Dank, herzlichen dank, l. fr., für Ihren lieben brief. Ob ich Ihr buch, das Sie gütig versprechen, wirklich meiner braut ankündige, bezweifle ich doch: ich werde Ihre charakterbilder zu notwendig brauchen, um sie ausser haus zu geben. Denn ich bin über diese frauenzimmer ganz dumm und bedarf belehrung. Ists nebenher ein schönes buch in stil und ausstattung, so ists desto besser. Ich möchte meine Wieland-biographie auch warm schreiben und suche nach mustern. Aber später soll Ihr wunsch in erfüllung gehen und das buch meiner frau gehören; den gruss bestell ich ihr gleich heute. Ich hab inzwischen von dem alten reinen Sokrates-Wieland wider stimmung und frieden gesogen und das wehmüllern aus dem hause verwiesen. Ich weiss ja, dass Sie auch nicht auf rosen gebettet waren noch sind. Drum eben ist mir doppelt fatal, dass wir uns im lichte stehen sollten. Aber Ihre nachrichten entheben dieser not: also Lambel! nun, wenn er erst aushilft, dann rutscht er schon ganz hinein, und selbst Richard Maria wird ihm nicht den rang ablaufen, wenn er sich auch bemüht. Lambel! der casus macht mich lachen. Dass übrigens Scherer der mir noch nie über d. Oesterreicher stellen schrieb und Schmidt sich mehr für mich erwärmen sollten als für Sie, klingt Ihnen doch selbst unwahrscheinlich. Es müsste denn sein – aber ich kanns nicht glauben, obwol ich mich alles freundlichen sonst von beiden versehe – dass sie jetzt noch mehr mitleid mit dem 8jährigen docenten als dem Hinterextraordinarius haben. NB in Innsbr. soll Z. bleiben u. der dortige docent hilfs eo. werden. Obs wahr ist, weiss ich nicht. In den Fastnachtspielen hab ich doch schon gelesen, der reiz war zu gross. Aristophanes nennt Wieland einen schweinigel. Was würde der Osmantinese von diesen dingen sagen? Er würde sie trotzdem (oder gar eben deswegen?) famos finden. Besten gruss! In treuen
Ihr BSeuffert

Wzbg. Herzogeng. 5. 25 X 85

Dank, herzlichen dank, l. fr., für Ihren lieben brief. Ob ich Ihr buch, das Sie gütig versprechen, wirklich meiner braut ankündige, bezweifle ich doch: ich werde Ihre charakterbilder zu notwendig brauchen, um sie ausser haus zu geben. Denn ich bin über diese frauenzimmer ganz dumm und bedarf belehrung. Ists nebenher ein schönes buch in stil und ausstattung, so ists desto besser. Ich möchte meine Wieland-biographie auch warm schreiben und suche nach mustern. Aber später soll Ihr wunsch in erfüllung gehen und das buch meiner frau gehören; den gruss bestell ich ihr gleich heute. Ich hab inzwischen von dem alten reinen Sokrates-Wieland wider stimmung und frieden gesogen und das wehmüllern aus dem hause verwiesen. Ich weiss ja, dass Sie auch nicht auf rosen gebettet waren noch sind. Drum eben ist mir doppelt fatal, dass wir uns im lichte stehen sollten. Aber Ihre nachrichten entheben dieser not: also Lambel! nun, wenn er erst aushilft, dann rutscht er schon ganz hinein, und selbst Richard Maria wird ihm nicht den rang ablaufen, wenn er sich auch bemüht. Lambel! der casus macht mich lachen. Dass übrigens Scherer der mir noch nie über d. Oesterreicher stellen schrieb und Schmidt sich mehr für mich erwärmen sollten als für Sie, klingt Ihnen doch selbst unwahrscheinlich. Es müsste denn sein – aber ich kanns nicht glauben, obwol ich mich alles freundlichen sonst von beiden versehe – dass sie jetzt noch mehr mitleid mit dem 8jährigen docenten als dem Hinterextraordinarius haben. NB in Innsbr. soll Z. bleiben u. der dortige docent hilfs eo. werden. Obs wahr ist, weiss ich nicht. In den Fastnachtspielen hab ich doch schon gelesen, der reiz war zu gross. Aristophanes nennt Wieland einen schweinigel. Was würde der Osmantinese von diesen dingen sagen? Er würde sie trotzdem (oder gar eben deswegen?) famos finden. Besten gruss! In treuen
Ihr BSeuffert

Wzbg. Herzogeng. 5. 25 X 85

Briefdaten

Schreibort: Würzburg
Empfangsort: Graz
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: Postkarte

Status

Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8335 [Druckausgabe Nr. 54]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8335/methods/sdef:TEI/get

Lizenzhinweis

Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

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