ist bestrickend. Und Bächtold hat eine famose einleitung dazu gemacht, eigentlich zu gut für diese stelle.
Treiben Sie denn das kritische handwerk gar nicht mehr? Ja freilich, positiv sein ist besser als negativ. Aber man lernt verteufelt viel, wenn man die bücher recht scharf ins auge fasst.
Die besten wünsche für die festtage und das neue jahr; ich wünsche mir unter anderm (z. b. einer professur) die erhaltung Ihrer freundschaft.
Treu
ergebenst
BSeuffert
Auf S. 4 gedruckte Mitteilung des Verlags der Gebrüder Henninger an die Mitarbeiter der „Deutschen Litteraturdenkmale des 18. und 19. Jahrhunderts in Neudrucken“:
Würzburg 23.XII 84.
Herzogeng. 5.
Lieber freund,
Auch ich freue mich, dass ich am schlusse dieses jahres mit dieser anrede zu Ihnen sprechen darf.
Auf Ihre beiden fragen über Stolberg und Voss weiss ich leider nicht bescheid zu geben.
Dass Ihre neudrucke, die Sie schon begraben wähnten, noch weiter leben freut mich; besonders froh erwarte ich die Fasnachtsspiele. Ihr versprechen von anmerkungen zu Sonnenfels lösen Sie doch bald ein? Und wie ists mit Ihrer Ahnfrau? sie spukt und spukt und lässt sich nicht sehen, ganz anders als es weisse damen sonst zu thun pflegen.
Aus Ihren worten sehe ich, dass Sie leider erst mit Pyra u. Lange auftreten als mit Uz. Und ich werde dem nicht widerstreben. Vielleicht liegt mir nur mehr an Uz, weil ich gerne Ihren unterricht über ihn genösse und weil ich ihn zum Wieland brauche.Thirsis und damon kenne ich bis zum überdruss, was freilich nicht ausschliesst, dass Sie sie mir in neuem lichte zeigen.
Sie haben ja wol die beiden drucke der Freundschaftlichen lieder vor sich. Ich kenne nur den zweiten. Aus der ersten müsste man wol die in der 2. fehlenden 2 nummern aufnehmen; denn ich setze voraus, dass Sie die vollständige 2. auflage drucken lassen wollen. Oder sollte man die erste drucken und der zweiten überschuss als anhang geben? Auch weiss ich nicht, ob varianten unter dem texte anzumerken sind. besonders auch der erste 1737er druck des Tempels wäre daraufhin
zu betrachten. Haben Sie auch die Beschäftigungen auf dem lande Halle 1777 (Wanieck 127)? Die würden auch für den anhang etwas geben. Ob man von den hsl. tragödien Pyras etwas beigeben soll?
Pyras Aeneis, seine 2 Erweise fallen weg. Oder ich habe auch schon bedacht eine gesammtausg über Pyra an stelle des neudruckes der frdschftl. ll. zu setzen. Langes dichterei ist elend, auch eigentlich nur im zusammenhange mit seinem Horaz beachtbar zu machen.
Haben Sie die güte, diese andenkungen etwas in erwägung zu ziehen, so weit es noch nicht geschehen ist.
Ein paar anmerkungen: Waniek s. 38 Angaben aus Waniek und Bernays detailliert
Bitte schreiben Sie mir, bis wann Sie mir ms. schicken können. geschieht es bald, dann kann der druck sofort beginnen. Ausserdem muss ich ein anderes heft dazwischen schieben. Die verleger sehen sehr darauf, dass die einleitung mit dem text eingeliefert wird, weil sie einmal 3, das andermal gar 8 monate mit dem text fertig waren, ehe die einleitung kam. Und bis wann ungefähr dann Uz?
Verzeihen Sie, dass ich Ihnen heute einen allzu redaktionellen brief schriebe. Aber die musse und die stimmung zu besserem fehlt. Aber wir sind ja auch so unserer gegenseitigen gesinnungen sicher.
Hat meine ‚schmerzenspfeiferei‘ vor den vor den guten frauen Sie einigermassen überzeugt?
Ich wollte, ich könnte wieder ganz in Wieland stecken, wie während der ferien. Aber – recensieren soll ich, soll recensieren. Na, so will ich denn die leute wieder ärgern, ungern zwar, aber es tut not. Ich möchte immer loben, aber – -
Kennen Sie Robert Keil? ich hab mir den herrn in Weimar angeschaut und bin mit absehen (das wort ist ein bischen übertrieben!) von ihm gegangen. Mit seinen Wiener freunden hat er Ihnen auch wenig ehre gemacht. Sie werdens doch nicht krumm nehmen? ich muss es bald einmal laut sagen.
Genug und genug! Wollen Sie gemütsspeise, so lesen Sie Leutholds gedichte, aber ja nicht alle wie ich. Der fluss und ton ist bestrickend. Und Bächtold hat eine famose einleitung dazu gemacht, eigentlich zu gut für diese stelle.
Treiben Sie denn das kritische handwerk gar nicht mehr? Ja freilich, positiv sein ist besser als negativ. Aber man lernt verteufelt viel, wenn man die bücher recht scharf ins auge fasst.
Die besten wünsche für die festtage und das neue jahr; ich wünsche mir unter anderm (z. b. einer professur) die erhaltung Ihrer freundschaft.
Treu
ergebenst
BSeuffert
Auf S. 4 gedruckte Mitteilung des Verlags der Gebrüder Henninger an die Mitarbeiter der „Deutschen Litteraturdenkmale des 18. und 19. Jahrhunderts in Neudrucken“:
Und wie ists mit Ihrer Ahnfrau? sie spukt und spukt und lässt sich nicht sehen, ganz anders als es weisse damen sonst zu thun pflegen.
Als erstes Heft der Beiträge zur Geschichte der deutschen Litteratur und des geistigen Lebens in Österreich hatte Sauer lange eine Studie über Grillparzers Drama Die Ahnfrau angekündigt. Die Studie wurde nie veröffentlicht. Der österreichische Dichter Franz Grillparzer blieb dennoch einer von Sauers wichtigsten Forschungsschwerpunkten.
Schreibort: Würzburg
Empfangsort: Graz
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 3 Seite(n)
Rohtranskription, Text teilweise getaggt
ZitiervorschlagBrief ID-8290. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8290/methods/sdef:TEI/get
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